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Vom Iran in die Sekundarschule

Was bedeutet es, das eigene Land verlassen zu müssen? In einem besonderen Workshop setzten sich Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Musikern und einer Autorin mit dieser und anderen Fragen auseinander.

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Musik-Workshop in der Sekundarschule. Foto: Oliver Garitz
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Von oben sieht der Iran aus wie eine schlafende Katze. Mit diesem eindrucksvollen Bild eröffnete die Autorin Mehrnousch Zaeri-Esfahani den Musikworkshop an der Sekundarschule Jülich. Das Niederrhein Musikfestival war zu Gast und bot dort den Workshop „Songs around the World – Iran“ an.

Im Mittelpunkt stand das Buch „33 Bogen und ein Teehaus“, in dem die Schriftstellerin die dramatische Fluchtgeschichte ihrer Familie erzählt. Zaeri-Esfahani berichtet von der drohenden Einberufung ihres damals erst 14-jährigen Bruders als Kindersoldat sowie von der gefährlichen Flucht vor dem Mullah-Regime aus dem Iran mit mehreren Zwischenstopps nach Westdeutschland im Jahr 1985. Die Lesung ermöglicht den Schülern einen intensiven Einblick in politische Verfolgung, Angst, Mut und Hoffnung – und eröffnet Gespräche über Freiheit, Identität und Demokratie.
Ein weiterer besonderer Gast war Kioomars Musayyebi, ein Meister der persischen Santur. „Eine Santur ist so etwas wie der Opa vom Klavier“, erklärt Musayyebi.

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Auch er floh aus dem Iran, da er dort als Musiker kaum ein freies Leben führen konnte: Musik ist in seinem Heimatland stark reglementiert. 2010 musste er den Iran verlassen. „Man darf nicht denken, sehen oder reden. Wenn du für bestimmte Dinge sprichst, darfst du bleiben. Wenn nicht, musst du gehen“, sagte der Musiker über seine Flucht. „Tod oder Leben – das war die Entscheidung“, fügt Musayyebi hinzu.

Die Band begleitete die Lesung. Foto: Oliver Garitz

Begleitet wurde die Lesung von einer Band, die nach jedem gelesenen Kapitel ein Musikstück spielte. Zwar orientierten sich die Musiker an traditionellen iranischen Melodien und Volksliedern, doch entwickelten sie eigene Arrangements, die thematisch eng an die vorgelesenen Passagen anknüpften. Die Idee zu diesem Projekt stammt von der Flötistin Anette Maiburg, die auch die Leitung des Workshops übernahm. Unterstützt wurde sie nicht nur von der Santur, die übrigens 32 Saiten besitzt, sondern auch von Pascal Schweren am Klavier, Caspar van Meel am Kontrabass und Fethi Aki an der Percussion. „Wir wollen etwas Eigenes daraus machen – etwas, von dem wir das Gefühl haben, dass es so wunderbar zum Roman passt“, erklärt Maiburg.

Der Workshop „Songs around the World – Iran“ verbindet Literatur, Musik und politische Bildung zu einem eindrucksvollen Gesamterlebnis. Für viele Jugendliche bedeutete er nicht nur eine besondere musikalische Begegnung, sondern auch ein tieferes Verständnis für die Lebensrealitäten junger Menschen in anderen Teilen der Welt. Im Workshop ging es um kulturellen Austausch, Geschichten von Flucht sowie Fragen wie: Warum müssen Menschen ihr Land verlassen? Was macht diese Entscheidung mit ihnen? Und welchen Weg müssen sie gehen, um anderswo anzukommen?

Ziel des Workshops ist es, darauf aufmerksam zu machen und sich bewusst zu werden, was es für einen selbst bedeuten würde, das eigene Land verlassen zu müssen. Was man alles zurücklassen muss – Familie, Freunde, Heimat, Sicherheit – darüber sollten die Schüler nach der Konzert-Lesung nachdenken und anonym aufschreiben, worauf sie nicht verzichten könnten, wenn sie fliehen müssten. Die meisten Antworten lauteten – wenig überraschend – Familie, Freunde, Gesundheit oder das eigene Haustier. Doch auch Dinge wie Karneval, das Handy, Gaming, Sport oder generell die eigene Freizeitkultur wurden häufig genannt. So wurde den Jugendlichen noch einmal deutlich, dass man auf einer Flucht nicht nur seine Familie, sondern auch einen großen Teil der eigenen Kultur und des gewohnten Alltags zurücklassen müsste – all das, was das eigene Leben ausmacht. Gleichzeitig wurde bewusst, dass viele Dinge, über die wir uns hier oft beschweren, in Wirklichkeit gar nicht so schlimm sind.

Schulleiterin Nadja Haupt betont die Bedeutung solcher Veranstaltungen: „Da wir hier leider keinen regulären Musikunterricht haben, sind solche Workshops unglaublich wertvoll. Wir möchten solche Angebote künftig noch stärker nutzen.“ Konzipiert wurde das Projekt mit der Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW.


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