Start Magazin Rat & Recht „Vorsatz“ im Strafrecht – kein guter Vorsatz!

„Vorsatz“ im Strafrecht – kein guter Vorsatz!

Viele von uns starten beschwingt und angefüllt mit guten Vorsätzen ins Neue Jahr! Rechtsanwalt Michael Lingnau betrachtet

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Rat & Recht in und um Jülich Foto: ©Andrey Burmakin - stock.adobe.com / Bearbeitung: la mechky
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Viele von uns starten beschwingt und angefüllt mit guten Vorsätzen ins Neue Jahr!

Ein solch gut gemeinter Vorsatz ist der Wortbedeutung nach dem strafrechtlichen Vorsatz gegenüber völlig unverträglich.
Eben wie so oft in unserer faszinierend changierenden deutschen Sprache:
Ein Wort – zwei Bedeutungswelten!

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In vorliegender Rechtsrubrik daher ein wenig mehr zum im Alltagsleben weitaus weniger relevanten Begriff des Vorsatzes im deutschen Strafrecht, in Theorie und Praxis.

Alltagssprache und Juristendeutsch stehen zumeist nicht im Einklang, wenn es um die Begrifflichkeit des Vorsatzes im Strafrecht geht.

Im Sinne des Strafrechts handelt derjenige vorsätzlich, der eine Tat wissentlich und willentlich unternimmt oder eine rechtlich gebotene Handlung unterlässt.
Allein die umgangssprachlich gebräuchliche Absicht reicht also zumeist nicht aus.

Zu unterscheiden ist zwischen direktem Vorsatz (dolus directus) und bedingtem Vorsatz (dolus eventualis).

Der direkte Vorsatz lässt sich schlagwortartig als sicheres Wissen der Tatbegehung verstehen.
Von bedingtem Vorsatz ist die Rede, wenn der Täter einen bestimmten Taterfolg zwar nicht wünscht und auch nicht sicher voraussieht, ihn jedoch als mögliche Folge seines Verhaltens billigend in Kauf nimmt und sich mit seinem Eintritt abfindet.

Angesichts der Schwierigkeiten beim Nachweis von Vorsatz ist es gelegentlich Zufall, ob ein Gericht bei einem Angeklagten von Vorsatz ausgeht oder nicht.
Böse Zungen behaupten, Vorsatz findet nicht im Kopf des Angeklagten, sondern im Kopf des Richters statt.

Jedenfalls dürfen sich Richter bei der Beurteilung vorsätzlichen Handelns nicht vom reinen Rechtsgefühl leiten lassen.

Das hat eine Strafkammer des Berliner Landgerichts indes unlängst getan, als sie zwei Raser, die sich zu einem verbotenen Straßenrennen verabredet und dabei einen schweren Unfall verursacht hatten, bei dem eine unbeteiligte Passantin zu Tode kam, wegen Mordes (!) verurteilt hat.
Mord ist immerhin der Ausbund vorsätzlicher Tötung.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieses Urteil als krass falsch aufgehoben und kassiert sowie zur Neuentscheidung an eine andere Strafkammer des Berliner Landgerichts zurückverwiesen (Urteil vom 01.03.2018, Az 4 StR 399/17), was gewiss dem öffentlichen Rechtsgefühl zunächst zuwiderläuft, aber rechtssystematisch bei der zutreffenden Würdigung eines Vorsatzdelikts wie gerade Mord nur konsequent und richtig ist.

Denn solche Raser sind, so furchterregend und abstoßend ihr Verhalten auch ist, nicht automatisch Mörder, auch wenn Volkes Stimme menschlich nachvollziehbar nach der Höchststrafe schreit!
Ein wohlgemerkt typischer Raser hat selbst bei größtem Leichtsinn regelmäßig keinen Tötungsvorsatz.
Sollen gleichwohl infolge des Berliner Gerichtsurteils alle Raser zunächst einmal wegen Mordes oder Mordversuchs strafverfolgt werden?
Gemäß der BGH-Entscheidung auf keinen Fall!

Denn für die Beurteilung der Frage, ob jemand vorsätzlich handelt, ist einzig maßgebend, was er sich vorstellt, nämlich im Berliner Fall, ob er sein Autorennen gezielt dafür nutzt oder sich zumindest damit abgefunden hat, andere Menschen umzubringen, und darf es nicht als Gradmesser dienen, welche verwerfliche moralische Integrität ein Angeklagter als Aktivist eines solchen verbotenen Autorennens hat, indem er damit Angst und Schrecken verbreitet.

Es ist ständige BGH-Rechtsprechung:
Allein die Gefährlichkeit eines Verhaltens, wie groß es auch sein mag, lässt nicht bereits auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz schließen.

Der Gesetzgeber hat diese richterliche Vorsatzdilemma vernunftorientiert aufgelöst. Um rücksichtslose Raser zukünftig angemessen zu bestrafen, ist unlängst der neue Strafbestand des § 315d StGB eingeführt worden.
Diese Norm sanktioniert die Veranstaltung und Teilnahme an verbotenen Straßenrennen und ihre schwerwiegenden Folgen, verlangt aber gerade keinen Tötungsvorsatz.

Egal wie – Vorsatz im Strafrecht ist kein guter Vorsatz.


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