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Wenn es eng wird in der Kita

Auch wenn in vielen Jülicher Kitas aktuell der Fachkräftemangel eingedämmt zu sein scheint, gelöst ist das Problem noch lange nicht. Der HERZOG hst einen Blick hinter die Kita-Türen gewofen.

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Foto: pixabay_EME
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„Die Sozial- und Erziehungsberufe und damit die Kitas sind in besonderem Maße vom Fachkräftemangel betroffen“, konstatiert die nordrhein-westfälische Landesregierung in einer Erklärung zur Einführung eines neuen Modells zur Personalgewinnung.

Bemerkbar macht sich der Mangel im Alltag unterschiedlich, Stichworte sind hier: Notbetreuung, Zusammenlegung von Gruppen, verkürzte Öffnungszeiten.
Und wie sieht es hinter den Kulissen aus, was bedeutet der Fachkräftemangel für das Personal und die Kinder in den Einrichtungen? Der HERZOG hat in den Jülicher Kitas und bei den Trägern nachgefragt und von vielen eine Rückmeldung erhalten.

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Ein Weg, dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, war die Einführung der praxisintegrierten Ausbildung, kurz PiA, vor rund zehn Jahren. Offenbar eine gute Idee, wie Jens Wucherpfennig, Personalreferent beim katholischen Träger Profinos, feststellt. „Wir haben die PiA-Ausbildung in unseren Einrichtungen direkt umgesetzt und sehr gute Erfahrungen damit gemacht.“ Profinos habe sich schon vor Jahren auf die Fahne geschrieben, selbst auszubilden, so gäbe es auch immer dual Studierende in den Einrichtungen des Trägers.

Insgesamt hält Wucherpfennig fest, dass sein Arbeitgeber keine Probleme mehr mit den Stellenbesetzungen hätte. Das sei in der Vergangenheit durchaus anders gewesen. „Die Krankheitszeiten der Mitarbeiterinnen aufzufangen, ist jetzt das größere Problem“, so der Personaler. Das Kinderbildungsgesetzt, kurz KiBiz, gibt die Personal-Finanzierung vor, ein Personalüberhang für einen Vertretungspool ist nicht vorgesehen.

Die Elterninitiative „Kinderinsel“ in Jülich sieht sich in der glücklichen Lage, einen eigenen kleinen „Aushilfspool“ zu haben. „Wir haben da als Träger das Glück, dass wir Springerkräfte haben“, weiß Kita-Leitung Nadja Travagliante, dass das nicht selbstverständlich ist. Aktuell sei das Team gut aufgestellt und sehr konsistent, sprich: Die meisten Mitarbeiterinnen sind seit Jahren an Bord, so dass die Einrichtung „bisher keine besonderen Maßnahmen“ zur Personalgewinnung ergreifen musste. Dennoch: Auch hier wird überlegt, wie die Mitarbeiterbindung noch verbessert werden kann, etwa durch die Einführung einer Betriebsrente. Denn auch wenn die Ausstattung gerade so gut ist, wie es die Finanzierung eben erlaubt – fallen Urlaub, Krankheit und Fortbildungen zusammen, wird es auch hier eng.

Am Wallgraben ist die Villa Kunterbunt zu Hause. Foto: Britta Sylvester

In der „Villa Kunterbunt“, ebenfalls in Trägerschaft einer Elterninitiative, sieht man sich vergleichsweise gut aufgestellt. Insgesamt sei die ausschließlich mit Fachkräften gesicherte personelle Besetzung gut, so Kita-Leiterin Kristina Dederichs. Ein großer Aber gibt es auch hier: Immer dann, wenn Urlaube, Krankheit und geforderte Fortbildungen zusammenfallen, wird es knapp. In der Folge gibt es auch in der Villa „Engpässe“, die schlimmstenfalls zu einer „Endlosschleife“ führen: Die Mitarbeitenden springen füreinander ein, bauen Überstunden auf, fühlen sich überlastet, werden krank, was wiederum zu mehr Ausfällen und mehr Belastung führt. Am Ende stünden dann gekürzte Öffnungszeiten und Tage mit Notbetreuung.

