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Aufklärung als Mission

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Foto: Dorothée Schenk
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In Jülich sind sie bestens bekannt. Bereits viermal haben der Schauspieler Roman Knižka und das Ensemble Opus 45 eine Premiere in der Herzogstadt gezeigt. Zuletzt das siebte Programm „Dass ein gutes Deutschland blühe“ zum 80. Jahrestag des Kriegsendes. Ihre Mission: Deutsche Geschichte. Ein Interview zum Jahrestag der Operation Queen und dem neuen Programm.

Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen. Das war das erste Programm, mit dem Roman Knižka und das Ensemble Opus 45 auf sich aufmerksam machten. Gewidmet war es mutigen Querdenkern und Künstlern, die sich bis zuletzt hartnäckig gegen den faschistischen Terror behaupteten. Die selbstgewählte Aufgabe mit der passenden Musik, Liedgut und Textpassagen verknüpft auch schwer zu ertragende Themen der deutschen Geschichte von jüdischem Leben in Deutschland, dem Krisenjahr 1923 oder dem KZ Theresienstadt spürbar zu machen, gelingt auf außergewöhnliche Weise. Das Publikum ist berührt, bleibt immer aufmerksam und kann selbst das Schwere sichtbar mit Herz und Geist annehmen. Das ist große Kunst und inzwischen künstlerische Lebensaufgabe des Schauspielers Roman Knižka, der einem breiten Fernsehpublikum bekannt ist, Dramaturgin Kathrin Liebhäuser und Benjamin Comparot, organisatorischer Motor des Projekts und Hornist im hochkarätig besetzten Quintett Opus 45, das inzwischen aus den größten Orchestern Deutschlands Gastmusiker beschäftigt.

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„Uns geht es darum, Geschichte sinnlich erfahrbar zu machen, um diesen emotionalen, sinnlichen Zugang“, erläutert Roman Knižka nachdenklich. Es folgt dem bekannten Gedanken von Wilhelm von Humboldt: Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft. „Der kann die Zukunft gestalten.“, setzt Knižka noch einmal nach. Bewusstsein zu schaffen ist das Ziel, die Erkenntnis, dass Geschichte nicht Vergangenheit ist, sondern konkret mit den Menschen im Heute zu tun.

Bundesweit sind sie inzwischen mit ihren Programmen unterwegs – im Kulturpalast in Dresden mit 900 Sitzplätzen ebenso wie in Schloss Burgau in Düren, in Schulen oder Kirchen. Einigen Veranstaltern, so die Erfahrung erachten die Themen als zu ernst und zu schwierig. Sie polarisieren. Das gilt etwa für das Programm „Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen“. „Inzwischen spielen wir im Osten auch viel mit Polizeischutz“, sagt Roman Knižka wie nebenbei. Ängstlich sieht er dabei nicht aus. Tatsächlich hat sich bislang die Sorge vor Übergriffen als unbegründet erwiesen – auch wenn es durchaus schon zu kontroversen Gesprächen mit Anhängern der AfD gekommen sei. „Wir können uns das ja auch ein bisschen einfacher machen und halt einfach in Berlin spielen, in Hamburg und dann halt auch gleich mehrere Shows in Köln und in Frankfurt und in München“, sagt Knižka. „Aber es ist wichtig, was wir machen und es ist wichtig, dass wir zu den Leuten gehen.“

Das Ensemble Opus 45 und Roman Knižka in der Schlosskapelle der Zitadelle Jülich. Foto: Dorothée Schenk

Oder die Menschen auf sie. Aufgeregt, so schildern es Schauspieler und Musiker, waren sie, als in Frankfurt Edith Erbrich, eine Überlebende des KZ Theresienstadt in der ersten Reihe saß. „Es war das erste Mal, dass wir das vor einer Überlebenden spielen und natürlich ist alles gewissenhaft recherchiert, aber natürlich, wenn du es dann jemanden vorspielst, der dort war, ist das der ultimative Härtetest“, beschreibt Roman Knižka die Gefühlswallungen. Die Erleichterung und Begeisterung für diesen Augenblick ist ihm noch anzumerken: „Ich glaube, ich habe heute noch eine rote Wange, so oft hat die mich hier in die Wange gezwickt und gesagt: ,Habt ihr toll gespielt!‘“

