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Mit klassischen Instrumenten Grenzen sprengen

Der Jazzclub Jülich hatte sich "Strings are Changing" ins Bonhoeffer-Haus eingeladen. Die Herren Musiker sind aber nicht nur an ihren Instrumenten gut, sondern auch immer für einen launigen Spruch dazwischen. Das macht ihre Konzerte immer zu einem Hörgenuss im doppelten Sinne. Ein kleiner Blick hinter die Kulissen des Trios, das beim Auftritt des Jülicher Jazzclub auch sein 20-jähriges Bühnenjubiläum feierte.

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Strings are Changing spielten im Bonhoeffer.Haus auf. Fotos. Volker Goebels
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Die Kritik spricht von südamerikanischem Feuer in den Strings-are-Changing-Interpretationen, von Jazz-Blues, dann wieder konzertanter Klassik oder Rock- und Pop-Einflüssen. Wie schafft es die 3er-Formation, solch’ unterschiedliche Stile unter einen Hut, in einen Kontext zu bringen?

Strings are Changing: Wir spielen die Stücke einfach, finden sie schön. Es ist auch so, dass wir unterschiedliche Musik hören. Wenn man sich spezialisiert, dann legt man sich zu sehr fest. Sonst würde auch der Spaß flöten gehen. Wer nichts Richtiges kann, der probiert halt verschiedene Stilarten (allgemeines Schmunzeln).

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Aber Sie haben doch einen gewissen musikalischen Background…

Strings are Changing: Wir sind alle klassisch ausgebildet. Das ist die Grundlage. Sebastians Beweggrund, Musik zu machen, war nicht Grappelli, sondern David Oistrach. Davon hat er sich ganz weg entwickelt in Richtung Musical, Tango und Salonmusik. Bei den anderen beiden ist das genau umgekehrt. Dieter und Hajo hatten mit popularer Musik angefangen und mussten sich erst einmal in die Klassik hinein finden. Der Clou ist, dass wir auf klassischen Instrumenten keine klassische Musik machen. Das ist die Herausforderung.

Worauf genau gründet diese Herausforderung?

Strings are Changing: Kein Schlagzeug und kein E-Bass zu haben, ist der Grundmangel dieser Besetzung. Eine andere Band, andere Instrumente, andere Musiker wären eine prima Sache. Aber da haben wir Möglichkeiten gefunden. Bass funktioniert auf der Geige nicht, das teilen sich Gitarre und Klavier. Dafür übernimmt die Geige neben der Gitarre perkussive Elemente, klingt wie ein Besen oder eine Hi-Hat oder erzeugt einfach Kratzgeräusche. Die Gitarre geht in Richtung Bass-Drum oder Bass. Es ist die Herausforderung, mit klassischen Instrumenten die Grenzen zu sprengen, auf Entdeckungstour zu gehen. Der Sound dieser einzigartigen Besetzung, so dass wir schon von Grund her eine besondere Klangfarbe haben.

Klingt, als ob Sie großflächiges Neuland beackern würden.

Strings are Changing: Sebastian hat im Internet nach geforscht und nach Vergleichbarem gesucht. Alles was er fand, war eine einzige Formation dieser Art in den USA.

Welche Vorbilder oder Einflüsse gibt es überhaupt auf diesem Terrain?

Strings are Changing: Die Turtle Island String Quartet aus den USA, das sind klassische Streicher, die machen Alles von Funk über Rock, Pop bis Jazz, sogar Rap. Ungemein innovativ. Alle Effekte erzeugen sie akustisch. Dann gibt es noch David Grisman, einen Mandolinenspieler und Wegbereiter des Akustik-Jazz’. Amerika hat halt eine größere Tradition mit akustischen Instrumenten. Dieses weite Spektrum ist ein typisch amerikanisches Phänomen.

Welche Kriterien stellen Strings are changing an ein Stück, damit es in das Repertoire passt?

Strings are Changing: Jeder bringt von seinem Instrument her Stile oder Stücke ein, die für die Anderen eine große Herausforderung darstellt. Was eine Geige nicht kann oder muss, ist, einen Groove zu entwickeln, überhaupt Begleittechniken zu entwickeln. Das Piano spielt dafür Melodielinien, die für Saiteninstrumente oder Bläser geschrieben wurden. So arrangieren wir Chick Corea-Stücke für Gitarre, und übertragen Eileen Ivers Gitarre- und Geigenmelodien auf das Piano. Der Witz ist, dass man konträr arrangieren kann, neue Rollen übernehmen muss. Das ist schon eine tolle Erfahrung. Außerdem arrangieren wir nicht nur, sondern lassen viel Platz für Improvisationen. Was spontan entsteht, ist auch sehr wichtig.

Innovativ sind auf jeden Fall die Perkussionstechniken. Wie hat sich das entwickelt?

Strings are Changing: Im Tango gibt es sehr viele Techniken, auch im Percussionsbereich. Die entwickelte Piazzolla für Geige, Gitarre oder Bandoneon. Wir haben uns natürlich auch gegenseitig abgeguckt. Übernehmen und nachahmen. Man kommt so über die Grenzen, die man auf dem Instrument zu meinen hat, hinaus. Es ist die Herausforderung, eine ganz eigene Klangsprache zu entwickeln, eine eigene Klangwelt – für Klänge, die man nicht assoziiert mit den Instrumenten, und auch einen individuellen Klang, der in neue Welten vor dringt. Wir definieren nicht den Jazz neu oder oder Funk, Hip-Hop, sondern die Herangehensweise.

Ungewöhnliche Musik mit ungewöhnlichen Künstlern legt die Vermutung nah, dass auch die erste Begegnung nicht völlig “normal” war. Wann und wo sind diese drei Charaktere erstmals aufeinander getroffen?

Strings are Changing: Bei der Musikschularbeit in Niederzier/Nordrhein-Westfalen, zwischen Köln, Aachen und Hambach, wo wir wohnen. Wir haben gemeinsam auf einem Dozentenkonzert gespielt, vier Stücke und dabei so viel Spaß gehabt. Da haben alle 3 gesagt: Booh, klasse! Zuvor kam Dieter auf Sebastian zu und fragte ihn, ob er Lust habe, mal etwas anderes machen als die üblichen Trio-Sonaten, Libertango von Piazolla. Gitarre macht pling, Klavier macht pling, wir brauchen noch etwas, dass die ganze Sache trägt.

Fotos: Volker Goebels


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