„Das ist die längste Negativphase in der Wirtschaftsgeschichte der Region Aachen seit Beginn unserer digitalen Erhebung im Jahr 1995“, fasst Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen, die fortwährend negativen Erwartungen der Befragten zusammen.
Die positiven Nachrichten gleich vorneweg: Im Kreis Düren hat sich, im Gegensatz zu den anderen Regionen, die Lage der Betriebe verbessert und ist mehrheitlich positiv. 26 Prozent melden gute Geschäfte, 19 Prozent sind unzufrieden. Die Hälfte der Betriebe erwartet, dass sich die Lage in den kommenden Monaten nicht verändern wird. 25 Prozent rechnen mit einer Verbesserung, ebenso viele mit einer Verschlechterung der Situation.
Einen Lichtblick im allgemeinen Pessimismus gab es zum Jahresbeginn 2022: Vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine –, als die Mehrheit der regionalen Unternehmerinnen und Unternehmer zum letzten Mal zuversichtlich in die Zukunft. Aktuell rechnen nur 19 Prozent mit einer positiven Entwicklung ihrer Geschäfte in den kommenden Monaten. 24 Prozent hingegen sind skeptisch und befürchten eine weitere Verschlechterung.
Betrachtet man die einzelnen Sektoren, haben sich laut Konjunkturumfrage ausschließlich die Aussichten der Industrie verbessert und liegen erstmals seit Herbst 2022 wieder mehrheitlich im positiven Bereich. 26 Prozent der Industriebetriebe erwarten eine Verbesserung ihre Geschäftslage in den kommenden Monaten, 20 Prozent gehen von einer negativen Entwicklung aus. Im Handel und im Baugewerbe herrscht hingegen schon seit 2023 eine negative Erwartungshaltung vor.
„In Summe gilt: Die aktuelle wirtschaftliche Lage hat sich kaum verändert“, sagt Bayer. „26 Prozent aller Befragten berichten von einer guten Geschäftslage, 23 Prozent sind nicht zufrieden.“ „Die Rückmeldungen aus den Unternehmen zeigen: In den vergangenen Jahren hat sich die Gesamtsituation für unsere Wirtschaft deutlich verschlechtert – und derzeit gibt es leider kaum Anzeichen, dass die kommenden Monate besser werden“, bilanziert Bayer.
Auch die derzeitige Ertragslage der Unternehmen habe sich verschlechtert. Sie ist bei vier von zehn Betrieben negativ. Nur jeder sechste Befragte meldet gestiegene Erträge. „All das ist eine alarmierende Gemengelage, auf die die Politik endlich reagieren muss“, appelliert der Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen in Richtung Düsseldorf, Berlin und Brüssel. „Schnelle und zugleich tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaftspolitik sind jetzt zwingend erforderlich. Seit Jahren schlagen wir als IHK vor, mit welchen konkreten Maßnahmen Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland entlastet werden können, um auch in Zukunft in unseren Wirtschaftsstandort zu investieren. Die Zeit der Sonntagsreden ist vorbei, wir brauchen endlich Taten.“
Denn an den Rahmenbedingungen für die Wirtschaft hat sich nach wie vor kaum etwas verändert, wie die Auswertung der jüngsten Konjunkturumfrage der IHK Aachen belegt: Weiterhin überbordende bürokratische Auflagen erschweren den Unternehmen das Geschäft und verursachen hohe Kosten. Zusätzlich belasten jetzt die US-Zölle die Betriebe, vor allem die Industrie. „Nennenswerte wirtschaftliche Impulse der neuen Bundesregierung sind bislang ausgeblieben. Der von Bundeskanzler Friedrich Merz angekündigte Herbst der Reformen muss jetzt kommen“, fordert Bayer. „Unsere Unternehmen benötigen grundlegende Entlastungen und deutlich mehr Planungssicherheit, damit Deutschland wettbewerbsfähiger wird.“
Größtes Konjunkturrisiko ist für 61 Prozent der Befragten ein Rückgang der Inlandsnachfrage. Für 55 Prozent sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen eine Herausforderung. Fast ebenso viele sorgen sich um den Arbeits- und Fachkräftemangel (54 Prozent) sowie steigende Arbeitskosten (53 Prozent). So erwarten 43 Prozent der Befragten Gehaltsanpassungen auch in höheren Lohngruppen durch den Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns.