Die berührendsten Begegnungen hat das Ensemble oft auch mit Jugendlichen. „Das Tollste ist eigentlich“, berichtet Kathrin Liebhäuser, „wenn Schülerinnen und Schülern zu uns kommen und sagen: ,Ich hasse Geschichte, aber wenn Geschichtsunterricht immer so wäre, dann wäre es mein Lieblingsfach’.“ Die Art der Darstellung erzeugt bei den Jugendlichen eine hohe Glaubwürdigkeit. Gerade sie ließen sich gut auf der emotionalen Ebene abholen und „denen konnte man richtig was zumuten“, ergänzt Benjamin Comparot. Die Musik erzeuge Bilder im Kopf. „Die Noten malen.“ sagt er poetisch. Die Jugendlichen hätte vielleicht andere Assoziationen, „vielleicht Liebeskummer“ aber es spräche sie an. „Wir spielen ein Wiegenlied von Viktor Ullmann, das in Theresienstadt entstanden ist, und dann sprechen sie uns an, war das für ein Stück das gewesen ist: ,Ich will das in meine Playlist einsortieren’“, begeistert sich der Musiker.

Benjamin Camparot. Foto: Dorothée Schenk

Wie kommt man dazu, diese Aufgabe anzugehen und anzunehmen? Gab es eine Initialzündung? Geboren ist die Idee in einer KiTa in Berlin, erzählt grinsend Benjamin Comparot. Die Kinder gingen gemeinsam in eine Einrichtung, man traf sich beim Hinbringen oder Abholen des Nachwuchs und dem bekannten Künstlerspruch „wir müssten mal was zusammen machen“, folgten erste Kinderaufführungen von Prokowjews „Peter und der Wolf“ nach der Inszenierung von Loriot und Camille Saint-Saens „Karneval der Tiere“. Die Aufführungen waren so erfolgreich, dass sie sogar ein Engagement in Wien für vier „Shows“ erhielten. Es wuchs aber auch die Erkenntnis: Das reicht nicht.

In den abendlichen Runden stellten die Musiker und der Schauspieler fest, „dass wir alle zum politisch neigen“. Das Ensemble „Opus 45“ stieß bei der Suche nach einem neuen Repertoire auf ein Bläserquintett von Pavel Haas. Der Komponist wurde 1941 von den Nazis verschleppt und im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. „Und dazu kam die Todesfuge von Celan, die uns Roman gelesen hat. Wenn er das liest, dann ist der Raum zappenduster. Ein dunkler Raum ist danach quasi schwarz“, schildert Benjamin Comparot eindrücklich das Erlebnis. Klar war aber auch, dass mit 15 Minuten Musik und fünf Minuten Lesung kein abendfüllendes Programm gestaltet werden kann.

