Start Stadtteile Jülich Präventives Schauspiel: „Trickbetrug“ im Kulturbahnhof

Präventives Schauspiel: „Trickbetrug“ im Kulturbahnhof

Eine durchaus ungewöhnliche Kooperation: Die Polizei lässt sich in Jülich von einer Senioren-Schauspiel-Gruppe unterstützen. So kann sehr anschaulich Aufklärung gelingen.

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Zwei "Trickbetrügerinnen" nehmen gerade ein Opfer ins Visier. Foto: Ariane Schenk
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Zwei Menschen sind am Telefon und stimmen sich ab, während ein nichtsahnendes Opfer gerade damit aus dem Tagesablauf gebracht wird, dass es von der scheinbaren Polizeidienststelle auf angebliche Diebstähle aufmerksam gemacht wird. Zur Sicherheit sollen Wertgegenstände der Polizei übergeben werden.

Vorfälle wie dieser, den der Schauspielkurs für Senioren der Musikschule Jülich in Zusammenarbeit mit der Schauspielschule Aachen eindrücklich veranschaulicht, sind keine Seltenheit. Im Jahr 2021 waren es 18 Millionen Euro, die alleine in Nordrhein-Westfalen erbeutet wurden, zeigt Markus Gerhold von der Kriminalpolizei Düren / Jülich, Bereich Kriminalprävention und Opferschutz, eindrücklich auf. Und dabei würde das Geld nicht einmal von der Versicherung erstattet und im Freundes- und Verwandtenkreis bekäme man mehr Häme als Mitleid – die Dunkelziffer sei daher hoch. Zudem säßen Telefonbetrüger vornehmlich im Ausland, eine weitere Erschwerung für die polizeilichen Ermittlungen.

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Die annähernd vollständig gefüllte Haupthalle des Jülicher Kulturbahnhofs und die vielen Wortmeldungen mit Fragen und eigenen Erfahrungen zum Schluss der Veranstaltung zeigte das Interesse des Publikums für das Thema „Trickbetrug“. Fast jeder Mensch hat wenigstens einmal einen Anruf erhalten, mit dem in irgendeiner Art und Weise Geld erbeutet werden sollte. Die Daten, wie der Polizist erklärt, kommen entweder aus irgendwann einmal hinterlassenen Sätzen, etwa bei Reisen oder Gewinnspielen, oder würden aus dem so genannten Darknet gekauft. Die Absurdität der Situation, wie man sie nur von Außen oder als Trickbetrüger selbst wahrnehmen kann, zeigte sich etwa im Lachen des Publikums, als der gerade Bestohlene den angeblichen Anschlussprüferinnen noch Kaffee anbietet oder die Prüferin, die ihn ablenkte, ihre Partnerin, die währenddessen Wertgegenstände stahl, fragte, ob sie alles dabeihabe. Als Opfer in der Situation bekommt man von diesen Verknüpfungen nichts mit.

Angeblich wollen sie die Anschlüsse prüfen, eigentlich stehlen sie Wertsachen: Der Schauspielkurs für Senioren hatte auch eine persönliche Begegnung im Repertoire. Foto: Ariane Schenk

Wahrscheinlichkeiten, die Nähe vortäuschen: Verbrecher nähmen etwa anhand von Vornamen Alter und potenzielle Gebrechen an, mit denen sie so täten, als ob sie mehr Details über das Opfer und nahestehende Menschen wüssten. Ab einem gewissen Alter wird etwa von Gehbehinderungen des Ehepartners gesprochen, weiß auch eine Zuschauerin von einer persönlichen Erfahrung zu berichten. Bei einer Zahl von 81.000 Telefonaten in einem halben Jahr von einem einzigen Callcenter-Telefon aus, wie das Ergebnis einer Polizeiüberwachung zeigt, ist die Chance auf einen Treffer recht hoch.

Auf der Veranstaltung des Seniorenbeirats wurden gleich drei Szenarien bildlich veranschaulicht, mit denen Trickbetrüger gerade ältere Menschen ihrer Ersparnisse oder Wertgegenstände berauben – sowohl persönlich, als auch mithilfe des Telefons. Eines bleibt dabei gleich: Der Alltag wird gestört, das Opfer abgelenkt und in der Situation oder im Telefongespräch gehalten, sodass keine Zeit zum Hinterfragen bleibt. Dabei wird sehr raffiniert vorgegangen: Man stellt sich mit gefälschten Ausweisen und Papieren vor, redet ein, man habe bestimmt schon von einer angeblichen Situation gehört und nutzt für das Verbrechen Partner, damit Seriosität und Legitimität vorgetäuscht werden können. „Es kann jeden treffen“, betont Gerhold mehrfach. Auch Namen echter Angestellter bei der Polizei würden verwendet, um das Opfer in Sicherheit zu wiegen – sein Name sei auch schon aufgetaucht, man sei bestimmt bei ihm auf einer Veranstaltung gewesen.