Grundsätzlich gilt, dass sich die Situation der Industriebetriebe gegenüber dem Frühjahr zwar leicht verbessert hat, dennoch aber überwiegend schlecht bleibt. 20 Prozent der Befragten melden gute Geschäfte, 28 Prozent schlechte. Bei rund jedem vierten Betrieb sind die Umsätze in den vergangenen Monaten gestiegen, bei vier von zehn Unternehmerinnen und Unternehmern sind sie rückläufig. 7 Prozent der Industriebetriebe haben derzeit ganz oder in Teilen Kurzarbeit angemeldet, das ist weniger als noch im Frühjahr, als noch 11 Prozent der Betriebe Kurzarbeit gemeldet hatten. Weitere sechs Prozent der Betriebe rechnen kurzfristig mit Kurzarbeit. Die Auslastung der Produktionskapazitäten ist gegenüber dem Frühjahr minimal auf 77 Prozent gesunken. Sie liegt damit weiterhin unter dem langjährigen Schnitt von 80,4 Prozent. Jeder elfte Betrieb gibt an, dass die Kapazitätsauslastung bei unter 50 Prozent liegt.
Die Geschäftslage der Dienstleister ist immer noch mehrheitlich positiv, allerdings mit einer rückläufigen Tendenz. 39 Prozent der Befragten berichten aktuell von guten Geschäften, 14 Prozent sind nicht zufrieden. Die Umsätze haben sich seit dem Frühjahr insgesamt verbessert. Bei 35 Prozent der Unternehmen sind sie gestiegen, bei 20 Prozent gesunken.
Die Situation im Handel hat sich im Vergleich zur letzten Umfrage im Frühjahr leicht verschlechtert. Knapp ein Viertel der Betriebe berichtet von einer positiven Geschäftslage, nur drei von zehn Befragten melden schlechte Geschäfte. Dabei unterscheiden sich die Bewertungen der Einzel- und Großhändler erheblich. Während im Einzelhandel die Mehrzahl der Befragten noch zufrieden ist, berichten im Großhandel die Betriebe von überwiegend schlechten Geschäften.
Auch die Lage der Bauunternehmen hat sich negativ entwickelt, bleibt aber unter dem Strich noch im positiven Bereich. 17 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer sind mit ihrer aktuellen Situation zufrieden, jeder zehnte Betrieb meldet schlechte Geschäfte. Die Bauproduktion hat allerdings in den vergangenen sechs Monaten angezogen. Bei 38 Prozent der Betriebe ist die Produktion gestiegen, bei 29 Prozent gesunken. Parallel hat sich die Auslastung der Maschinen und Geräte verbessert.
Der Exportumsatz der Industrie hat sich deutlich verbessert, bleibt aber überwiegend im negativen Bereich. Bei jedem vierten Betrieb sind die Auslandsumsätze gestiegen, 38 Prozent melden rückläufige Umsätze. Die Auftragseingänge aus dem Ausland sind parallel wieder angezogen. Ein Viertel der Unternehmerinnen und Unternehmer berichtet von einer gestiegenen Nachfrage, geringfügig weniger von einer rückläufigen Entwicklung. Ein Viertel der Unternehmerinnen und Unternehmer rechnet mit einer wachsenden Exportnachfrage, geringfügig weniger erwarten einen Rückgang.
Die Ertragslage der Unternehmen hat sich weiter verschlechtert. Nur 17 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer melden gestiegene Erträge in den vergangenen Monaten, bei 41 Prozent sind die Erträge gesunken.
Die allgemein negative Stimmung wirkt sich auf die Investitionen aus: Die Investitionspläne der Betriebe bleiben auf niedrigem Niveau. 22 Prozent der Befragten wollen in den kommenden Monaten ihre Investitionsausgaben erhöhen, 19 Prozent senken. 15 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmen wollen gar nicht investieren.
Was die Beschäftigungslage betrifft, rechnen die Befragten kaum mit Veränderungen. Jeder Fünfte gibt an, dass er mit einem Anstieg der Mitarbeiterzahl rechnet, 21 Prozent erwarten einen Rückgang. Trotz der zurückhaltenden Einschätzung geben 45 Prozent an, dass offene Stellen derzeit längerfristig nicht besetzt werden können. Die gesuchten Qualifikationen umfassen unterschiedliche Bildungsniveaus: Vier von zehn Betrieben suchen Schulabgänger und Auszubildende, genauso viele wollen Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung einstellen. Aber auch Fachwirte, Meister und Menschen mit einem sonstigen Weiterbildungsabschluss sowie (Fach-)Hochschulabsolventen werden von einer vergleichbaren Zahl an Unternehmen gesucht. Lediglich Arbeitskräfte ohne Berufsausbildung sind aktuell weniger gefragt.
Bei der aktuellen Konjunkturumfrage hat die IHK Aachen mit den Vereinigten Industrieverbänden von Düren, Jülich, Euskirchen und Umgebung e. V. (VIV) kooperiert und Unternehmerinnen und Unternehmer gemeinsam befragt. Der Konjunkturbericht ist auf der Internetseite der IHK Aachen zu finden.