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Laudatio auf Walter Dohmen

Laudatio für den Träger des Kunstpreises des Kreises Düren 2019, Prof. Walter Dohmen von Prof. Dr. Frank Günter Zehnder, Direktor der Internationalen Kunstakademie-Heimbach

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Prof. Dr. Frank Günter Zehnder, Direktor der Internationalen Kunstakademie-Heimbach. Foto: tee / Archiv PuKBSuS
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Kunstpreise schaffen stets besondere Momente der Aufmerksamkeit, gleich wo und in welcher Gattung sie verliehen werden, ob in Literatur, Musik oder Bildender Kunst. Sie machen immer wieder neu bewusst, dass Kunst ein ganz besonderes Äußerungsmittel der Wirklichkeitsbeobachtung, der Fantasie, des Geistes, der Gefühle, der Formfindung, der Ästhetik und der Haltung ist. Ganz besonders trifft das für die Bildenden Künste zu, denn sie werden vor allem mit den Augen erfasst, den menschlichen Sinnesorganen, die am weitesten reichen und somit Vieles mit einem Blick erfassen. Man kann jederzeit die Probe aufs Exempel machen. Das Besondere an der Kunst ist eben auch ihre Unendlichkeit, was Inhalte, Formen, Botschaften und Individualität angeht. Sie befasst sich mit allem, was den Menschen angeht. Sie lebt von der Kreativität und der Gabe der Unverwechselbarkeit, sie ist Schöpfung im wahrsten Sinne des Wortes, öffnet die Augen für je Ungesehenes und schafft Bewusstsein. Sie steht mitten im gesellschaftlichen Disput, setzt Akzente, gibt Anstöße und nicht zu vergessen, sie erfüllt auch.

Diese zunächst vielleicht allgemein klingenden, einleitenden Worte treffen im vollen Umfang auf den Künstler Walter Dohmen und sein bisheriges Lebenswerk zu. Der Kunstpreis des Kreises Düren ist weit über die Region hinaus bekannt und ein Glanzpunkt in jedem Lebenslauf. In seinem Wechsel von eher fördernder Auszeichnung für jüngere Künstlerinnen und Künstler sowie der respektvollen Würdigung eines bereits vorliegenden umfangreichen Oeuvres erfahrener Kräfte sticht dieser Kunstpreis sogar in Deutschland heraus. Diese faire Balance tut der Kunst und den Menschen gut. Walter Dohmen, dessen Werke international in so vielen öffentlichen und privaten Sammlungen verwahrt und gezeigt werden, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der druckgraphischen Künste in Deutschland. Alleine sein bisheriges graphisches Oeuvre füllt Schränke und weckt in den Ausstellungsinstituten Begehrlichkeit. Dabei hat sein künstlerischer Weg zunächst mit der Zeichnung und der Malerei begonnen, bis sich seine Schöpfungskraft mehr und mehr auf die graphischen Künste konzentrierte. Damit die Quellen und Zusammenhänge seiner Kunst im Blick bleiben, zeigt die hier begleitende Ausstellung auch malerische Arbeiten, zeigt die Kontexte, die jeweiligen Schwerpunkte und vor allem die unbändige schöpferische Kraft, – ein bisheriges Leben lang.

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Wenn man in der Kunstszene, hierzulande und über Grenzen hinweg, den Namen Walter Dohmen erwähnt, haben Sammler, Künstler-Kolleginnen, Dozenten und Museumsleute sofort treffende Stichworte und Bezüge zu Person und Werk bereit. Er ist mit seinem Schaffen und seinen Kunstwerken außerordentlich beachtet und geachtet. Wie oft habe ich schon in Kunsthistoriker- und Künstlerkreisen bei der Erwähnung seiner Dozenten-Tätigkeit an unserer Kunstakademie die achtungsvolle Frage gehört: „Wie kommen Sie denn an den?“. Da Walter Dohmens besonderes Engagement für die künstlerische Druckgrafik, für deren Pflege und Weiterentwicklung, für die Lehrenden und Lernenden, für Orte, an denen diese Kunst praktiziert werden kann, in der Kunstszene bekannt ist, wundert einen die meist anklingende besondere Hochachtung kaum. Walter Dohmen, das darf hier auch einmal erinnert werden, hat die Entstehung und den Aufbau der Internationalen Kunstakademie Heimbach von Beginn an begleitet. Er hat beraten, vermittelt, vorgeführt und das Graphik-Atelier sowie die Druckvorbereitung im Zeichnungs-Atelier auf ein bekannt hohes Niveau gebracht.

