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„Ich wand‘re durch Theresienstadt“

Premiere mit Roman Knižka und dem Bläserquintett OPUS 45 in der Schlosskapelle

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Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 haben mit ihrem neuen Programm „Ich wand‘re durch Theresienstadt“ in Jülich Premiere gefeiert. Foto: Jana Zantis
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Bei der musikalischen Lesung „Ich wand‘re durch Theresienstadt“ versetzten Schauspieler Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 die Zuschauer in das Lager Theresienstadt, das 1941 von den Nationalsozialisten im heutigen Tschechien eröffnet wurde. Gespannt lauschte das Publikum den Klängen des Bläserquintetts sowie Roman Knižka, der Auszüge aus dem Gedicht „Als ob – Leben in Theresienstadt“ vortrug. „(…) Und spricht von schönrer Zukunft. Als obs schon morgen wär (…)“ war nur eine von vielen Zeilen, die großes Unbehagen auslösten, wurde einem doch schmerzlich bewusst, dass es für viele Insassen Theresienstadts eben jene Zukunft nicht gab.

„Alle Sorgen sind vertrieben an diesem schönen Fleck, doch nur eine ist geblieben: Wie kommt man hier wieder weg?“ Diese Frage, die Rezitator und Schauspieler Roman Knižka zum Einstieg in den literarischen Kammermusikabend in der Schlosskapelle der Zitadelle stellte, begleitete Künstler wie Publikum den ganzen Abend über. Die Frage, wie und ob man jemals aus dem Ghetto wegkommen wird – und wenn ja, ob man es auch überleben wird.

Foto: Jana Zantis
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Es folgten Berichte, die unter die Haut gingen, denn sie erzählen von Menschen, die unfassbares Leid sehen und selbst erleben mussten. Besonders blieben einem die Erzählungen der Kinder und Jugendlichen im Gedächtnis. Knižka zitierte Kinder, welche von Krankheiten, dem Schlafen auf Heu-Matratzen und ihrer Arbeit berichten: dem Wegschaffen von Leichen. Sätze wie „Ich will leben und das hier überleben. Man muss durchhalten, man muss die Angst überwinden und stark sein. Ich, Zvi Cohen, geboren als Horst Cohen in Berlin, bin knapp zwölf Jahre alt und schon ein Held. Warum in Gottes Namen nur?“ machten dem Publikum schmerzlich bewusst, unter welch grausamen und unmenschlichen Zuständen die Insassen solcher Lager ihr Leben verbringen mussten.

Trotz all dem Leid, der Krankheiten und den grauenvollen Lebensbedingungen entwickelte sich ein ausgesprochen reges Kulturleben in eben diesem Ghetto. Denn ab dem Jahr 1942 wurde das Lager Theresienstadt von den Nazis als „Musterlager“ geführt, um der Welt Humanität vorzugaukeln. Dabei wurde die jüdische Selbstverwaltung eingeführt, bei der auch für eine kulturelle Freizeitgestaltung gesorgt wurde. Geplant wurden Theaterstücke oder Musikaufführungen, es wurden Instrumente und Bücher besorgt. Bekannte Komponisten, ebenfalls in Theresienstadt interniert, schrieben Werke für die Aufführungen im Ghetto, darunter Hans Krása, Gideon Klein, Viktor Ullman und Pavel Haas. Werke u.a. dieser vier Komponisten wurden von OPUS 45 gespielt und sorgten dafür, dass die Berichte noch greifbarer wurden.

Besonderer Beliebtheit erfreute sich die Kinderoper „Brundibar“ von Hans Krása. In dieser wurde der böse Leierkastenmann Brundibar mit Hitler assoziiert und die Freude über den besiegten Brundibar war jedes Mal aufs Neue riesig. Knižka trug dabei von Kindern und Jugendlichen vor, die voller Euphorie und Aufregung von den Programmen berichten. Dabei gehörten für sie Proben und Castings zum Highlight des Tages. Fast könnte man meinen, man lauschte den Ausführungen eines ganz normalen Kindes, doch man wurde schnell wieder in die harte Realität zurückgeholt: „Weil so viele Kinder mitmachen wollten, konnte man viele Rollen gleich mehrfach besetzen. So hatte man immer ziemlich sicher Schauspieler parat, denn auch die Darsteller konnten, wie alle Häftlinge, jederzeit für einen der plötzlichen Transporte gen Osten eingeteilt werden.“ Das gemeinsame Musizieren, die Aufführungen und die Geschichten – all das gab den Gefangen ein Stück Hoffnung, wenn auch nur für wenige Stunden.

Foto: Jana Zantis

Neben kulturellen Aspekten werden auch persönliche Themen angesprochen. Es war nicht nur eine Identitätskrise, es war das Verlorensein, das Gefühl, nirgendwo zuhause zu sein, welches von den sechs Künstlern gekonnt hervorgehoben wurde. Denn wo war Heimat? „ (…) Ist meine Heimat der Ghettowall? Oder ist sie das Land mit den Knospen so lind,  vorwärts stürmend, lieblich und klein – Will Böhmen, will die Welt meine Heimat sein (…)? Mit Fragen wie diesen wurden die Premierengäste zum Nachdenken angeregt. Gleichzeitig unterstützten die fünf Musiker Matthew Higham (Flöte), Guilherme Sousa (Oboe), Jussef Eisa (Klarinette), Benjamin Comparot (Horn) und Florian Liebhäuser (Fagott) die Gedankengänge, Berichte und Zitate mit Stücken von Komponisten aus Theresienstadt. Die mitunter beschwingte Musik stand – gewollt – im krassen Kontrast zu den Ausführungen des Rezitators.

Roman Knižka und das Ensemble OPUS 45 haben mit ihrem neuen Stück „Ich wand‘re durch Theresienstadt“ in Jülich Premiere gefeiert und lenkten mit dieser Aufführung gekonnt den Blick auf eine Zeit, der man sich ungerne stellen möchte. Umso wichtiger ist es, dass Ereignisse und Orte wie diese nicht in Vergessenheit geraten. Standing Ovations und lang anhaltender Applaus beendeten diese gelungene Premiere.


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