Kathrin Liebhäuser. Foto: D. Schenk

Ein Glücksfall ist, dass Comparots Schwester Kathrin Liebhäuser als Dramaturgin ins Boot geholt werden konnte. Sie stellt das Material zusammen. „Das Problem ist, dass ich irgendwann zu viel lese und ich dann aufhören muss. Denn natürlich könnte man einen solchen Abend auch in Millionen Variationen gestalten und hätte immer noch nicht alles erzählt“, schildert Liebhäuser, wie sie zwischen Bergen von Büchern in ihrem „kleinen Reihenhäuschen“ versucht, die Balance zu halten zwischen den historischen Eckdaten – „Was soll unbedingt rein?“ – literarischen Texten, denn schließlich ist sie auch Literaturwissenschaftlerin und dem was musikalisch erzählt werden soll. So entstand die Idee eines neuen Formats entstand. „Ich komme von der Bühne. Was mich interessiert ist die Verzahnung von Musik und Theater. Wir sind uns bis heute noch nicht so ganz klar, wie wir das Kind nennen sollen“, sagt Kathrin Liebhäuser schmunzelnd. Es ist eine eigene Kunstform zwischen Konzertlesung und Performance. „Bei Performance denken die Leute an Blut und Kot auf der Bühne. Das ist ja auch nicht, was wir erreichen wollen.“, gibt Roman Knižka zu Bedenken. Ihm gefällt das englische Wort „Narration“. „Ich bin kein Erzähler und eine Lesung ist auch nicht. Ich würde gerne diesen Begriff musikalische Narration in Deutschland einführen.“ Da es das Format eigentlich gar nicht gibt, wie sie sagen, gibt es auch keine Routinen. Jeder Abend ist anders, freut sich der Schauspieler und Rezitator.

Bleibt eigentlich noch Zeit, um als Schauspieler vor der Kamera zu stehen? Roman Knižka grinst breit: „Ich kann halt nicht mehr in Urlaub fahren.“ Im Klartext: Zwischen den rund 100 Auftritten und den Fernsehengagements bleibt wenig Luft. Aber das ist es offenbar wert. Der Hintergrund ist, und hier wird Knižka ernst, die Verantwortung gegenüber seinen zwei 12 und 19 Jahre alten Söhnen und legt seinem jüngeren die Worte in den Mund: „Papa ist irgendwie in seinem Alter mit so einer Mission unterwegs, der macht nicht nur ,tralala’, sondern der hat auch echt was zu sagen, was Hand und Fuß hat.“ Das ist ihm wichtig „dass man die Wahrheit sucht und bestenfalls findet und sie vermittelt und nicht Fake News.“ Glaubwürdigkeit ist ein weiteres Stichwort und das Anliegen, 15-, 16-Jährigen Verständnis für Geschichte zur vermitteln. „Jetzt erzählt uns hier so ein Typ, das ist wirklich passiert, jetzt glauben wir es!“ Das ist das Ziel.

Roman Knižka.  Foto: Jana Zantis

Klar ist eins: Dieses besondere Format ist politische Bildung. Die Finanzierung ist nicht unkompliziert. Alleine durch Eintrittsgelder lässt sich das Programm nicht bezahlen. Derzeit erhält das Ensemble für seine Programm notwendige Bundes- und Landesmittel als Förderung. Gerade darum machen sich Roman Knižka, Benjamin Comparot und Kathrin Liebhäuser Gedanken. „Es gibt keine Planungssicherheit.“ „Wenn sich gewisse politische Strömungen hier durchsetzen, dann ist ganz klar, wo gespart wird. Nämlich genau an diesem Netzwerk, das wir in Deutschland haben. Und das ist ziemlich einzigartig in politischer Bildung und auch Erwachsenenbildung“, resümiert Kathrin Liebhäuser.

Trotzdem haben sie das nächste Projekt schon im Visier: Eine zweite runderneuterte Ausgabe über die „Rechte Gewalt in Deutschland“. Premiere wird im April 2025 in Jülich sein. Bislang wurde an das Programm ein rund 10-minütiger Apendix angehängt, um auf die aktuellen Ereignisse wie die Ermordung Walter Lübkes, auf Hanau, Halle und den jüngsten Anschlag in München auf das NS-Dokumentationszentrum hinzuweisen. „Ich stehe wieder vor einer großen Aufgabe“, bekennt Kathrin Liebhäuser. „Es ist so erschreckend, wenn man sich das damit vergegenwärtigt, was schon wieder in den letzten Jahren passiert ist – oder alleine in den letzten Monaten.“ Es bleibt also weiterhin reichlich zu tun für das musikalische Ensemble Opus 45 und seinen wortgewandten In-Szene-Setzer Roman Knižka.


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