Start Magazin Kunst & Design Musik wird störend oft empfunden…

Musik wird störend oft empfunden…

…weil stets sie mit Geräusch verbunden. Sagte Wilhelm Busch, der zurückgezogen auf dem Land ohne die heutigen akustischen und optischen Umweltverschmutzungen seine Bildergeschichten in aller Ruhe verfasste und zeichnete. Mit Fug und Recht darf er als ein Vater des Comics genannt werden. Was er persönlich von dem, was er mit seinem Schaffen so unabsehbar anstieß, halten würde, sei dahingestellt. Vieles, weil zu vieles, würde er sicherlich als störendes Geräusch auf seiner Netzhaut empfinden, und manches schmunzelnd, vielleicht gar erstaunt und bewundernd zur Kenntnis nehmen.

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Foto: Ano Nym
Foto: Ano Nym
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Absatz. Ja – ich bin physiologisch ausreichend belehrt, dass das Auge nicht hört und das Trommelfell nichts sieht. Und meine Themenvorgabe „für lau – Graffiti“ lau-tet. Nur: wie nähert man sich etwas, das man „für umme“ kriegt und nicht unbedingt haben will? Wie… Nun, eben dem, was der Nachbar für den Höhepunkt derzeitigen tonalen Schaffens hält, dem selbstgemalten unsäglichen Bild von Tante Gerda… Und aha! Dem Graffito. (Ja, so heißt, aus dem Italienischen kommend, der Singular. Da diese „Zeichnerei“ selten alleine auftaucht, hat sich wohl der Plural eingebürgert. Man sagt ja auch seltenst: Spaghetto.)

Und so ist es mit den plötzlich an irgendwelchen Wänden auftauchenden Sprayereien doch auch… Gut gemeint – oder etwa noch nicht mal das?! – sind sie vorhanden und fordern Kenntnisnahme bis zur Auseinandersetzung. Früher hieß es: „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“, da hat sich nichts dran geändert, die gibt es immer noch. Obwohl ich bemerke, dass sich die Klowandkrakelei auch mehr in den virtuellen Raum verzieht. Doch das Bedürfnis der (Selbst-)Darstellung bleibt ungebrochen. Immerhin hat sich die öffentliche Akzeptanz insofern verändert, dass nicht alles Diesbezügliche per se als „Schmiererei“ betrachtet wird, sondern qualitative Unterschiede durchaus erkannt werden. Dass sich das alles aus dem „Willi war hier“ entwickelte (und Willis, Kevins und Yüksels weiterhin ihre Existenz phantasielos irgendwohin kratzen und eddingen werden), ist allerdings erstaunlich. Schon vor Jahrzehnten entstanden in nächtlichen Stunden äußerlich herrlich gestaltete U-Bahn-Wagen – was natürlich nicht nur für deutsche Juristen ebenso unter Sachbeschädigung fiel wie das anderweitig versaute Innere der Waggons. Fraglich ist und bleibt, ob die ungefragte Inanspruchnahme öffentlicher „Untergründe“ für egal wie gut gestaltete und künstlerische Äußerungen zur Verfügung steht… So manche öde Betonwand hat durch diese unautorisierte Tätigkeit allerdings durchaus an Attraktivität gewonnen.

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Mittlerweile wurde natürlich auch dieses weite Feld menschlichen Betätigungsdranges kanalisiert und vermarktet: Unter der Bezeichnung „Streetart“ gibt es Festivals, heruntergekommene Dörfer haben ihre Hausfassaden zur Verfügung gestellt und erfreuen sich der Touristen – der Enthusiasmus der sich dort abarbeitenden Künstler… Meist auch für lau. Dass so mancher mit der anarchischen Anonymität bricht und für Galerien auf edleren, handlicheren und verkaufsfähigen Untergründen sein Wesen treibt – verständlich. Und vom Inhalt her bedauerlich. Wie eine kleine Zeichnung auf Fassadengröße aufgeblasen ihren Charakter verliert, so ein Graffito im Mitnahmeformat. So bleiben auch Graffiti ein weiterhin streitbares Thema. Verhältnismäßigkeit – eine dem Menschen eh nicht naheliegende Fähigkeit – wäre auch hier angebracht. Ein an sich gut gemachtes Graffito auf einer bis dato gepflegten Altbaufassade – geht für mich gar nicht. Ein „Bleibbei mirChantal!!!“ dilettantisch herzhaft an die Autobahnbrücke gepinselt hat immerhin eine vergängliche Aussage, die ein ansonsten nur funktionales Stück Beton kurzzeitig belebt und mir ein vorüberfahrendes Lächeln schenkt.
Geschmacksache!? – sagte der Affe und biss in die Seife. Und rülpste wunderschöne Seifenblasen: für lau.


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