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Wohnmodellcharakter an der Alten Ziegelei

Es ist ein Grund mit viel Geschichte, auf dem jetzt ein Stück innovativer Baugeschichte der Stadt Jülich entstehen soll. Wo über 80 Jahre lang bis 1971 noch Ziegel gebrannt wurden, die vor allem beim Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg so dringend benötigt wurden, entsteht jetzt ein Wohngebiet, das kreisweit Modellcharakter hat.

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Zuversichtliche Gesichter: Geschäftsführer-Duo (v.r.) Anke Dohmen und Oliver Weißenbach, Architekt Reinhard Windt, Bürgermeister Axel Fuchs, Landtagsabgeordnete Patricia Peill und der Amtsleiter für Wohnungsbauförderung des Kreises Düren, Maximilian Weinberger. Foto: Dorothée Schenk
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Alle unter einem Dach. Auf diese Kurzformel lässt sich das neue Projekt im zweiten Bauabschnitt des Jülicher Quartiersprojekts „Alte Ziegelei“ bringen: Hier werden in voraussichtlich 32 Monaten Menschen mit geringem Einkommen ebenso wie besser situierte und auch Menschen mit Behinderungen einziehen. Vorsichtig sind die Bauherrinnen der Rheinischen Baubetreuungs- und Wohnungsbaugesellschaft mbH – kurz Rheinbau. Zu viele Unwägbarkeiten gab es im Vorfeld.

Inklusives Wohnen lautet das Stichwort. Mit einer fünfstelligen Landesförderung versehen kann es nach gut zweieinhalb Jahren Planungszeit in die Umsetzung gehen. Alleine wäre das nicht gelungen. Über 16 Millionen Euro schwer ist das Finanzvolumen, das für die zwei Häuser mit 58 Wohneinheiten und Gewerbefläche aufgebracht werden musste.

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Gebaut hat die Geschäftsführung der Rheinbau zunächst auf Fördergelder. Rund 10,6 Millionen Euro erhielt Anfang 2025 der Kreis Düren für Wohnraumförderung vom Land NRW. Wie Maximilian Weinberger, Leiter des kreiseigenen Amtes für Tiefbauangelegenheiten, Verkehrslenkung und Wohnungsbauförderung, aber erläuterte, waren die Mittel praktisch sofort erschöpft. Dass jetzt aus NRW das Projekt „Alte Ziegelei“ noch einmal mit einer „ähnlichen Summe“ bezuschusste, die genaue Summe wollte das Geschäftsführer-Duo Anke Dohmen und Oliver Weißbach nicht nennen, macht deutlich, welche Erwartungen das Land in dieses Bauvorhaben des Unternehmens in Jülich setzt. Wie ein Ausrufezeichen zu verstehen ist sicher, dass auch Landtagsabgeordnete Patricia Peill aus Düsseldorf dazukam. „Für uns hat es Modellcharakter“, unterstrich sie, und man werde genau hingucken, ob „wir das mit ihrer Expertise auch noch einmal woanders bauen“.

Das zu bebauende Areal aus der Luft. Foto: TIM online

Aber auch die Erleichterung war Dohmen und Weißenbach anzusehen. Sie waren bereits reichlich in Vorkasse gegangen, denn parallel zu den Planungen, die von Architekt Reinhard Windt übernommen wurde, musste das Baugenehmigungsverfahren in Gang gesetzt werden. Die Hartnäckigkeit und das Netzwerken haben sich ausgezahlt. „Egal wo wir das Projekt vorgetragen haben“, erzählt Anke Dohmen, „wir stießen auf Begeisterung.“ Es zeige, was möglich ist, wenn alle Akteure wie die Stadt, der Bürgermeister, Bauordnungsamt, Kreis Düren, Land und Bauträger zusammenarbeiten würden. Die drei Anträge seien umfangreich gewesen, aber schnell bearbeitet worden, ergänzte Oliver Weißenbach. „Wir konnten ganz geschmeidig ins Genehmigungsverfahren.“ „Rekordverdächtig“ nannte der Architekt den Ablauf: „Normalerweise braucht man von der Idee bis zum Bagger acht bis 10 Jahre.“ Lächelnd meinte NRW-Abgeordnete Peill: „Das nennen wir Jülich Geschwindigkeit bei uns in Düsseldorf – oder auch Tempo Axel Fuchs.“

Bürgermeister Fuchs führte aus, wie es überhaupt zu dieser Idee des inklusiven Bauprojektes kommen konnte: „Es war ein Hilferuf der betroffenen Eltern. Es gibt viele Alleinerziehende, die Kinder mit Handicap haben.“ Sie hätten sich an die Stadt gewandt, die zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Rheinbau einlud. Spürbar sei die Verzweiflung der Menschen gewesen, die im Ratssaal zusammenkamen. „Es war eine beeindruckende Veranstaltung mit etwa 40 bis 50 Menschen. Da war uns klar: Da müssen wir was tun.“

Gemeinsam mit dem Verein „Inklusiv Wohnen Jülich“ wurden die Wohnungen konzipiert. Sie werden auch die Mietpartei für die inklusiven Wohnflächen sein.“Wir haben einiges dazugelernt – im Zusammenspiel mit der Elterninititavte inklusives Wohnen e.V.“, gibt Anke Dohmen zu. Die 58 Wohneinheiten, die sich auf zwei Häuser verteilen, sind alle barrierefrei, einige rollstuhlgerecht, und auf zwei Etagen wird inklusives Wohnen angeboten. Das bedeutet: Menschen mit Beeinträchtigungen leben selbstständig in einer Art Wohngemeinschaft, der eine Ansprechperson zugeordnet ist. Gedacht ist etwa an jemanden aus der Studentenschaft, der gegen vergünstigten Wohnraum Unterstützung bietet.

