Hilfe! Ich bin ein Messie? Was ist das, ein Messie? Hört sich englisch an, is’es aber nich’, genauso wenig wie Handy. Im Englischen gibt es kein direktes Äquivalent für den deutschen Begriff „Messie“. Das Syndrom wird dort als „compulsive hoarding“ (zwanghaftes Horten) oder „hoarding disorder“ bezeichnet. Unter diesen Stichworten bekommt man auch Hilfe, die man mit dem Google-Übersetzer leicht ins Deutsche übertragen kann. Personen, die davon betroffen sind, nennt man „hoarders“ oder seltener „pack rats“. Der deutsche Begriff „Messie“ ist eine eingedeutschte Ableitung des englischen Wortes „mess“ (Chaos). „What a mess“, habt Ihr schon mal gehört, wenn Ihr Filme auf Englisch schaut, „Was für ein Durcheinander“.
Messie sein, bedeutet einer Sammelsucht zu unterliegen. Sie ist zwanghaft und gilt als Krankheit, wie etwa Alkoholismus. Die Krankenkassen haben aber keinen wirksamen Plan. Ich war bei meinem Hausarzt „desdewäschen“. Er konnte mir nicht wirklich helfen, Komma aber: Seine Vorgängerin, längst in Rente, hatte auch eine Ausbildung zur psychotherapeutischen Beratung. „Kannst Du mir helfen?“ habe ich sie gefragt, bin mit ihr befreundet. „Jein, meine Beratungen gehen in die Tiefe, rütteln Deine Kindheit auf, Du bist jetzt 70. Das wäre ein langer Weg. Was Du brauchst, ist eine praktische Hilfe von einer sozialpädagogischen Kraft, die mit Dir einen Praxis orientierten Aufräumplan erstellt. Geh´ zum Gesundheitsamt. Die helfen Dir – gratis.“ Ich wollte es nicht glauben, aber es ist tatsächlich so. Ich hatte bislang dort sechs zielführende Gespräche. Ich bin echt einen Schritt weiter gekommen. DANKE!
Jede Form von Sucht hat etwas Zerstörerisches, meist ist es die Gesundheit, die d’ran glauben muss, die eigene, aber auch die der Menschen im Umfeld. Bekannte Süchte sind: Magersucht, Alkohol-, Drogen-, Nikotin-Sucht, Sexsucht, Spielsucht oder eben die Sammelsucht, wobei ich gesagt bekomme: „Du bist kein Sammler, Du bist ein Horter.“ Alle Süchte bedrohen nicht nur die eigene Person, sondern insbesondere auch Partnerschaften oder ganze Familien. Ganz wichtig: Intelligenz schützt nicht vor Sucht. Das ist leider einfach so.
Das Phänomen Messie hat durchaus auch etwas mit unserer Wegwerf- und Konsumgesellschaft zu tun. Ich kann kaum an einem Sperrmüll vorbei fahren, ohne anzuhalten. Neuerdings sage ich mir aber: „Augen geradeaus!“ und fahre weiter. Ich kann die Welt nicht retten. Oft habe ich brauchbare Dinge mitgenommen und sie dann versucht zu vermitteln, manchmal erfolgreich, oft aber auch nicht. „Das ist ja Eiche!“ bekam ich bei einer Möbel-Weiterverwertungsstelle neben dem Hexenturm gesagt, die es leider gar nicht mehr gibt. „Das will ja heute keiner mehr.“ Ich hab´s halt wieder eingepackt und mitgenommen. Eiche ist das beste Holz, das in unseren Breiten wächst, aber es ist in gewisser Weise auch das Material eines Lebensstils, der nicht mehr so auf Gegenliebe stößt.
Ich habe 20 Jahre im Spagat mit Frankfurt gewohnt. Dort kannst Du hinter die Mieten ‘ne Null mehr schreiben, was bedeutet, die Menschen dort können es sich einfach nicht leisten, Dinge aufzubewahren, die sie nicht mehr ständig benutzen. Ich habe dort eine Designer-Stehlampe der 70er Jahre mitgenommen. Der Preis bei Ebay war so an die 270 Euro. Oh Wunder, die steht jetzt bei meiner Frau. Sie verteufelt zwar meine Sammelleidenschaft, pickt aber Rosinen, so auch eine Giraffe aus Pappmasche, Fundort Lorsbeckerstraße, Angelita hat sie liebevoll auf Vorderfrau gebracht. Und siehe da, meine Gnädige hat höchst selbst beim Sperrmüll angehalten. Die Giraffe hat nun Gesellschaft von einem Pappmasche-Pinguin. Ziel: Eine Arche Noah?
Offiziell ist es verboten, Dinge vom Sperrmüll mitzunehmen. Das habe ich the hard way in Frankfurt erfahren. Ich stand den Müllmännern im Weg und sie haben mich zusammengeschissen: „Das ist Diebstahl!“, aber dann haben sie mich doch das kleine Schränkchen mitnehmen lassen, das nun meine feinmechanischen Werkzeuge behütet. Stichwort: „Containern ist keine Sünde“. Führt aber jetzt zu weit an dieser Stelle.
What about Weihnachten?
Tja, schwieriger Fall. Das Fest wird oft missverstanden als Zielgerade für Haushaltsanschaffungen. Meine Frau und ich schenken uns schon noch Dinge, aber dem Weihnachtsstress sagen wir einfach ab. Ich lade seit Jahren eine enge Auslese zum Brunch ein, am „Heilig-Morgen“ des 24. Dezembers, der nicht ganz zufällig auch mein Hochzeitstag ist. Problem: Meine Wohnküche ist nicht betriebsfähig, weil vollgemüllt. „Alle Jahre wieder“ habe ich kurz vorher eine Power-Aufräum-Aktion gestartet. Karton(s) auf, Sachen rein, Datum drauf und in die Sauna damit, wenn ich denn bloß eine hätte, halt irgendwo hin. Hm, inzwischen sind alle „Irgendwos“ voll. Da hilft nur eins: Volle Kraft zurück und dafür brauche ich diese Messie-Selbsthilfe-Gruppe.
Wie soll die denn aussehen?
Die Idee ist, wir, die Betroffenen besuchen und helfen uns gegenseitig, helfen uns beim Aufräumen, sortieren und aussortieren, der wohl der schmerzlichste und wichtigste Punkt ist. Wir könnten die Tipps der Aufräumhelfer:Innen durchgehen wie etwa die der weltbekannten Marie Kondo. Das Internet ist voll mit Videos und Ratschlägen von ihr. Das Wichtigste: Drei Kategorien: 1. kann weg, 2. kann vielleicht weg, 3. muss ich behalten. Ein sehr attraktives Hilfsangebot findet Ihr mit den Suchworten: Dagmar Ordnungswunder. Persönlich habe ich das Problem, dass es Dinge gibt, die ich nicht alleine tragen kann. Verein? Klares Nein. Wir tauschen unsere Kontaktdaten aus und helfen uns einfach mit dem Ziel einer gegenseitigen Hilfestellung, fast wie beim Geräteturnen. Meine Email ist: peerkling@gmx.de. Schreibt mir einfach: „Hallo Peer, …“
Lest auch gerne mal meinen früheren Artikel zum Thema Recycling, das eng mit diesem Thema hier verwandt ist. Die modernen Kommunikationsplattformen wie etwa die WhatsApp basierten Verschenke- und Flohmarktgruppen sind ein guter Weg, sich zu befreien und Dingen eine neue Heimat zu geben. Gute Dinge wegwerfen, tut einfach weh, mir jedenfalls.





