Was macht seine Kunst zu etwas ganz Besonderem? Nun, das beginnt mit der Wahrnehmung, der affektiven und der kognitiven. Dann zum Beispiel, wenn er mit dem Wagen unterwegs ist, plötzlich anhält und mit dem Skizzieren oder Malen beginnt. Ein leuchtendes Kornfeld vor blauem Himmel, ein grün glänzender Waldsaum oder skulptural erscheinende Strohballen auf offener Fläche haben ihn sozusagen blitzartig getroffen. Das sind im wahrsten Sinne des Wortes solche Augenblicke, in denen die Wirklichkeit sofort besondere Bildgedanken und Mal-Lüste herausfordert. Was andere mit dem Handy tun würden, schafft Walter Dohmen mit schnellem Stift oder Pinsel, und zwar leidenschaftlich. Er bindet das Gesehene mit seinen Empfindungen und Gedanken zusammen, mal vor Ort, mal aufgrund der Skizze im Atelier. Seine Bilder gehen über die Wirklichkeit hinaus, sie bündeln Gefühle und Assoziationen, – auch beim Betrachter. Aber daraus wird nie Routine, jeder Malprozess läuft anders ab und auf Anderes hinaus. Die Bilder entstehen in einer kreativen Spannung zwischen Sehen und Erfinden, zwischen Realität und Abstrahieren. Sie sind vor allem immer ein Formprozess, denn zu Dohmens Kunstverständnis zählt: Kunst ist Form. So werden Felder und Weiden zu eigenwilligen Bildmustern, Baumreihen am Horizont zu rhythmischen Begrenzungen und Wolken zu wogenden Linien- und Farbereignissen. Er bildet nicht ab, was er sieht, sondern er zeigt, was ihn bewegt. Authentizität ist unbedingt Teil seiner Bildsprache. Seine kraftvollen Pinselschwünge und Farbbahnen, seine stillen Landschaften über dem Gazegrund, die Versandkartons als ungewöhnliche Bildträger, – das alles belegt eine sehr individuelle Malweise. Diese spontan und expressiv gesetzten Bilder prägen sich dem Gedächtnis ein, sie koalieren mit der Ursprünglichkeit von Erde, Wuchs und Himmel.

Walter Dohmen, in Langerwehe geboren und aufgewachsen, blieb der Eifel-Landschaft verbunden, auch wenn ihn Reisen in viele Länder zogen. Auch dort haben ihn die Suche nach dem Besonderen und die malende wie zeichnende Reaktion auf Witterung, Strukturen und besondere Momente nie verlassen. Bilder mit vom Wind verwehten Halmen auf der Malfläche zeigen seine Offenheit für Überraschungen aus der Natur.

Neben der Farbe ist die Linie für den Künstler ein ganz besonderes Ausdrucksmittel. Die Fülle seiner sensibel erfassenden Zeichnungen und seiner Druckgrafiken spricht für eine große handwerkliche und emotionale Nähe zu diesen Techniken. Ohne viel Aufwand kann man zeichnen, mit größerem Aufwand muss man an die Druckgrafik gehen – beides betreibt der Künstler seit Jahrzehnten. Schon während seiner Tätigkeit als Kunsterzieher in Düren (1969-1982) erhielt er 1972 ein Stipendium im Rijkscentrum für Grafik „Frans Masereel“ in Kasterlee, Belgien, dem zahlreiche entsprechende Einladungen zu Gast- und Arbeitsaufenthalten, zu Vorlesungen, Sommerakademien, Workshop-Leitungen und als Artist in Residence folgten. Die Liste weltweiter Einladungen ist sehr lang, sie hat Höhepunkte in den begehrten Aufenthalten in der Villa Romana/Florenz oder im Atelier Jean Arp /Locarno Schweiz. Seit den 70er Jahren gilt Walter Dohmen als einer der Spezialisten für alle druckgrafischen Techniken, insbesondere für den künstlerischen Tiefdruck. So war er u. a. achtzehn Jahre Dozent für Druckgrafik an der Fachhochschule Köln im Fachbereich Kunst und Design. Die Behauptung, dass ihn alle in diesem Bereich an Akademien, Universitäten und Museen Tätigen in der Welt kennen, ist nicht übertrieben, stehen doch alleine seine seit 1982 erschienen Fachbücher zu druckgrafischen Techniken in allen Bibliotheken.

