Start featured 150 – 60 – 25

150 – 60 – 25

Ein Gastbeitrag von Klaus Wölfle vom Eisenbahn-Amateur-Klub Jülich zum Umzug des Bushofs vom Markt zum Walramplatz.

1148
0
TEILEN
1965: Auf dem Walramplatz mit Blick auf den Hexenturm starten ein Rheinbahn-Eineinhalbdecker und ein Auftragsbus nach Alsdorf. Foto: Sammlung Breuer / Stadtarchiv Jülich
- Anzeige -

Dass der Jülicher Bahnhof im Herbst 150 Jahre alt wird und dieses Jubiläum am 23./24. September ordentlich gefeiert wird, wissen schon alle, die den April-HERZOG aufmerksam gelesen haben. Dass aber auch der frühere Jülicher Busbahnhof auf dem Walramplatz just in diesem Frühjahr einen „runden Geburtstag“ hat, werden nur wenige wissen. Und noch unbekannter wird die Odyssee sein, die unseren Busbahnhof nach Kriegsende zuerst zum Markt, dann zum Walramplatz und vor 25 Jahren schließlich zum „Hauptbahnhof“ geführt hat. In herzoglichem Auftrag forschen wir ihr nun nach, denn wer weiß – vielleicht finden wir auch den Wochenmarkt eines Tages am Hauptbahnhof wieder…? Oder zumindest einen Supermarkt auf dem Walramplatz?

Doch der Reihe nach an. 1830, also kurz vor Beginn des Eisenbahnzeitalters in Deutschland, verfügte Jülich über bessere Verkehrsverbindungen als Düren. Verkehrsverbindungen hieß damals: halbwegs passabel ausgebaute Landstraßen und auf diesen pro Tag ein oder zwei, vielleicht auch drei Postkutschen. Jülich lag an der Hauptroute Aachen – Köln samt Abzweig nach Düsseldorf, außerdem verkehrten direkte Posten nach Geilenkirchen, Linnich und sogar auch nach Düren. Als 1841 die Eisenbahn Köln – Antwerpen über Düren und dessen transportträchtige Industrie geführt wurde, wendete sich das Blatt, und die HERZOGstadt geriet ins verkehrstechnische Abseits.

- Anzeige -

Die Eisenbahn fand erst 1873 ihren Weg nach Jülich, als der „Kuchen“ längst verteilt war. Die Post-Linien indes blieben weitgehend bestehen und wurden nach dem Ersten Weltkrieg motorisiert. In den 1930er Jahren verkehrten von Jülich aus Postbusse nach Köln, Aachen (wahlweise über Aldenhoven oder Linnich), Düren (über Niederzier, denn das war schon immer so), Erkelenz und neu auch nach Rödingen. Pro Tag und Richtung bot die Post je nach Linie zwei bis fünf Fahrten an (sonntags weniger), für uns heute unvorstellbar wenig, damals aber ein willkommener „Luxus“. Start und Ziel der meisten Postbusse war der Jülicher Bahnhof, aber auch an der Post wurde gehalten. Sie befand sich damals an der Ecke Kölnstraße/Poststraße, wo heute der „Müller“ ist.

1937: Luftbildsammlung. Foto: Stadtarchiv Jülich

Frischen Wind brachte die fortschrittliche Düsseldorfer Rheinbahn AG: Am 1. April 1937 (kein Scherz!) eröffnete sie eine direkte Buslinie bis Jülich, wo sie weder Post noch Bahnhof ansteuerte, sondern den Marktplatz. Dies war der erste Ansatz zu einem vom Schienenverkehr losgelösten Busbahnhof in unserer Stadt. Nach dem Krieg kamen neue Anbieter hinzu: Die Eisenbahn richtete einen sogenannten Bahnbus von Jülich über Linnich nach Baal ein, zunächst nur gedacht als vorübergehender „Schienenersatzverkehr“, weil die Bahnstrecke durch die Kämpfe an der „Rurfront“ stark beschädigt war und sich der Wiederaufbau bis 1950 hinzog. Doch die Bahn kam „auf den Geschmack“, erweiterte ihre Buslinie auf die Relation Düren – Jülich – Linnich – Heinsberg, richtete weitere Linien ein und ging auch daran, einzelne schwach besetzte Züge durch Busse zu ersetzen. Außerdem bildete sich 1948 eine Betreibergemeinschaft aus Rheinbahn, Reichsbahn und ASEAG, welche die Linie Düsseldorf – Jülich einige Jahre lang bis Aachen (!) verlängerte.