Melanie Schmitz-Claßen, Leiterin der Einrichtung SpatzenNest in Mersch-Pattern, warnt ebenfalls vor den negativen Auswirkungen einer zu knappen Personaldecke: „Der Fachkräftemangel hat eine riesige Auswirkung auf die Qualität und die Quantität der Arbeit, auf die Belastung des vorhandenen Personals und auf die Eltern. Und die Leidenden sind unsere Kinder, die nicht ausreichend betreut und gefördert werden können.“ Dem SpatzenNest ginge es personaltechnisch betrachtet gerade zwar sehr gut, aber auch hier gab es in der Vergangenheit andere Zeiten, an die sich Schmitz-Claßen nur ungern erinnert. So habe man zum Beispiel aus der Not geboren eine nicht wirklich geeignete Kraft einstellen müssen. Sonderzahlungen, um eine Bewerbung interessanter zu machen, die bei vielen größeren Trägern inzwischen üblich sind, könne der kleine Verein Spatzennest e.V. nicht leisten.

Eine Sonderrolle hat die Kinderkrippe Wolkennest an der Fachhochschule in Jülich, die vom Studierendenwerk Aachen AöR betrieben wird. Carmen Reiss-Frings als Vertreterin des Trägers kann sich über einen Mangel nicht beklagen. Zwar ist auch hier die Finanzierung der Personalkosten an die Anzahl der Kinder gekoppelt. Zusätzliches Personal wird „über das KiBiz hinaus“ vom Studierendenwerk selbst finanziert. Darüber hinaus setzt der Aachener Träger stark auf die Nachwuchsförderung und stellt gerne Praktikantinnen und PiA-Azubis ein, die dann hoffentlich auch bleiben.

Die Nachwuchsförderung sehen auch die Kreismäuse AöR, kreisweiter Träger von insgesamt 45 Kindertageseinrichtungen, als probates Mittel gegen den Fachkräftemangel. „Bedingt durch den akuten Fachkräftemangel ist es daher von großer Bedeutung, die Attraktivität der Ausbildung und des Berufsbildes der pädagogischen Fachkräfte in den Kitas modern zu gestalten und zu stärken“, heißt es seitens der Kreismäuse. Monetäre Anreize wie Jahressonderzahlungen, Abschlussprämien oder auch vergünstigte Fitnessstudio-Mitgliedschaften sollen einen Einstieg besonders attraktiv machen. Aktuell gibt es rund 90 Auszubildende in den Kreismäuse-Kitas, für das kommende Kindergartenjahr sind noch einige Stellen unbesetzt.

Der Grund für die häufig so straff gespannte Personaldecke scheint insgesamt allerdings eher weniger die mangelnde Attraktivität des Berufes zu sein. Vielmehr beklagt ein Großteil der Befragten das Finanzierungskonzept des Landes. § 33 des KiBiz regelt das sogenannte Kindpauschalenbudget. Dieses sieht vor, dass pro Kind und in Abhängigkeit der wöchentlichen Betreuungszeit eine Pauschale an die Kita gezahlt wird, die jährlich anhand der Anmeldezahlen neu berechnet wird. Das führt dazu, dass die finanziellen Mittel von Jahr zu Jahr unterschiedlich sein können.

Zusätzlich gibt es einen sogenannten Jugendamtszuschuss zur Finanzierung der Einrichtung, ein Eigenanteil ist vom Träger aufzubringen. Diese unterliegen im Vergleich zur Kindpauschale keinen jährlichen Schwankungen.

Das Thema Fachkräftemangel und hier vor allem der fehlende Nachwuchs beschäftigt auch den WDR. In einem kürzlich erschienenen Beitrag wird unter anderem darauf hingewiesen, dass viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben.

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Britta Sylvester
Klönschnacktee mit der Muttermilch aufgesogen und inzwischen beim rheinische Kölsch angekommen. Übt sich in der schreibenden Zunft seit Studententagen zwischen Tagespresse und Fachpublikationen und… wichtig: ließ das JüLicht mit leuchten.

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