Die verdienten Ortsvorsteher, die seit Jahresende nicht mehr im Amt sind, hat der HERZOG nach ihren schönen und weniger schönen Erlebnissen, Frust und Freuden befragt.
Fast ein viertel Jahrhundert war Peter Wagner Ortsvorsteher von Jülichs größtem Stadtteil, von Koslar. Vorher engagierte er sich 10 Jahre als Mitglied der CDU im Stadtrat. „Das ist schon eine lange Zeit für ein politisches Engagement in einer Kommune“, konstatiert er. Diese Leidenschaft, etwas für Koslar zu bewirken, sei ihm in die Wiege gelegt worden. „Mein Großvater Peter Wagner sen. wurde 1945 vom britischen Kommandanten zum kommissarischen Mitglied des Koslarer Gemeinderats bestellt. Von der ersten Kommunalwahl 1946 bis zur kommunalen Neugliederung 1972 war er Mitglied in der Gemeinde- und Amtsvertretung und wurde 1979 für seine Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.“ Zurück in die Gegenwart. Die Frage, welches die schönsten und schwierigsten Momente waren, beantwortet Peter Wagner so: „Besondere Freude haben mir immer die Besuche bei runden Geburtstagen, Goldenen und Diamantenen Hochzeiten bereitet. Als Koslarer Jung war ich hier immer ein gern gesehener Gast. Es wurden viele interessante Gespräche geführt und so manches Schnäpschen getrunken.“
Als Glück empfindet er heute noch, dass er durch die Bekanntschaft mit einem Investor einige Großprojekte in Koslar umsetzen konnte, etwa den Neubau eines Apotheker- und Ärztehauses in der Kreisbahnstraße. Nach der Schließung des inhabergeführten Nahversorgers gelang die Ansiedlung eines Discounters. Das dritte Projekt war – „und dies war mein persönlichster Wunsch“ – der Bau des Senioren-Parks carpe diem. In all den Jahren habe es natürlich auch viele schwierige Angelegenheiten zu lösen gegeben. Viele der unzähligen Wünsche, Anregungen und Beschwerden aus der Bevölkerung hätten durch einen Anruf bei der Stadtverwaltung oder dem Bauhof schnell gelöst werden können. Waren es Angelegenheiten, die kurzfristig nicht zu lösen waren, habe dies bei den Betroffenen natürlich zu Frust und Unverständnis geführt. „Und man war auch manchmal der Buh-Mann. Aber das ist die Aufgabe eines Ortsvorstehers, zwischen Verwaltung und den Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu vermitteln, um ein gutes Ergebnis zu erzielen.“ Selbstverständlich war daher für ihn auch eine korrekte Übergabe an seinen Nachfolger.
Dass bei Peter Wagner als Ortsvorsteher i.R.Langeweile aufkommen könnte, ist ausgeschlossen. „Da braucht sich keiner Sorgen zu machen. Seit vielen Jahren bin ich Vorsitzender des Koslarer Geschichtsvereins und habe nun angefangen, den Verein fit für die Zukunft zu machen.“ Außerdem bindet ein wichtiges Projekt 2026 Energie: die Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Bewohner Koslars und die Publikation der Forschungsergebnisse.