Im nächsten Schritt soll – sobald das Areal erschlossen ist – zeitnah mit dem Bau begonnen werden. Das könnte, so die Einschätzung der Rheinbau, Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres so weit sein. Erste Ausschreibungen, so war zu erfahren, laufen bereits.

Ein Vorentwurf von Reinhard Windt. So könnten die Häuser einmal aussehen. Abb: PPP Rheinbau

Zum Hintergrund:
„Wir sind der größten Wohnungsgeber“, sagt Rheinbau-Geschäftsführer Oliver Weißenbach durchaus selbstbewusst. „Wer, wenn nicht wir, wissen, wie und wo die Nachfrage ist.“ Sogar von Nachfrageüberhang spricht er. Gemeint ist das, was der Normalbürger als Warteliste kennt. Allein 90 Menschen, so Weißbach, stünden auf der Warteliste für das inklusive Wohnprojekt „Stammhaus“. Daneben bestehe bei der Einkommensgruppe A, die als Einzelperson im Jahr zwischen 23.540 und 38.011 Euro zur Verfügung haben, der größte Nachholbedarf. Klar sein muss aber auch, „bezahlbarer Wohnraum lässt sich nur schaffen, wenn die Kosten überschaubar sind.“ Auf Keller etwa wird verzichtet, lautet die Faustformel doch: Ein Geschoss in die Tiefe gebaut kostet dasselbe wie zwei in die Höhe.

Architekt Reinhard Windt erläuterte, dass der Baukörper, wenn barrierefrei gebaut werden, sich stets um 15 Prozent vergrößere. Entsprechend stiegen die Baukosten. Bei rollstuhlgerechtem Bauen kommen sogar 25 Prozent dazu. „Da gibt es aber nicht mehr Miete, sondern eher weniger“, betonte Windt und ergänzte lobend, dass andere Investoren das Projekt längst aufgegeben hätten. Trotzdem „Es ist ein wirtschaftliches Projekt. Und jetzt freuen wir uns, wenn die ersten Bagger rollen.“

Inklusives Wohnen wird in den nächsten Jahren noch Thema, das höher bewerte werde ist auch Maximilian Weinberger, Leiter für Wohnungsraumförderung, überzeugt und lobte das Geschäftsführerduo: „Sie sind beharrlich, ja, aber nicht aufdringlich – und die Begeisterung für das Projekt haben Sie es an alle Instanzen weitergegeben. Wir als Bewilligungsbehörde freuen uns auch darüber.“ Der Verein Inklusiv Wohnen Jülich schreibt auf seiner Internetseite: „Wir sind dankbar, dass dieses Vorhaben realisiert werden kann und damit zwei Wohngemeinschaften entstehen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt zusammen leben Wohngemeinschaften ermöglicht. Das Projekt ist ein bedeutender Schritt für inklusives Wohnen in Jülich und bietet Menschen mit und ohne Behinderung die Chance auf ein gemeinschaftliches, selbstbestimmten Lebens.
Zugleich eröffnet das Wohnprojekt der Stadt Jülich neue Wege, um Inklusion aktiv zu fördern und innovative
Wohnkonzepte für die Zukunft zu schaffen.“

Abb: PPP Rheinbau

Konkret
sind 39 Wohneinheiten vorgesehen, die von der 1-Zimmerwohnung bis zur familienfreundlichen 4-Zimmerwohnung Wohnraum bieten. Darunter fallen 15 Gruppenwohnungen als Inklusive Wohnformen mit rund 700 Quadratmetern Wohnfläche. Der Einkommensgruppe B stehen 12 Wohneinheiten als 2-, 3- und 4-Zimmerwohnungen zur Verfügung. Freifinanzierte Wohnungen werden sieben geboten, hier: 1- bis 4-Zimmerwohnungen.

Das Haus 2/ 3 wird nicht unterkellert. Hierfür werden im Erdgeschoss Flächen vorgesehen. Im Erdgeschoss werden rollstuhlgerechte 2-Zimmerwohnungen geschaffen. Diese stehen später den Mietern der Einkommensgruppe A zur Verfügung. Im 1. Obergeschoss werden vier 3-Zimmer- und eine 2-Zimmerwohnung(en) geschaffen. Diese sind Mietern der Einkommensgruppe B vorbehalten. Die 2 Appartements werden im freifinanzierten Wohnungsmarktsegment platziert.

Im Haus 4-5 sollen im Erdgeschoss sowohl Gewerbe- als auch Wohnflächen geschaffen werden. Der gewerbliche Mieter steht schon fest. In den Folgegeschossen 1 und 2 entstehen Wohnungen für Mieter der Einkommensgruppen A und B. Im 2. und 3. Obergeschoss entstehen „Inklusive Wohn-formen“.

Haus 6 ist ein reines Wohnhaus. Im Erdgeschoss sind erneute rollstuhlgerechte Wohnungen vorgesehen. Im 1. und 2. Obergeschoss entstehen öffentlich geförderte Wohnungen für die Einkommensgruppen A und B. Im 3. Obergeschoss werden freifinanzierte Wohnungen geschaffen.

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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Artium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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