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Weiterrechnen trotz verlorener Qubits

Quanteninformation ist fragil, deshalb müssen Quantencomputer auch Fehler korrigieren können. Was aber, wenn ganze Qubits verloren gehen? Eine Forschergruppe des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen präsentiert in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitäten Innsbruck und Bologna in der Fachzeitschrift Nature eine Methode, mit der Quantencomputer auch dann weiterrechnen können, wenn sie einige Qubits verlieren.

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Ionenfalle in einem Kryostat der Universität Innsbruck. Foto: Universität Innsbruck
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Die Träger von Quanteninformation, die sogenannten Qubits, sind anfällig für Fehler, die durch unerwünschte Wechselwirkungen mit der Umwelt verursacht werden. Diese Fehler häufen sich während einer Quantenrechnung an. Ihre Korrektur ist für den zuverlässigen Einsatz von Quantencomputern eine zentrale Voraussetzung. Ähnlich wie der klassische Computer benötigt auch der Quantencomputer eine funktionierende Fehlerkorrektur.

Inzwischen können Quantencomputer mit einer gewissen Anzahl von Rechenfehlern umgehen, zum Beispiel mit Bit-Flip- oder Phasen-Flip-Fehlern. Zusätzlich zu diesen Fehlern können auch Qubits aus dem Quantenregister verloren gehen. Je nach Art des Quantencomputers kann dies auf den tatsächlichen Verlust von Teilchen wie Atomen oder Ionen zurückzuführen sein, oder darauf, dass Quantenteilchen beispielsweise in unerwünschte elektronische Zustände übergehen, so dass ihr Zustand nicht mehr als Qubit erkannt wird. Wenn ein Qubit verloren geht, wird die Information in den verbleibenden Qubits verstümmelt und ist ungeschützt. Für das Ergebnis der Berechnung kann dieser Prozess zu einem verheerenden Fehler werden.

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Verlorene Qubits in Echtzeit erkennen und korrigieren
Die Forschungsgruppe für Theoretische Quantentechnologie von Prof. Markus Müller vom Institut für Quanteninformation der RWTH Aachen und dem Jülicher Peter-Grünberg-Institut hat nun in Zusammenarbeit mit Experimentalphysikern um Rainer Blatt vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und Davide Vodola an der Universität Bologna fortgeschrittene Methoden entwickelt und implementiert: Sie ermöglichen es einem Ionenfallen-Quantencomputer, sich in Echtzeit an den Verlust von Qubits anzupassen und den Schutz der fragilen Quanteninformation aufrechtzuerhalten.
„In Quantencomputern mit gefangenen Ionen können die Teilchen, die die Qubits speichern, für sehr lange Zeit, sogar Tage, gefangen werden“, sagt Roman Stricker aus dem Team der Innsbrucker Experimentalphysiker. „Unsere Ionen sind jedoch viel komplexer als die vereinfachte Beschreibung als zweistufiges Qubit vermuten lässt. Dies bietet ein großes Potenzial und zusätzliche Flexibilität bei der Steuerung unseres Quantencomputers, führt aber leider auch dazu, dass Quanteninformation aufgrund von unvollkommenen Rechenoperationen oder Zerfallsprozessen verloren geht.“

Mit einem von der Theorie-Gruppe um Markus Müller entwickelten Ansatz hat die Kollaboration mit den Innsbrucker Forschenden gezeigt, dass ein solcher Verlust in Echtzeit erkannt und korrigiert werden kann. Müller betont, dass „die Kombination von Quantenfehlerkorrektur und der Korrektur von Qubit-Verlusten ein notwendiger nächster Schritt in Richtung großer und robuster Quantencomputer ist“.

Breit anwendbare Methoden
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mussten zwei Schlüsseltechniken entwickeln, um ihren Quantencomputer vor dem Verlust von Qubits zu schützen. Die erste Herausforderung bestand darin, den Verlust eines Qubit überhaupt zu erkennen: „Die direkte Messung des Qubits ist keine Option, da dies die darin gespeicherte Quanteninformation zerstören würde“, erklärt Philipp Schindler von der Universität Innsbruck. „Wir konnten dieses Problem überwinden, indem wir eine Technik entwickelten, bei der wir mit einem zusätzlichen Ion prüfen, ob das fragliche Qubit noch vorhanden ist oder nicht, ohne es aber zu stören“, erläutert Martin Ringbauer.

Die zweite Herausforderung bestand darin, den Rest der Berechnung in Echtzeit anzupassen, falls tatsächlich ein Qubit verloren geht. Diese Anpassung ist entscheidend, um die Quanteninformation nach einem Verlust zu entschlüsseln und die verbleibenden Qubits zu schützen. Thomas Monz, Senior Scientist im Innsbrucker Team, betont, dass „die in dieser Arbeit entwickelten Bausteine auch auf andere Quantencomputerarchitekturen und andere führende Protokolle zur Quantenfehlerkorrektur anwendbar sind“. Alternative Ansätze für Quantencomputer, in denen beispielsweise festkörperbasierte Qubits durch supraleitende Schaltkreise oder Quantenpunkte realisiert werden, werden schwerpunktmäßig in Aachen und Jülich sowohl theoretisch wie auch experimentell verfolgt.

Die Forschungen wurden unter anderem von der Europäischen Union unter dem Quantentechnologie-Flagship-Projekt AQTION (https://www.aqtion.eu) finanziert.


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