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Opus 45 macht Schule

Gleich zweimal an einem Tag waren das Ensemble Opus 45 und Roman Knižka als szenischer Rezitator in Jülich zu erleben: "Deutschland, siehst Du es nicht" heißt das neue Programm. Zum 11. Mal gastierte die Künstlerschar in Jülich und feierte hier zum vierten Mal eine Deutschlandpremiere, wie Bürgermeister Axel Fuchs ausführte. Verschmitzt lächelnd ergänzte Dramaturgin Kathrin Liebhäuser, die für die Textauswahl und ihre Inszenierung verantwortlich zeichnet: "Vier Weltpremieren". Sei es , wie es sei: Das Publikum in der Schlosskapelle feierte Opus einmal mehr mit stehenden Ovationen. Britta Sylvester und Dorothée Schenk berichten.

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Nicht viel länger als drei Jahre hat es gedauert vom Tod Gustav Stresemanns bis zu jenem „eiskalten Wintertag“ im Januar 1933, an dem Franz von Papen den fatalen Entschluss fasste, Hitler als Reichskanzler zu ernennen. Die Annahme von Papens, man habe ihn bald „in die Ecke gedrängt“, sollte sich bekanntermaßen nicht bewahrheiten.

In kurzen Sequenzen, in denen etwa aus Tagebüchern von Zeitzeugen vorgelesen wurde, ließen Roman Knižka und Opus 45 die letzten Monate der Weimarer Republik lebendig werden. Beklemmend wirkte es, wenn Knižka tagträumend, mit entrücktem Blick, von „fulminanten Fackelzügen“ schwadronierte – beklemmend vor allem, weil man weiß, dass die geschauspielerte Vision schreckliche Wahrheit geworden ist. Wie erschreckend dieser dunkle Teil der deutschen Geschichte bis heute ist, war den Schülerinnen und Schülern im Pädagogischen Zentrum der Sekundarschule deutlich anzumerken; ein spürbares „Zucken“ durchlief die Jugendlichen gleich bei dieser ersten Szene.

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„Deutschland, siehst du das nicht?“ Mit seinem neuesten Programm vollzieht das Ensemble Opus 45 das dramatische Ende der Weimarer Republik nach. Der Titel entstammt einem Gedicht von Kurt Tucholsky, mit dem dieser schon 1930 deutlich vor Gewalt und Radikalisierung warnte. Dabei ist die Darbietung keinesfalls ausschließlich düster, dramatisch, furchteinflößend. Auch das kulturelle Leben in den ausgehenden 1920er Jahren findet seinen Platz in Schilderungen aus der „Weltstadt Berlin“, mit Swing und dem „Blauen Engel“. Im scharfen Kontrast dazu dann wieder der nüchterne Bericht vom trostlosen Alltag der Menschen, von Krankheit, Armut und Hunger.

Gleich zweimal an einem Tag präsentierten Opus 45 und Knižka ihr neues Programm. Neunt- und Zehntklässler vom Gymnasium Haus Overbach, vom Mädchengymnasium und der Sekundarschule waren dank der Finanzierung durch die Hans-Lamers-Stiftung die Premierengäste. Wenn es auch nach rund einer Stunde spürbar unruhig im jungen Publikum wurde, war die Resonanz durchweg positiv, die Wichtigkeit des Themas allen bewusst. Eine Pause wäre schön gewesen, befanden einige Schülerinnen; ansonsten „war es gut“. An allen Schulen ist das Ende der Weimarer Republik und die Machtübernahme durch die Nazis im Vorfeld Thema gewesen.

Natürlich müsste man die Gäste am Abend nicht thematisch „abholen“, wie Benjamin Comparot, Initiator und organisatorischer Motor von Opus 45, in seinen Dankesworten formulierte. Die Mahnung, so hatte eingangs Bürgermeister Axel Fuchs in seiner Begrüßung betont, gehe vor allem dahin, die Parallelen in den Tendenzen zur Radikalisierung während der ersten deutschen Demokratie zu erkennen. Während weder Massenarbeitslosigkeit noch Notstandsgesetze eine Ähnlichkeit zwischen Weimarer Republik und Gegenwart darstellten, seien es aber die Mechanismen der demokratischfeindlichen Strömungen, zu denen Fuchs eine Verbindung zog. Und während der Bürgermeister sich auch für die Verbundenheit des Ensembles bedankte, gab er zugleich der Hoffnung Ausdruck, dass es mit dem neuen Programm auch im Mai 2026 wieder in Jülich eine Deutschlandpremiere feiern werde.

Das bringt natürlich die Mitglieder des Bläserensembles und Schauspieler Roman Knižka zum Strahlen. Gleichzeitig wünschte sich Benjamin Comparot, dass das Vormittagskonzert für die weiterführenden Schulen auch dann wieder angeboten werden könnte. Denn gerade bei den Jüngeren müsse man die Sensibilisierung für die Geschichte erreichen. Ausgesprochen begeistert äußerte sich der Ensembleleiter Comparot über die Aufmerksamkeit und Disziplin der Jülicher Schülerschaft. Echte Betroffenheit und Interesse seien – wenn sicher auch nicht bei allen, aber doch den meisten – spürbar gewesen.

Gelungen war diese persönliche Beziehung zum Programm für die Schülerschaft am Morgen sicher auch dadurch, dass neben der allgemeinen deutschen Geschichte auch die Jülicher Geschichte Teil des Vortrages war. Der Dank Comparots galt Guido von Büren als Vorsitzendem des Jülicher Geschichtsvereins, der die Daten beigesteuert hatte. Zu hören war, dass in der Weimarer Zeit sowie in den Anfängen des Erstarkens der Nationalsozialisten in Jülich vor allem die konservativ-katholisch ausgerichtete Zentrumspartei mehrheitsfähig in der Bevölkerung war. Schnell sei man hier nach dem Machtwechsel aber „linientreu“ geworden. Also kein Grund, sich selbstgerecht zurückzulehnen. Beeindruckend war die Wahlbeteiligung von 83 Prozent bei einer Einwohnerschaft, die in diesen Jahren noch unter der 10.000-Marke lag.

Die Mahnung des Abends nach Kurt Tucholsky bleibt: „Deutschland, erwache!“. So heißt das Gedicht, aus dem die Zeile für das diesjährige Programmthema entlehnt ist. Allerdings folgen auf die Frage „Deutschland, siehst du das nicht?“ weitere, nämlich „Deutschland, hörst du das nicht?“ und „Deutschland, fühlst du das nicht?“. Im Sinne von Opus 45 gilt es natürlich vor allem den letzten Satz zu beherzigen: „Und wenn Deutschland schläft: Wir sind wach!“

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