Walter Dohmen hat in den druckgrafischen Künsten eine vielseitige Kunstsprache entwickelt. Quer durch die Techniken vom Holzschnitt über den künstlerischen Tiefdruck oder die Lithographie bis zur aktuellen Collagrafie fand er sehr individuelle Möglichkeiten in Technik, Inhalt und Form. Er ist auf diesem Gebiet sozusagen ein Forscher, der sich eigentlich nie mit dem Erreichten zufrieden gibt, sondern immer noch eine neue Idee im Kopf hat, eine technische Variante sucht und Veränderungen beim Druck probiert. Ihn treibt eine kreative Unruhe an, die seinen künstlerischen Gestaltungsspielraum inhaltlich und formal immer weiter öffnet. Dieses Suchen nach der gelungenen Form und dem adäquaten kunsttechnischen Ausdruck lässt sich beispielweise sehr spannend am Motiv „Kopf“ beobachten, wenn er in der Skizze wie in der Platte – Linie um Linie – den Schädel umrundet bis er schließlich das Profil oder das En Face findet. Der Anspruch des Künstlers an seine druckgrafischen Blätter und Auflagen ist hoch, die Ergebnisse lohnen jeden Aufwand. Wie ein roter Faden ziehen sich die Entwicklungsstränge durch sein bisheriges Oeuvre. In der begleitenden Ausstellung lassen sich der große Einfallsreichtum und die formale Entwicklung von einer wunderbar farbigen Prägeradierung „Herbst in der Toskana“ (1974) über die Blätter zu Nideggen (1977) und Heimbach (1975) bis zu der umfangreichen Mappe „Technik und Landschaft“ (1980) sehr gut studieren. Man erkennt die geradezu lupenreine Präzision und erlebt zugleich die Lebendigkeit von Komposition und Farbe.

Die Brüchigkeit von Landschaft durch Störungen und Überblendungen im Bildverlauf anzudeuten (1975), Realität und Fantasie in Rohrfederzeichnungen (1982) zu beunruhigenden Krater-Landschaften zu verbinden, oder in Zeichnung und Steindruck die Vermessung der Welt zu hinterfragen, das alles sind Zeugnisse einer unbändigen Auseinandersetzung mit Gegenwart und Zukunft, mit Gewissheiten und Ahnungen, mit Schönheit und Gefährdung. So liegen im bisherigen Werkverlauf der Malerei und Zeichnungen Walter Dohmens Beobachtungen neben Visionen, verbinden sich und gewinnen die Bedeutung von Botschaft und Warnung zugleich. Durch die künstlerische Druckgrafik und deren vielseitige Möglichkeiten wie z. B. Auflagenhöhe können solche nicht nur künstlerisch, nicht nur druckgrafisch, sondern auch ethisch eindrucksvollen Blätter ein großes Publikum erreichen.

Auch diese Haltung, den Menschen zu erreichen, ihm mit der poetischen Kraft der Kunst Zugänge zu vielleicht noch nicht gedachten Gedanken und zu verlorenen Empfindungen zu eröffnen, glaube ich, gehört zum künstlerischen Impetus von Walter Dohmen.

Dass er ein begeisternder Vermittler der Kunst, der Malerei und vor allem der druckgrafischen Künste ist, belegen seine vielen Berufungen. Wir können das aus der zehnjährigen Erfahrung an unserer Kunstakademie voll unterstreichen.


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