1951 trat ein weiterer Anbieter auf den Plan: Die DB-Tochter „Deutsche Touring“ begann damit, ein europäisches Fernbusnetz aufzubauen. Eine ihrer ersten Linien führte – wen wundert’s? – über Jülich. Es handelte sich um die Strecke Frankfurt – Brüssel, 1953 bis Oostende verlängert, wo Anschluss an die Nachtfähre nach England bestand. Bis Herbst 1970 hielt somit jeden Sommer mehrmals pro Woche ein internationaler Fernbus in unserer Stadt.

Der Busverkehr wurde in der Nachkriegszeit also immer unübersichtlicher, zumal die Post dazu überging, ihre Busse nicht mehr bis zum Bahnhof zu führen. Zwar hatten sich 1949 alle Anbieter geeinigt, ihre Busse (auch) am Markt halten zu lassen, aber das klappte offensichtlich nicht lange. Schon bald hielten die Postbusse statt am Markt direkt an der Post. Denn ab Herbst 1950 entstand der Nachkriegs-Neubau der Hauptpost; er erhielt einen geräumigen überdachten, aber zur Kölnstraße hin offenen Eingangsbereich mit zwei breiten „Torbögen“, der als Wartebereich für Postbus-Benutzer gedacht war. Der Stadt war es allerdings überhaupt nicht lieb, dass der Pkw-Verkehr auf ihrer Haupteinkaufsstraße (es gab ja noch keine Fußgängerzone) durch haltende Postbusse beeinträchtigt wurde.

Nach intensiven Abstimmungsrunden, deren Protokolle heute im Stadtarchiv zu finden sind, fand die Stadt gemeinsam mit allen Busgesellschaften eine Lösung: Der Marktplatz sollte „die“ zentrale Haltestelle werden. Damit es diesmal auch wirklich klappte, baute man zwei „richtige“ Bussteige im westlichen Bereich des Platzes, man verlegte die jährliche Kirmes auf den (damals noch leeren) Walramplatz, und man verpflichtete die Busgesellschaften, den Markt nicht mehr mit pausierenden Bussen „zuzuparken“, sondern diese stets auf dem Walramplatz abzustellen. Um den Jahreswechsel 1952/53 herum, also vor nunmehr 70 Jahren, ging der neue „Omnibusbahnhof“ auf dem Marktplatz in Betrieb, und die Stadt errichtete dort eine zentrale Leuchtsäule mit einem Gesamtfahrplan und Sparkassen-Werbung.

1960er-1967: Bahnhof Jülich, Postkarte

Was damals noch niemand ahnte, war der Beschluss der Landesregierung von 1957, die geplante nordrhein-westfälische Kernforschungsanlage ausgerechnet in Jülich zu errichten. Wie wir alle wissen, bescherte dies der Stadt einen gewaltigen Entwicklungsschub – und dem innerstädtischen Straßenverkehr ebenfalls. Hinzu kam, dass der Bahnbus sich wesentlich stärker entwickelte, als es die Gutachter 1952 vorausgesagt hatten. So wurde es also doch wieder ziemlich eng auf dem Markt und vor allem auch auf den Straßen um ihn herum. 1960/61 wurden die ersten Gebäude der KFA fertig, und passend dazu verkehrte am 4. April 1960 der erste Zubringerbus der Bundesbahn vom Jülicher Markt zum KFA-Gelände, das damals noch eine riesige Baustelle war. Der Bus war nur für KFA-Angestellte zugelassen, und deren Zahl wuchs von Monat zu Monat. Schon bald reichte ein Bus nicht mehr aus, und für diejenigen KFA-Mitarbeiter, die in den Anfangsjahren übergangsweise in Aachen oder Düsseldorf untergebracht waren, richtete man ebenfalls Zubringerbusse ein. Es war offensichtlich, dass der Busbahnhof am Markt nicht mehr lange zu halten sein würde.

Die Stadt handelte. 1960 beauftragte sie einen Kölner Verkehrsexperten, zu untersuchen, wo man einen zukunftssicheren Standort für den Busbahnhof finden könnte. In Diskussion waren neben dem Walramplatz auch eine Brachfläche vor der Zitadelle (wo später das heutige Parkhaus entstand) sowie der DB-Bahnhof. Der Zitadellen-Standort hätte den Nachteil gehabt, dass die Busse sich weiterhin durch verstopfte Innenstadtstraßen quälen müssten, am Bahnhof hingegen wäre nicht sehr viel Platz gewesen (damals hatte der Bahnhof noch sehr viele Gleise und war breiter als heute), außerdem ist der Bahnhof ja weiter von der City entfernt als der Walramplatz. Tatsächlich empfahl der Gutachter 1961 den Walramplatz. Die Kirmes war passenderweise gerade von dort weg zum Brückenkopfgelände jenseits der Rur verlegt worden, und die damalige B 1 (Große Rurstraße) wurde in jenen Jahren zur vierspurigen Haupt-Durchgangsstraße der Stadt mit „Grüner Welle“ ausgebaut. (Ost- und Westring entstanden erst ab den 1980ern.) Staus befürchtete man dort folglich keine. Somit lag der Walramplatz günstig für Busse in alle Richtungen und bot genügend Platz für neun (!) Bussteige. Lediglich eine Verknüpfung mit dem Schienenverkehr war dort nicht möglich, aber das kümmerte in den 1960ern niemanden.

