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Vorhang und Kappe auf!

Das Bundesverfassungsgericht benötigte drei neue Richter. Die Unstimmigkeiten bei dem ersten Versuch ihrer Neuwahl hat kürzlich das Verfahren und die Bedeutung dieser Richterwahl in das öffentliche Rampenlicht gerückt.

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Foto: Andrey Burmakin
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Laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) werden drei Richter jedes Senats aus der Zahl der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes gewählt, wo sie mindestens drei Jahre tätig gewesen sein sollen. Die Richterkandidaten müssen das 40. Lebensjahr vollendet haben. Ihre Amtszeit beträgt zwölf Jahre, ihre Altersgrenze ist das 68. Lebensjahr.

Nach Art. 94 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) setzt sich das Bundesverfassungsgericht aus Bundesrichtern und anderen Mitgliedern zusammen. Die beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts sind jeweils mit acht Richtern besetzt. Sie werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt und dürfen den weiteren Bundesorganen (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung) nicht angehören.

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Die Wahlvorschläge werden vom Wahlausschuss des Deutschen Bundestages ins Parlament zur Abstimmung eingebracht, wo sodann ohne Aussprache geheim abgestimmt und dabei eine 2/3-Mehrheit für die Kandidaten erforderlich wird.

Nach ihrer Wahl ernennt der Bundespräsident die Bundesrichter, die vor ihm ihren Amtseid leisten.

So sollte es verfassungsrechtlich sein. Nur dann heißt es für die frisch gewählten Bundesrichter: Vorhang und Kappe = Barett auf.

Bei der zurückliegenden Bundesrichterwahl lief aber alles ganz anders, was einen Bruch einer langen bundesdeutschen Tradition bedeutete. CDU/CSU und SPD hatten jeweils drei Wahlvorschläge gemacht, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP jeweils einen Wahlvorschlag.

Grundsätzlich wären alle diese Kandidaten gemäß jahrzehntelangem Agreement ohne Aussprache allein im Wahlausschuss und seit 2015 im Bundestag, hier mit einer 2/3 Mehrheit gewählt worden, und zwar von den jeweiligen Parteien auch und gerade die Kandidaten der anderen Parteien.

Ohne Aussprache auch gerade deswegen, um die künftigen Bundesrichter vor öffentlicher Anhörung und damit potentieller Meinungsbindung zu schützen. So genießt das oberste deutsche Gericht mit vergleichsweise unbekannten Richtern eine breite Akzeptanz als Kontrollinstanz.

Aufgrund der Uneinigkeit hinsichtlich einer von der SPD vorgeschlagenen Kandidatin setzte die Unionsfraktion nach bereits ungewöhnlicher Anhörung der besagten Kandidatin im Wahlausschuss die Wahl hingegen zunächst ab, was einen Sturm der Entrüstung in den übrigen Fraktionen auslöste.

Schlussendlich ist es dann bekanntlich im zweiten Anlauf gut gegangen und das höchste deutsche Gericht hat wieder alle Kappen auf.

Hätte dieser Wahlakt im Bundestag nicht funktioniert, wäre es aber auch zu keiner Staatskrise gekommen. Denn das BVerfGG sieht für einen solchen Fall einen „Ersatzwahlmechanismus“ vor.
Gibt es keine Einigung im Bundestag, kann dessen Wahlrecht auch vom anderen Bundesorgan, dem Bundesrat ausgeübt werden (§ 7a Absatz 5 BVerfGG).

Aber Ende gut, alles gut, wohl aber mit der Lehrauftrag insbesondere für die Unionsführer, derartig brisante Richterwahlen noch besser und zielführender in der Fraktion vorzubereiten.

Denn eine Beschädigung der Autorität des Bundesverfassungsgerichts als höchstes deutsches Gericht sollte unbedingt unterbleiben.

So trifft dieses Gericht weitreichende Entscheidungen z.B. zur Verwirkung von Grundrechten, zur Verfassungswidrigkeit von Parteien, der Gültigkeit von Wahlen oder der Amtsenthebung von Abgeordneten.

Das Bundesverfassungsgericht ist zudem oberste Instanz für Entscheidungen über Beschwerden zu Bundestagsbeschlüssen, für Verfassungsbeschwerden oder die Vereinbarkeit von Bundesrecht mit europäischem oder internationalem Recht.

Über die Dächer des Bundesverfassungsgerichts mit Sitz in Karlsruhe schallt nur noch der Ruf zu europäischen Gerichten.

Es sollte daher künftig die alte Tradition auf der politischen Bühne wiederaufleben, die von den Parteien für das höchste Gericht nominierten Kandidaten abstimmungs- und schadlos „durchzuwinken“, damit es die Gewaltenteilung stärkend vorbehaltlos in Karlsruhe heißen kann:
Vorhang und Kappe auf!


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