Start featured Auf den Spuren der „Villa Modesta“

Auf den Spuren der „Villa Modesta“

Doris Flesch und Peter Baum haben im Stadtarchiv Jülich zur Villa "An der Rurpforte 1" recherchiert. Ihre Erkenntnisse haben sie in diesem Beitrag zusammengetragen.

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Standort der Villa Modesta. Foto: Stadtarchiv
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Am 17. Februar 1967 erschien in der Jülicher Volkszeitung ein Artikel über die „Villa Modesta“. Der Heimatforscher Peter Baum fand diesen Artikel im Rahmen seiner Recherchen im Stadtarchiv Jülich. Der Satz „den alten Jülichern besser bekannt als ‚Villa Modesta‘“ fiel ihm auf. Herrn Baum war die Villa unbekannt, und als er mich, die Archivmitarbeiterin Doris Flesch, danach fragte, musste ich auch passen. Unsere Recherchen begannen klein: Wir suchten den Namen in der Archivdatenbank und Bibliothek, und als das ergebnislos blieb, machten wir es uns noch einfacher und fragten „alte Jülicher“ – andere Heimatforscher, wissenschaftliche Nutzer, Mitglieder des Geschichtsvereins. Doch der Satz „den alten Jülichern besser bekannt als ‚Villa Modesta‘“ stellte sich heute, knapp 60 Jahre nach dem Erscheinen des Zeitungsartikels, als Irrtum dar – die Villa war keinem bekannt.

Nun war unsere Neugier geweckt. Wir begannen tiefere Recherche nach dem unbekannten Haus. Der Artikel gab mehr preis: Die letzten Bewohner hießen Tentler. Die Villa wurde 1967 für die Realschule, in der sich heute unter anderem das Stadtarchiv befindet, abgerissen. Andere Bewohner waren die Familien Briel, Spölgen und Schraewer. Ein Wirt Valter besaß das Haus ebenfalls. Wir forschten anhand der Namen in Meldeunterlagen und Personenstandsurkunden und stellten fest, dass die Familien Spölgen, Tentler, Briel und Schraewer miteinander verwandt waren. Zudem ergaben unsere Nachforschungen, dass es in allen Besitzerfamilien Bäckermeister gab. Über die Namen fanden wir in der Archivdatenbank alte Bauakten von 1902 und 1934. Darin: Grundrisse und Ansichten. Die Villa war ein kleines Haus mit nur einem großen Raum. Sie hatte einen Stall und ein halbrundes Dach. Zudem konnten wir auf einem Luftbild von 1960 das Haus identifizieren. Mit eben jenem charakteristischen Dach.

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Wann und wie die „Villa Modesta“ in den Besitz der Familie Valter gekommen ist, konnten wir nicht ermitteln. Jedoch fanden wir „unser Haus“ auf einem Plan aus dem Jahr 1870 mit dem Hinweis, dass es dem Fiskus gehört haben muss. Die Lage lässt auf ein Zollhaus schließen. Mit Schleifung der Festung Jülich 1860 wurde es an dieser Stelle überflüssig und wohl deshalb in Privatbesitz verkauft. Belastbare Unterlagen dazu konnten wir nicht ermitteln. Generell ist im 19. Jahrhundert zu dem Haus wenig belegt. Wir vermuten, dass es zwischen 1770 und 1860 als Zollhaus genutzt wurde. Es gab einen Vertrag zwischen der Stadt Jülich und Postsekretär Wiertz aus dem Jahr 1770, in dem der Zoll geregelt wurde. Warum ein Postsekretär? Das Fürstliche Archiv von Thurn und Taxis konnte uns eine Akte zum Jülicher Postwesen zur Verfügung stellen. In dieser wird der Bau einer Poststation vor der Roerpforten– das ist heute am Aachener Tor – thematisiert. Welche Balken, welche Steine, welches Wappen… Und als Krönung eine verblasste Skizze des Daches – halbrund mit deutlichen Parallelen zu „unserem Haus“ auf dem Luftbild und den Skizzen der Bauakten. Gebaut wurde das Haus 1724 von Postmeister Lemmen. Es wurde vor der Stadtmauer angelegt, damit die Post auch bei geschlossenen Stadttoren geliefert werden konnte. Es hatte vier Zimmer und einen kleinen Wartesaal. Tatsächlich muss die „Villa Modesta“ schon Vorgänger an dieser Stelle gehabt haben. Als wir nach Poststationen suchten, fanden wir einen Artikel darüber, dass vor der
Roerpforte ein Posthaus errichtet wurde, nachdem das alte 1709 abgebrannt ist. Leider blieb es bei diesem vagen Hinweis.

Was bleibt noch? Wir haben Pläne, Akten, Bilder und Bewohner der „Villa Modesta“ gefunden. Wir fanden sogar eine Zeitzeugin, die von dem Haus erzählte, es aber nur aus Kindheitstagen kannte. Es war Posthaus, Zollhaus, Notunterkunft und das Zuhause von Familien – ein Zeuge von mehr als 300 Jahren Jülicher Stadtgeschichte. Einige Fragen sind noch offen. Die größte für uns beide ist wohl: Wer kennt sie, die „Villa Modesta“? Woher der Name „Villa Modesta“ stammt, wird für uns ein Geheimnis bleiben.

PS: Kannten Sie eigentlich das Grand Cafe Belle Vue auf der Römerstraße?

Originalartikel. Foto: Stadtarchiv Jülich


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