17 Jahre lang war Ralf Heinen Ortsvorsteher von Barmen. Im Jahr 2008 hat er das Amt von Vorgänger Norbert Schommer übernommen. Kurz danach stand bereits der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ an. Mit Silber wurde Barmen damals ausgezeichnet. „Leider haben sich die Voraussetzungen in den nächsten Jahren dahingehend geändert, dass der Wettbewerb auch Gemeinden mit Kleinstadtcharakter bewertete. Dadurch kam es in den letzten Jahren zu keiner Teilnahme mehr.“
Aus familiären Gründen war Ralf Heinen von Oktober 2010 bis weit ins Jahr 2012 stark eingebunden, berichtet der Ortsvorsteher. „An dieser Stelle möchte ich Herrn Frey noch für seine tatkräftige Unterstützung danken.“
„Das Hochwasser 2021 war ein Ereignis, auf das Barmen gerne verzichtet hätte“, schreibt Ralf Heinen. „An dieser Stelle gebührt den zahlreichen Helfern und nicht zuletzt der Stadt Jülich mein Dank. Ohne diese Unterstützung hätte sich die Situation ganz anders dargestellt.“ Die Hochwassergefahr werde den Ort auch weiterhin begleiten. „Es bleibt zu hoffen, dass mit der Befüllung des Inde-/Hambachsees etwas Druck herausgenommen wird.“
Während seiner Zeit als Ortsvorsteher verstand Ralf Heinen sich vor allem als Bindeglied und Ansprechpartner zwischen Bürgern und Stadtverwaltung. „Feste Dienstzeiten gibt es im Ehrenamt nicht. Man muss für die Sorgen und Nöte der Bürger erreichbar sein“, beschreibt er die Aufgabe. „Ich wünsche Herrn Jonek viel Erfolg bei seiner neuen Tätigkeit. Zum Schluss möchte ich mich bei allen Bürgern, Vereinen und der Stadtverwaltung für eine langjährige Zusammenarbeit bedanken.“
Eine fünfjährige Amtszeit absolvierte der Schützenbruder und UWG-Vertreter Gerd Wolff als Ortsvorsteher in Mersch. Das ist nicht so viel Zeit für Weichenstellungen – aber dennoch: Nach Amtsantritt gelang es Gerd Wolff nach eigenem Bekunden, eine Vereinbarung mit einem Windkraftbetreiber zu treffen, die Perspektiven für Merschs Zukunft bietet. Für die Laufzeit von mindestens 20 Jahre werden jedes Jahr rund 5000 Euro als Spende in den Ort fließen. Der Betrag wird auf vier Ortsvereine aufgeteilt. „In den letzten 5 Jahren konnten somit zwischen 25.000 und 30.000 Euro an die Vereine verteilt werden“, berichtet Wolff. Für ihn zeichnet sich ein guter Ortsvorsteher folgendermaßen aus: Er ist „ein engagierter Lokalpolitiker, der sein Ohr nah an den Menschen hat und sich aktiv für die Verbesserung seines unmittelbaren Lebensumfelds einsetzt.“ Seinem Nachfolger wünscht er „genauso viel Freude an diesem Amt“, wie er sie gehabt habe, und natürlich Erfolg für die nächsten Jahre.
Das 2020 von Martina Gruben (SPD) angetretene Ortsvorsteheramt in Kirchberg musste sie aus persönlichen Gründen 2021 zurückgeben. In die Bresche gesprungen ist Helmut Schmidt. „Die Zeit als Ortsvorsteher war anstrengend“, stellt Helmut Schmidt fest. Die Aufgabe sei zeitraubend, „mit viel Organisation behaftet, aber auch sehr interessant, teilweise erfolgreich und sehr bürgernah ohne politische Nähe“. Als schönste Momente werden ihm die St. Martinszüge mit rund „300 glänzenden Kirchberger Kindergesichtern“ in Erinnerung bleiben und auch die Zusammenarbeit mit den Kirchberger Vereinen. Besonders sei das runde Jubiläum der Kirchberger Maigesellschaft gewesen, aber auch die vielen kleinen Anlässe in den Vereinen von Schützenfest über Sportwoche und Karnevalszug bis zu Besuchen an runden Geburtstagen.
Frust ist aus seinen Worten zu hören, wenn es um die Kommunikation über große und kleine Bauvorhaben in Kirchberg geht. Helmut Schmidt spricht hier von Zeitverzögerungen, Desinformationen und fehlenden Auskünften. „Die schlechten Momente waren das Bekennen des Aussitzens von Vorhaben und Versprechen zum InHK für das Dorf nach umfangreichen Workshops“, meint Schmidt. Ihn treibt der Umbau und Neubau der Bürgerhalle um, der Erhalt der Villa Buth „und last but not least Tempo 30 auf der L241 im Dorf“. Was ein Ortsvorsteher an Befähigungen braucht, beantwortet Helmut Schmidt so: Bestand von dörflichem und städtischem Netzwerk (zwingend), professionelle Büro EDV und tägliche Erreichbarkeit (nicht sofort), Skills in Auftreten und Präsentation, Reden vor Versammlungen / Festsaal / Ratssaal (zwingend) und familiäre Unterstützung (immer). „Mein Fazit: ehrenamtlicher Fulltime Job mit persönlichem intensiven Bezug zur Lokalität und geringer Erwartungshaltung auf ein ,Dankeschön’“.
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