Wer Zahnschmerzen hat, geht zum Zahnarzt – manche Lösungen sind tatsächlich so einfach, wie sie sich anhören. Aber was tut eine Bärin, wenn das Kauwerkzeug Schwierigkeiten macht? Richtig, üblicherweise nichts.
Bären lassen sich Schmerzen grundsätzlich nicht anmerken, erklärt der Kölner Zoo, Heimat von Malaienbärin Charlotte. Aber eine kleine Wunde am Maul des Tieres machte ihre Betreuer aufmerksam, eine Fistel wollte nicht heilen. Eine Fistel ist, vereinfacht dargestellt, eine kleine Öffnung, die quasi der Selbstbehandlung dient, indem nämlich Eiter aus einer tieferliegenden Entzündung abfließen kann. Damit ist eine solche Fistel immer auch Hinweis darauf, dass „etwas nicht stimmt“: Charlotte hatte Zahnschmerzen. Die Bärin hatte sich die Spitze ihres rechten Eckzahns abgebrochen, in der Folge war die Wurzel des Zahns dauerhaft entzündet. Zoo-Tierärztin Dr. Sandra Marcordes wollte dem Tier eine große OP ersparen und außerdem ihren Zahn retten. Ein Fall für eine klassische Wurzelbehandlung also und damit für einen Zahnarzt. Und wie das manchmal so ist, kannte die Veterinärin „einen, der einen kannte“ und rief in Jülich an.
Kurzerhand reisten Dr. Thomas Heil und seine langjährige Mitarbeiterin Silke Fehnl-Schorn mit allerlei Instrumenten im Gepäck an den Rhein, um Charlottes Zahn zu retten. Bereits im Sommer hatte das Jülicher Team erfolgreich einen Bären am Kiefer operiert – für die Tiermediziner aus Köln also nur folgerichtig, die Kollegen wieder dazu zu holen. „Für uns ist das eine spannende Abwechslung vom Praxisalltag“, gibt Thomas Heil gerne zu und ergänzt, dass man nicht alles können könne. „Tierärzte haben im Gegensatz zu Humanmedizinern so viele Spezies mehr, mit denen sie sich auskennen müssen“, stellt der Zahnarzt anerkennend fest. „Und wann machen die mal Zähne?“ kommt die rhetorische Frage. Da er den ganzen Tag nichts anderes mache, sei seine Expertise natürlich eine ganz andere, so Heil. Die Expertise passte also schon mal, die Instrumente allerdings nicht. Während ein menschlicher Zahn durchschnittlich 22 Millimeter lang ist, war Charlottes abgebrochener Eckzahn immer noch stolze sechs Zentimeter hoch. Hinzu kamen noch sechs Zentimeter Wurzel.

Das ganze Ausmaß des Schadens und damit auch die Frage, welches Werkzeug denn nun benötigt wird, zeigte sich erst während des Eingriffs. Nachdem die Tiermediziner des Zoos die Bärin in ihrem Gehege in Narkose gelegt hatten, erkannten Thomas Heil und Silke Fehnl-Schorn schnell, dass ihre mit drei Zentimetern längste Feile deutlich zu kurz war, auch Bohrer und ähnliches mussten angepasst werden. „Das war sozusagen Maßarbeit am Patienten“, schmunzelt der Zahnarzt. Mit einer Trennscheibe wurde die abgebrochene Ecke schließlich sauber abgeschnitten, ein Metallbohrer erweiterte den Wurzelkanal und eine umfunktionierte „Knopf-Kanüle“ diente schließlich zum Stopfen der Füllung. Auch Pfeifenreiniger und feine Spülbürstchen kamen zum Einsatz. Nach etwas mehr als einer Stunde war der Eingriff erledigt, der Zahn repariert und gefüllt und Charlotte wurde aus der Narkose geweckt.

Für den Zahnarzt und seine Mitarbeiterin steht am Ende „das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben“. Das sei zum zweiten Mal ein schönes Arbeiten in dem Kölner Team und mit den Tieren gewesen, resümiert der Jülicher zufrieden den ehrenamtlichen Einsatz. Danach befragt, ob er so etwas wieder tun würde, schließlich ist der Aufwand kein kleiner, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Auf jeden Fall!“ „Die Tiere haben schließlich die gleichen Probleme wie wir Menschen. Wir sind eben alle Säugetiere“, grinst Heil schulterzuckend.





