Vor 60 Jahren, am Ostersonntag, dem 14. April 1963, ging dieses Wunderwerk neuester Verkehrsplanung in Betrieb. Ein Jahr später war dann auch das „Betriebsgebäude“ fertig, welches u.a. über einen Warteraum, einen Kiosk, einen Pausenraum für die Fahrer, ein WC und eine Telefonzelle verfügte. Mit Rücksicht auf den benachbarten Hexenturm war es bewusst niedrig und „zurückhaltend“ gestaltet, Bauamtsleiter Karsch persönlich hatte die Pläne ausgearbeitet. Noch heute können wir das kleine polygonale Bauwerk bewundern, wenn auch nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion und wahrscheinlich auch nicht mehr allzu lange.

Immerhin 35 Jahre erfüllte der Busbahnhof am Walramplatz seine Aufgabe. Der Bahnbus-Verkehr wuchs immer weiter an, und auch der KFA-Zubringerdienst florierte. In den 1960ern rollte jeden Tag über ein Dutzend Busse vom Walramplatz über vier verschiedene Routen zur KFA, meist waren es KFA-eigene Busse, die im typischen Farbdesign mit zwei verschiedenen Blautönen lackiert waren und ein elegantes Bild abgaben. (Falls jemand Fotos davon hat, kontaktiere er bitte den Autor!) Hinzu kamen mehrere Jahrzehnte lang etwa 20 weitere Busse, die im Auftrag der Bundesbahn KFA-Mitarbeiter aus der gesamten Region morgens zur Arbeit und abends wieder nach Hause brachten. Mitte der 1960er fuhren pro Tag 1700 Menschen per Bus zur KFA, was bedeutet, dass dem innerstädtischen Berufsverkehr ungefähr 1000 Privatwagen erspart blieben. Leider nicht auf Dauer. Doch aus diesem bis mindestens 1992 bestehenden Werksbusnetz ging letztendlich die heutige öffentlich nutzbare Buslinie von Aachen über Jülich zum Forschungszentrum hervor, und aus dieser wiederum der vor gut einem Jahr eingeführte stündliche Schnellbus Jülich – Aachen über die A 44.

Das Ende des Busbahnhofs Walramplatz kam mit der Neuausrichtung des Nahverkehrs im Kreis Düren. 1993 übernahm die Dürener Kreisbahn den Betrieb der Bahnlinie Düren-Jülich, führte erstmals in der Jülicher Eisenbahngeschichte einen Stundentakt ein, und fast alle Jülicher Buslinien wurden auf diesen neuen Takt ausgerichtet. Damit entstand am Bahnhof ein echter Verknüpfungspunkt zwischen Schiene und Straße, und gerade rechtzeitig zur Landesgartenschau 1998 wurde der neue Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) direkt neben den Gleisen fertig.

Der Walramplatz verlor damit seine Funktion als Umsteigepunkt, der westliche Teil des Busbahnhofs wurde zu Parkplätzen umgebaut, später auch der Rest. Dennoch kann man im östlichen Teil bis heute die Umrisse der früheren Bussteige erkennen – auch wenn diese schon lange nicht mehr über den Asphalt hinausragen. Herausragend ist hingegen die Entwicklung, die der öffentliche Nahverkehr seit 1993 genommen hat. Während die Bundesbahn mit ihren 10 Zugfahrten pro Tag und Richtung nur wenige Passagiere anzulocken vermochte, haben sich die Fahrgastzahlen der Rurtalbahn während der letzten 30 Jahre durch den immer dichteren Takt in vorher nie geahnte Höhen gesteigert. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht, wenn dereinst die Lücke zwischen Linnich und Baal geschlossen wird und man endlich wieder auf direktem Schienenwege nach Norden und bis nach Düsseldorf kommt.


§ 1 Der Kommentar entspricht im Printprodukt dem Leserbrief. Erwartet wird, dass die Schreiber von Kommentaren diese mit ihren Klarnamen unterzeichnen.
§ 2 Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.
§ 3 Eine Veröffentlichung wird verweigert, wenn der Schreiber nicht zu identifizieren ist und sich aus der Veröffentlichung des Kommentares aus den §§< 824 BGB (Kreditgefährdung) und 186 StGB (üble Nachrede) ergibt.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here