Ein emotionaler Roman über die traumatischen Erlebnisse von Verschickungskindern und das Abschiednehmen von der eigenen Mutter: Susanne wird 1969 im Alter von acht Jahren für sechs Wochen in ein Kurheim an der Nordsee geschickt. Was als Erholung deklariert ist, entpuppt sich als extrem belastende und einschüchternde Zeit. Die Autorin schildert schonungslos die Atmosphäre der Angst und Ohnmacht, die durch eine rigide „schwarze Pädagogik“ der sogenannten „Tanten“ geprägt ist. Bei Regelverstößen oder Ungehorsam drohen Demütigungen, drakonische Strafen und sowohl seelische als auch körperliche Misshandlungen.
Zu Hause glaubt niemand wirklich, was Susanne widerfahren ist, nicht einmal ihre Mutter, obwohl diese ahnt, dass mehr hinter den kindlichen Erzählungen steckt – ein zusätzlicher Schock für die gebrochene Kinderseele. Dieses Trauma begleitet Susanne bis ins Erwachsenenalter. Erst 2018, als Susannes Mutter schwer krank im Sterben liegt, öffnet sich ein Raum der Versöhnung: Susanne kann sich den Erinnerungen stellen und erhält schließlich Verständnis von der Mutter sowie ihrer eigenen Tochter Julie, während sie von den Erlebnissen in St. Peter Ording berichtet.
Der einfühlsame Schreibstil wechselt gekonnt zwischen den Zeitebenen von 1969 und 2018, so dass die Leserinnen und Leser nicht nur sowohl die aufgeweckten als auch die dementen Züge der Mutter erleben, sondern auch nach und nach grausame und unvorstellbare Details aus Susannes eigener Lebensgeschichte erfahren.
Der Roman dokumentiert einfühlsam und zugleich mit schonungsloser Offenheit das kollektive Versagen von damaligen Institutionen sowie der Erwachsenen, die durch ihr Schweigen die Kinder in ihrem Schmerz alleine ließen. Zudem spannt die Autorin gekonnt einen Bogen zur Gegenwart und zeigt Parallelen im Umgang mit Abhängigkeit, Kontrolle und dem Würdeverlust in heutigen Pflegeheimen auf.
BUCHINFORMATiON
Barbara Leciejewski, Am Meer ist es schön | List Verlag, 2025 | 352 Seiten | ISBN 978-3-471-36088-0 | 22,99 Euro





















