Start Magazin Geschichte/n Von Patrioten, Soldaten und Witwen

Von Patrioten, Soldaten und Witwen

Menschen und ihre ganz persönlichen Geschichten stehen in der neuen Austellung im Zentrum für Stadtgeschichte im Mittelpunkt.

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Jacek Grubba, Susanne Richter und Dorsi Flesch ließen die "Geister der Vergangenheit" sprechen. Foto: Bernhard Dautzenberg
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„Becker mein Name, Wilhelm Becker!“ Selbstbewusst und mit Nachdruck begrüßte Wilhelm Becker, einst Hilfsschlosser im Reichsbahnausbesserungswerk, die Gäste im „Zentrum für Stadtgeschichte“. Becker, im ersten Weltkrieg an der Somme stationiert, aufgrund seines politischen Engagements unter anderem bei der KPD in verschiedenen Konzentrationslagern interniert, starb 1966.

Anlässlich der Ausstellungseröffnung „Geschichte im Zentrum“ lieh Jacek Grubba, Betriebsleiter des Museums Zitadelle, dem Jülicher Wilhelm Becker seine Stimme und ließ ihn, seine Erinnerungen und Lebensgeschichte auf diese Weise lebendig werden. Auch Museumsleiter Marcell Perse sowie Susanne Richter und Doris Flesch vom Stadtarchiv schlüpften anlässlich der Eröffnung in verschiedene Rollen. So erzählte Katharina Lesmeister von ihrem „Grand Café de Belle Vue“ am Ende der Römerstraße, das sie Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts betrieb.

Foto: Bernhard Dautzenberg
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Noch weiter in die Jülicher Vergangenheit führt die Begegnung mit Anna von Sevenich, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine christliche Mädchenschule leitete. Patriot Peter Linnartz hingegen gehörte wieder in eine andere Zeit. Der Kolonialwarenhändler starb im Jahr 1918. Diese vier Menschen stehen stellvertretend für viele, meist namenlose Personen, die in Jülich seit seiner Gründung durch die Römer gelebt haben. Ihren Spuren sind Stadtarchiv und Museum gemeinsam nachgegangen, bewusst haben die Ausstellungsmacher dabei Wege abseits der „großen“ Geschichte beschritten und einzelne, ganz „normale“ Menschen im Wortsinne ins Zentrum gerückt.

Besonders in den Fokus genommen wurden dabei vor allem jene, denen in 2000 Jahren Jülich sonst eher weniger Aufmerksamkeit galt: Zugereiste wie Pfarrer von Wieringen, Flüchtlinge, verwitwete und deshalb von Armut bedrohte Frauen. Auch die Geschichte von Familie K. aus Koslar, die als Angehörige der Sinti und Roma enteignet und deportiert wurden, wird in dieser Ausstellung erzählt. Eines wird schnell deutlich, hört man Jacek Grubba zu: Jülich war schon immer eine „Stadt der Vielfalt“, eine Stadt, in der Menschen aus verschiedensten Nationen und mit unterschiedlichsten Beweggründen für das Leben in Jülich aufeinandertrafen. Gemeinsam haben alle diese Menschen „ihrer“ Stadt Jülich – ob nun Geburtsort oder erst später zur Heimat geworden – ihren Stempel aufgedrückt.

Foto: Bernhard Dautzenberg

Mit „Geschichte im Zentrum“ erzählen das Museum Zitadelle und das Stadtarchiv gemeinsam ein Stück Jülicher Geschichte, das den Bogen über 2000 Jahre spannt. Neben 14 persönlichen Geschichten illustrieren Exponate aus dem sogenannten Altbestand des Museums das alltägliche Leben in der Herzogstadt. Dazu gehört eine verbeulte Rüstung genauso wie ein Stempel mit der werbenden Botschaft für die „alte Stadt im Grünen“. Präsentiert wird das Alles im Forum am Aachener Tor, der ehemaligen Jülicher Realschule. Auf gewisse Weise fügt der Ausstellungsort dem geschichtlichen Portfolio eine weitere Facette hinzu. Wenngleich deutlich jünger als die eindrucksvolle Zitadelle, spiegelt auch das einstige Schulgebäude mit den blauen Metalltüren und den grob gemusterten, schwarz-weißen Bodenfliesen den Geist seiner Zeit wider. Seit dem endgültigen Aus der Realschule im Jahr 2017 ist auch diese ein Stück Stadtgeschichte und erinnert an Vergangenes – trotz des typisch schulartigen Flairs also irgendwie genau der richtige Ort für eine Ausstellung wie diese.

Die Ausstellung ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr im Foyer des Zentrums für Stadtgeschichte, Am Aachener Tor 16, zu sehen. Der Eintritt ist frei.


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