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Wirtschaft als Schulfach?

Eins ist bei der Jahresanfangsveranstaltung der Vereinigten Industrieverbände von Düren, Jülich, Euskirchen & Umgebung (VIV) noch einmal besonders klar geworden: Die Corona-Pandemie stellt die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen. Das trifft auf Wirtschaft und Industrie gleichermaßen zu wie auf Kinder und Jugendliche.

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Hans-Helmuth Schmidt, Vorsitzender der Vereinigten Industrieverbände (links) und Dr. Bodo Müller bei der Jahresanfangsveranstaltung auf Burg Obbendorf. Foto: Sandra Kinkel/VIV
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Verantwortliche aus Wirtschaft, Politik, Schule und Ausbildung waren zu der Veranstaltung auf Burg Obbendorf im Niederzierer Ortsteil Hambach gekommen. „Auszubildende in der Corona-Pandemie“ war der Vortrag von Dr. Bodo Müller, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Chefarzt und Ärztlicher Leiter des St.-Marienhospitals in Birkesdorf, überschrieben. Traditionell beschäftigen sich die VIV in ihrer Veranstaltung zum Jahresbeginn mit aktuellen bildungspolitischen Themen.

Bevor Dr. Müller mit seinem Vortrag begann, machte VIV-Vorsitzender Hans-Helmuth Schmidt deutlich, dass es längst nicht nur die weltweite Pandemie ist, die der Wirtschaft Sorgen bereitet. Steigende Industrie- und Gaspreise, immer neue politische Vorgaben in Bezug auf CO2-Emmissionen gepaart mit einer deutlichen Entwertung des Geldes und einem Stillstand des Wirtschaftswachstums waren dabei nur einige Punkte, die Schmidt anführte. Wichtig war dem Wirtschafts-Experten darüber hinaus, dass es gerade in der Strukturwandelregion Rheinisches Revier, zu dem auch das Verbandsgebiet der VIV zu großen Teilen gehört, darauf ankommt, bestehende Industriestrukturen zu schützen und für die Zukunft zu sichern. „Ein Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, also acht Jahre früher als zunächst geplant“, betonte Schmidt, „bedeutet einen beschleunigten Arbeitsplatzabbau. Das müssen wir uns bewusst machen.“ Dem gegenüber stünden zwar 15 Milliarden Euro Fördermittel, die über die Zukunftsregion Rheinisches Revier vergeben werden sollen. Schmidt: „Leider läuft diese Vergabe aber mehr als schleppend. Es gibt 124 Projekte, von denen bisher keines bewilligt ist. So kann Strukturwandel nicht funktionieren.“ Gleichzeitig machten Pläne von Stadt und Kreis Düren, den Flächennutzungsplan beziehungsweise den Landschaftsplan neu aufzustellen, vielen Unternehmern Sorge. An verschiedenen Stellen, erklärt Schmidt, sähen beide Pläne vor, Landschaftsschutzgebiete, aber auch Wohnbebauung in unmittelbarer Nähre zu bestehenden Industriebetrieben zuzulassen. „Wenn das Realität wird, bedeutet das eine Schwächung des Industriestandortes Düren“, brachte Hans-Helmuth Schmidt es auf den Punkt. Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in NRW ergänzte der VIV-Vorsitzende, dass der Austausch zwischen Landespolitik und Wirtschaft in der laufenden Legislaturperiode so gut wie lange nicht sei. Schmidt: „Wichtig ist zudem die Einführung des neu konzipierten Schulfachs Wirtschaft für alle Schulformen. Ökonomische Bildung muss unbedingt in der Schule beginnen.“

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Natürlich ist auch der Fachkräftemangel ein großes Problem der Wirtschaft, das durch die Folgen der Corona-Pandemie noch einmal verschärft werden könnte. Dr. Bodo Müller erklärte, dass mehr als 70 Prozent aller Kinder und Jugendlichen die Pandemie als sehr belastet empfunden hätten. „Das ist das Ergebnis von Studien“, so der Mediziner. „Angst, Depressionen und eine geminderte Lebensqualität sind Folgen von Corona.“ Junge Auszubildende hätten angegeben, Homeschooling und Homeoffice vor allem in der Prüfungsvorbereitung als sehr belastend empfunden zu haben. Müller: „Forscher des Mainzer Instituts für sozialpädagogische Forschung haben herausgefunden, dass mehr als ein Drittel der Azubis Angst haben, ihre Abschlussprüfung nicht zu bestehen.“ Trotzdem machte Müller auch Mut. Jede Krise, erklärte der Chefarzt, sei gleichzeitig auch Chance. Müller: „Vielleicht kann diese Krise als stärkende Lebenserfahrung für eine Zukunft betrachtet werden, die immer mehr Flexibilität verlangt.“ Ausbildern gab Müller mit auf den Weg, persönliche Kontakte zu den Azubis zu pflegen, Motivation der jungen Menschen zu stärken und sozial benachteiligte Jugendliche besonders im Blick zu halten. Darüber hinaus sei es mindestens genauso wichtig, so genannte Softskills wie Fairness, Respekt, Verlässlichkeit, Gelassenheit und Geduld sowie soziale Kompetenzen, Teamfähigkeit und Empathie zu fördern. Müller: „Ausbildung sollte eigentlich in jedem Betrieb Chefsache sein.“

Bildunterschriften:
Hans-Helmuth Schmidt, Vorsitzender der Vereinigten Industrieverbände (links) und Dr. Bodo Müller bei der Jahresanfangsveranstaltung auf Burg Obbendorf. Foto: Sandra Kinkel/VIV
Hans-Helmuth Schmidt betonte in seinem Vortrag die ständig wachsenden Herausforderungen für die Industrie. Foto: Sandra Kinkel/VIV


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