Start Magazin Geschichte/n Von politischen und religiösen Machtansprüchen

Von politischen und religiösen Machtansprüchen

Die zwanzigjährige französische Herrschaft über die linksrheinischen Gebiete von 1794 bis 1814 ist bis heute in der Erinnerung der Menschen präsent. Aber an die rund hundertjährige Anwesenheit spanischer Truppen und die Folgen der spanischen Herrschafts- und Konfessionskonflikte am Niederrhein in der Zeit von 1560 bis 1660 erinnert man sich kaum noch. Ein Ausstellungsprojekt des Museums Zitadelle Jülich zu den Spaniern am Niederrhein vorgestellt von Guido von Büren und Nils Loscheider.

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Ausgangspunkt für die lang andauernden militärischen und konfessionellen Verwicklungen der niederrheinischen Gebiete mit dem spanischen Weltreich war der Spanisch-Niederländische Krieg, in dem sich die nördlichen Niederlande die Unabhängigkeit von der spanischen Herrschaft erkämpften. Kaiser Karl V. hatte das Gebiet der Burgundischen Niederlande 1549 in die Hände seines Sohnes Philipp II., König von Spanien, gegeben. Die sieben protestantisch geprägten nördlichen Provinzen, die weitgehend das Gebiet der heutigen Niederlande umfassen, stellten sich seit der Mitte der 1560er Jahre gegen den katholischen Herrscher mit seinem umfassenden Machtanspruch. Die Auseinandersetzungen zogen sich über achtzig Jahre lang hin.

Der Konflikt mit seinen politischen und religiösen Machtansprüchen bezog auch den Niederrhein mit ein. Die niederländischen Rebellen- und spanischen Heerführer suchten hier Unterstützer und setzten ihre Truppen im eigenen Interesse für diese Kriege ein. Denn wer die Burgen am Rhein und die großen repräsentativen Festungswerke der modernen Renaissance-Baukunst, allen voran die Zitadelle Jülich, kontrollierte, bestimmte den Verlauf des Krieges und die Geschicke am Niederrhein. Eine zentrale Rolle nahm dabei die Festung Jülich ein, die einen wichtigen strategischen Punkt an der sogenannten Spanischen Straße bildete, über die die Spanier von Oberitalien ausgehend auf dem Landweg ihre niederländischen Besitzungen mit Nachschub versorgten.

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1610 war Jülich in einer spektakulären Belagerung im Rahmen des jülich-klevischen Erbfolgestreites in die Hände der niederländischen Generalstaaten gefallen. Im September 1621 – also vor nunmehr 400 Jahren – zog deshalb ein spanisches Heer vor die Tore der Festungsstadt Jülich. Nahezu ein halbes Jahr hielt die niederländische Garnison Jülich der Belagerung stand, obgleich es bitterkalt war und es mehr und mehr an Nahrungsmitteln mangelte. Schließlich musste Anfang Februar 1622 der niederländische Festungskommandant auf- und die Festung in die Hände des spanischen Heerführers Ambrosio Spinola übergeben. Damit begann für die Stadt eine lange Zeit der spanischen Besatzung, die erst 1660 enden sollte. Eine eindrucksvolle Bildquelle der Belagerung von 1621 / 1622 ist das entsprechende Gemälde des flämischen Künstlers Pieter Snayers, der die Ereignisse um Jülich einige Jahre später bildgewaltig in Szene setzte.

Foto: LVR-Niederrheinmuseum Wese

Die Verbindungen des Niederrheins zum spanischen Weltreich gingen aber über rein militärische Aspekte hinaus: So gab es eine langjährige Auseinandersetzung zwischen dem spanischen König Philipp II. und der Gladbacher Abtei. Diese besitzt bis heute ein Stück des Schädelknochens des heiligen Laurentius. Philipp II. sammelte Zeugnisse christlicher Märtyrer und wollte auch die Gladbacher Reliquie in seinen Besitz bringen. Er schaltete schließlich sogar den Papst ein, um den Abt zur Herausgabe zu zwingen. Aber er unterlag in diesem Konflikt ebenso wie das spanische Weltreich im Krieg gegen die niederländischen Provinzen, die 1581 mit der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen ihre Unabhängigkeit erklärten und diese schließlich 1648 auch durchsetzen konnten.

Anlässlich des 400-jährigen Jubiläums der Belagerung Jülichs durch die Spanier im Winter 1621 / 1622 veranstaltet das Museum Zitadelle Jülich gemeinsam mit dem Städtischen Museum Schloss Rheydt Mönchengladbach und dem LVR-Niederrheinmuseum Wesel die Ausstellung „Weltreich und Provinz – Die Spanier am Niederrhein 1560-1660“. Anhand ausgesuchter Objekte und Bilder werden die verschiedenen Facetten des spannenden spanischen Jahrhunderts am Niederrhein dargestellt. Die Zeit war von Kriegen, Gräueltaten und Not, aber auch von kulturellem Austausch, Handel und Hochkultur geprägt.

Die Ausstellung ist ab 26. September bis 6. März 2022 in Mönchengladbach zu sehen.
Es erscheint ein 64-seitiges Magazin zur Ausstellung, das im dortigen Museumsshop zum Preis von 5,- Euro erworben werden kann. Das Museum Zitadelle Jülich zeigt die Ausstellung in veränderter Form vom 15. Mai bis 30. Oktober 2022. Zu diesem Anlass wird auch der wissenschaftliche Ausstellungskatalog mit zahlreichen Aufsätzen und einem detaillierten Objektkatalog erscheinen. Die Präsentation im LVR-Niederrheinmuseum Wesel ist für das Frühjahr 2023 geplant.

Am 4. Oktober veranstaltet die Spanische Botschaft Berlin in Zusammenarbeit mit dem Museum Zitadelle Jülich in der Schlosskapelle der Zitadelle Jülich um 19 Uhr anlässlich des Ausstellungsprojektes ein Konzert mit dem renommierten spanischen Gambisten Fahmi Alqhai. Musik des 17. Jahrhunderts wird das spanische Jahrhundert zum Klingen bringen.

Die Volkshochschule Jülicher Land bietet am 6. und 20. September, Beginn jeweils 19 Uhr, einen zweiteiligen Vortragsabend mit Guido von Büren an, der ausführlich die historischen Hintergründe der Belagerung der Festung Jülich 1621 / 1622 und die Zeit der spanischen Besatzung bis 1660 vorstellen wird.

Erläuterungen zum Bild sind in Folge 7 der Reihe „Der HERZOG im Museum“ zu sehen.


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