Start Galerie 2024 Die Herzogin hielt Hof

Die Herzogin hielt Hof

Lange Zeit waren keine Herrschenden mehr in Jülich zu Gast. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Das war auch zu Monarchenszeiten nicht viel anders. Die Regenten residierten, wie in den Geschichtsbüchern nachzulesen ist, lieber in Kaster oder Düsseldorf. Zu einem Besuch war in diesen Tagen auf Einladung des Jülicher Geschichtsvereins Maria von Geldern leibhaftig in der Schlosskapelle.

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Maria von Geldern wird von ihren Ehrendamen in die Schlosskapelle geleitet. Foto: Dorothee Schenk
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Jülich ist offenbar ein Lieblingsort von Maria von Geldern. So jedenfalls wird es für die Blickpunktausstellung angekündigt, die im Mittwochsclub von Geschichtsverein und Museum eröffnet wurde. Die Herzogin ist „auf Tour“ durch ihren Herrschaftsbereich. Dass sie leibhaftig zur Eröffnung zugegen war, dafür zollte der „Hofstaat“ in der Schlosskapelle gebührend Respekt und Applaus. Der allerdings wurde auch von Rianet Knevel eingefordert, die dem Verein „Het Woud der Verwachting“ angehört, der sich intensiv mit der Zeit um 1400 in den Herzogtümern Geldern und Jülich beschäftigt. Eindrücklich schilderte sie, wie viel Geschichte in der Kleidung steckt und was daraus zu erfahren ist.

Begleitet von Ehrendamen durchschritt Maria von Geldern den Mittelgang der Schlosskapelle. Die Begleitung war notwendig, denn nicht weniger als neun Kilogramm wiegt das Prachtgewand, in dem sich die Herzogin ihren Gästen zeigte. Anderthalb Stunden dauert die Anziehprozedur für die Trägerin. Die Vorlage für hierfür bietet eine neun Zentimeter große Miniatur aus dem Stundenbuch „Très Riches Heures du Duc de Berry“. Viel Information steckt in der Kleidung, wie Rianet Knevel erläuterte. Sie zeigen den Reichtum und die Bedeutung der Trägerin. 9000 Euro kostete alleine die Rekonstruktion, die „Het Woud der Verwachting“ anfertigen ließ.

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Die Ärmel des Gewandes sind zweieinhalb Meter lang. „Sie sind wie die Flügel eines Insekts, aber zu schwer zu tragen.“ Das doppelte Futter besteht einerseits aus weißer Seide, andererseits aus dem Pelz norwegischer Eichhörnchen. 800 bis 1000 Bäuche dieser Tiere, die inzwischen ausgestorben sind, werden für solch ein Futter gebraucht. Der Kleidung ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Herzogin schwanger ist. „Es war das Ziel ihres Lebens einen Erben für das Herzogtum zu bekommen.“ Immerhin war Maria von Geldern bereits 25 Jahre alt und damit im 15. Jahrhundert bereits bei der Heirat eine alte Jungfer. Als viertes Kind war sie zwar Nichte des französischen Königs, aber ohne Vermögen, da sie nicht erbberechtigt war. Ohne Mitgift verheiratet zu werden war nicht ohne Schwierigkeiten. Der König gab sie schließlich aus politischen Gründen Rainhard von Geldern zur Frau – inklusive 30.000 Goldender Schilde. Das entspricht nach heutigem Wert rund acht Millionen Euro.

Dass „Hosen“ eigentlich Strümpfe mit Füßen waren, ehe sie zur „Pantalone“, also Hose im heutigen Sinne, wurde, war bei diesem Mittwochsclub zu lernen. Ebenso, worauf der Kragen des Gewandes hinweist und, dass die geflochtene Haarpracht zum Bestandteil der Kopfbedeckung wurde. Selbstverständlich fanden auch die Ehrendamen und ihre Bekleidung, die zwar ebenso auf den Reichtum aber auch ihre Alltagstauglichkeit hindeuten, sowie die der Heralde und ihre Wappenröcke, Beachtung, die auf den jeweiligen Regenten verwiesen – nämlich Jülich und Geldern.

Nach dieser lebendigen Geschichtsstunde stieg Referent Jacobus Trijsburg – ebenfalls vom niederländischen Verein „Het Woud der Verwachting“ – tiefer in die Geschichte ein und nutzte dazu einen Bildvergleich: Die bereits erwähnte Miniatur verglich er mit einer Silberstiftzeichnung „Hovfolk fran Geldern„. Bis ins Detail ging er auf das Dargestellte ein und erschloss daraus die Beziehungen der Fürstenhäuser, Heiratspolitik und auch des gesellschaftlichen Ethos. Fragen die beantwortet wurden waren etwa: Warum hängt am Rand der Mütze Jan von Bellens ein kleiner Schwan? Was bedeutet die Flöte in der Hand des Jünglings? Ist es Friedenssymbol oder ein Phallus? Hingewiesen wurden die Mittwochsclub-Gäste auch auf Details wie den Hund als Zeichen ehelicher Treue, dem besondere Streicheleinheiten zukommen, und Perlen als Zeichen von Wohlstand und Kinderwunsch.

„Man sieht daraus, dass man aus einer kleinen Zeichnung eine ganze Welt erschaffen kann“, resümierte Geschichtsvereins-Vorsitzender Guido von Büren in seinen anerkennenden Dankesworten an die Referenten. Er ordnete schließlich die tiefere Bedeutung für die Anwesenden ein: „Wir sind in dem Moment, in dem die Bilder erfunden werden. Es ist ein Schlüsselmoment der Kunstgeschichte.“ Darum sei die detailfreudige Auswertung berechtigt, da in dieser Zeit – anders als in der heutigen Bildflut – dem einzelnen Bild eine viel höhere Bedeutung zukommen würde.

Die Blickpunkt-Ausstellung „Maria von Geldern und Jülich. Auf Tour zu Lieblingsorten in ihren Herzogtum“ ist im Schlosskeller noch bis 12. Mai zu sehen. Hier können Interessierte der Herzogin zumindest als lebensgroße Puppe im historischen Gewand im Museum Zitadelle begegnen.

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