René Blanche, Leiter des Schauspielkurses, fügt die Sicht als Regisseur hinzu: Wenn man inszeniere frage man sich die ganze Zeit, wie es weitergehen könne oder wann die Szene zu Ende wäre. Für diese Fälle hieße das: „Sie kann im Grunde, so habe ich das zumindest wahrgenommen, immer nur dann weitergehen, wenn irgendwelche Informationen preisgegeben werden.“ Persönliche Informationen oder etwa Namen von Verwandten, so bestätigt auch Gerhold, seien wichtig für die Betrüger und etwas, worauf sie sich gezielt und sofort bezögen.

Welche Möglichkeiten gibt es also, um sich zu schützen? Nach Dienstausweisen zu fragen ist nicht sonderlich hilfreich, weiß der Kriminalpolizist. Diese seien häufig nicht fälschungssicher, zumal die meisten Menschen nicht wüssten, wie ein originaler Ausweis aussieht. Wenn Menschen persönlich vor dem Haus stünden, die man nicht erkenne, solle man sie auf keinen Fall ins Haus lassen. Der erste Schritt sei, beim jeweiligen Unternehmen oder Arbeitgeber der vorgeblichen Dienstleister vor der Haustüre anzurufen. Polizisten müssten etwa jeden Einsatz bei der Leitstelle 110 anmelden, hier seien entsprechend auch die Namen der Anwesenden zu erfahren. „Jeder Mensch mit berechtigtem Interesse hat dafür Verständnis“, heißt es von Gerhold.

Markus Gerhold von der Kriminalpolizei Düren / Jülich klärte über die Realität auf und antwortete auf Fragen zum Verhalten bei Betrugsfällen. Foto: Ariane Schenk

Auch die Telefonnummer auf dem Telefon- oder Handydisplay sei mittlerweile leicht am Computer zu fälschen und zeige nicht unbedingt die tatsächliche Telefonnummer des Anrufers an. Dazu der Hinweis: Die Polizei rufe immer unterdrückt an. Eine Möglichkeit sei es, alles über den Anrufbeantworter laufen zu lassen, sodass man jeden Anruf zurückrufen muss. Wolle man dies nicht, so sei es wichtig, erst einmal aufzulegen und sich zu sammeln oder von sich aus die echte Nummer, etwa der Polizei, zurückzurufen. Die Täter könnten vortäuschen, aufgelegt und wiedergewählt zu haben, darum müsse man selbst den roten Hörer drücken und erneut wählen. Erst Recht bei sogenannten „Schockanrufen“, bei denen behauptet wird, dass ein Familienmitglied in einen Unfall verwickelt sei, sei dies relevant: In einem Fall sei etwa fünf Stunden lang mit einem Opfer telefoniert worden, bis es zur Geldübergabe kam. Keine Sekunde Ruhe zum Nachdenken habe es gegeben. Hier sollte das echte Familienmitglied angerufen werden.

Ebenfalls hochaktuell: Eine SMS, bei der das angebliche Kind schreibt, dass es eine neue Handynummer habe und man sie nun abspeichern könne. Psychologisch ist das für die Täter deswegen interessant, weil das Gehirn nun jede Folgenachricht als Nachricht des Kindes oder Enkels wahrnehme und man darum diese Situation auch im Folgenden nicht hinterfrage. Diese Nachrichten sollten ignoriert und erst bei der alten Nummer oder dem Kind selbst nachgefragt werden, lautet der Tipp.

Nach den weitreichenden Informationen und Veranschaulichungen blieb dem stellvertretenden Vorsitzenden des Seniorenbeirats Hermann Uhlenbruck nur noch zusammenfassend zu sagen: „Ich hoffe, Sie nehmen davon einiges mit nach Hause und geben das auch weiter, dass möglichst viele diese Gedanken verinnerlichen und vielleicht demnächst anders reagieren und davor geschützt sind. Kommen Sie gut nach Hause und lassen Sie keinen in Ihr Haus.“


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