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Christina Krause

Ein hölzernes Schiff hat Christina Krause mitgebracht. „Weil ich die Ratsuchenden gerne mitnehme, mit einpacke auf mein Boot auch auf stürmischer See. Wenn wir Glück haben, wird die See ruhiger, und wir können in einen ruhigen Hafen fahren. Ansonsten sind wir beide sicher auf dem Boot, selbst wenn es stürmisch ist. Das ist das, was ich im Moment mache. Das fand ich irgendwie passend.“

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Christina Krause. Foto: la mechky +
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Beim Kirchenkreis Jülich, dessen Verwaltung am Propst-Bechte-Platz angesiedelt ist, hat sie die Stelle von Claudia Ritter übernommen und ist zu 50 Prozent in der Schuldnerberatung und zu 50 Prozent in der allgemeinen sozialen Beratung eingesetzt. „Das ist neu dazugekommen. In diesem Bereich habe ich vorher noch gar nicht gearbeitet“, meint sie und lacht. Allerdings greife in den beiden Bereichen vieles ineinander. „Aber davon losgelöst, ob da Schulden sind oder nicht: Ich wollte einfach immer gerne eine Position haben, in der ich sitze und vielleicht den Leuten helfe oder einfach nur zuhöre, ohne Lösungen parat zu haben. Und das kommt auch vor.“ Schließlich sei es unter anderem eine Clearing-Stelle, um erst einmal zu sondieren, welche Probleme tatsächlich vorliegen.

„Bei manchen kann ich nicht helfen. Da versuche ich aber, Kontakte herzustellen.“ Dazu muss sie allerdings als Neuzugezogene erst einmal die betreffenden Menschen kennenlernen und ein Netzwerk aufbauen. „Aber das wird sich finden“, ist sich Christina Krause sicher. Der wichtigste Teil bei ihrer Arbeit sei es, Hilfesuchende an die Stellen weiterzuvermitteln, die zur Lösung des Gesamtproblems beitragen könnten. In verschiedenen Arbeitskreisen und Runden Tischen hat sie sich bereits vorgestellt und ihren Willen zur Teilnahme bekundet und versucht, dort hineinzukommen. „Alles, was sich ergibt, rufe ich an: Darf ich dazukommen? Ich bin die Neue!“

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Die Menschen suchten die Schuldnerberatung auf, wenn es gar nicht mehr anders ginge. Die häufigsten Ursachen seien Trennung, Krankheit, Sucht, Arbeitslosigkeit, niedriges Einkommen oder Tod des Partners. Wenn die Räumungsklage bereits in den Händen ist, die Stromrechnung nicht mehr bezahlt werden kann – manchmal viel zu spät schon, so dass kaum noch Möglichkeiten bestünden, das Ruder noch einmal rumzureißen.

„Ich seh’ es schon den Leuten an, wie es drückt.“ Christina Krause ahmt den gebeugten Gang der Menschen nach. „Es ist eine enorme Belastung, Schulden zu haben. Es ist nachgewiesen, dass es krank macht. Ich lass sie erst mal ankommen, und das Erste, was ich frage, ist: „Wie geht’s Ihnen denn?“ Da habe ich noch gar nicht in die Unterlagen geguckt. „Ja, gar nicht gut!“ „Erzählen Sie mal! Was ist denn?“ „Schulden. Hab’ nix mehr!“ „Woher kommt das denn? Wie ist denn das entstanden? Was ist denn die Ursache?“

Sie sei immer wieder erstaunt, dass die Betroffenen dann sehr tiefe Dinge erzählen, beispielsweise von ihrer Spiel- oder Kaufsucht. Sich immer weiter in Schulden zu verstricken, um sich und den Angehörigen einen höheren Status zu verleihen. Die ganze Scham, die mit allem verbunden ist. Manchmal reiche es bereits, immer wieder daran zu erinnern, bestellte Waren einfach wieder zurückzuschicken. Auch in die Familienverhältnisse erhält die Beraterin tiefe Einblicke. Dinge, die von den Betroffenen womöglich noch nicht einmal mit der eigenen Familie oder dem Freundeskreis erörtert werden. „Viele schämen sich, dass sie es nicht wirklich auf die Kette kriegen.“

In dem Gespräch bringt die Beraterin reichlich soziale Kompetenz ins Spiel: „Ich schimpfe nicht. Ich meckere nicht. Ich moralisiere nicht. Es ist gerade mal so, wie es ist. Punkt. Was machen wir jetzt dagegen?“ Und dann habe sie das Gefühl, dass das Gegenüber erst einmal Luft holt. Wenn sie dann die Erklärung hört – krank, gekündigt und und und: „Das ist doch Erklärung genug. Da muss ich doch nicht auch noch mit dem erhobenen Finger kommen.“

Die Schuldnerberatung sei in der Lage sei, schnell zu helfen, indem sie beispielsweise unter Umständen eine P-Kontobescheinigung ausstellt, so dass die Betroffenen wieder an ihr Geld kämen, oder mit dem Energieversorger sprechen, ob noch irgendetwas möglich sei. „Das sind erst einmal kleine Hilfen, aber natürlich wichtig.“ Wenn ein Packen an Papier bei ihr liegen geblieben ist und die Betroffenen wieder raus gehen und Luft bekommen, dann sei dies etwas Schönes.

Im sozialen Bereich käme auch viel Einsamkeit hinzu. Spätestens seit Corona sei etwas gänzlich kaputt gegangen. Allein ein Glas Wasser anzubieten, brächte Verwunderung: „Die tut ja etwas für mich!“ „Das ist schön!“, unterstreicht Christina Krause. „Ich habe eigentlich den besten Beruf der Welt!“

So beschäftigt sie auch das Thema „Altersarmut“ sehr. „Rentnerinnen, Renter, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, und es ist dabei nichts herumgekommen. Die womöglich auf einem Berg an Restschulden oder etwas, das in der Ehe nicht mehr abbezahlt werden konnte, sitzen. Die haben wirklich nichts.“ Ihr Anliegen sei es, deren Not zu lindern.

So saß ein Mann bei ihr, der sich verschuldet hatte, um ein Auto zu kaufen. Dann ist seine Ehe zerbrochen, und er kam finanziell nicht mehr zurecht – keine ungewöhnlichen Dinge. Als er bei der Beratung seinen Haushaltsplan vorrechnete, zeigte sich Christina Krause erstaunt: „Wovon leben Sie denn? Was essen Sie denn? Wie sieht denn Ihr Kühlschrank aus?“ Dieser antwortete nur: „Brot und Margarine.“ „Und für da drauf?“ „Nee, dafür reicht’s nicht mehr…“

Das Problem: Er bekam eine niedrige Rente. „Es war gerade so viel, dass er keinen Anspruch auf SGB2 oder 12 für einen Anspruch an die Tafel, sondern er musste mit dem, was er hatte, klar kommen. Das ist immer so haarscharf, und das finde ich furchtbar!“

Zunächst hatte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert und auch jahrelang in dem Beruf gearbeitet. Nach einer längeren Kinderauszeit konnte sie jedoch nicht mehr dahin zurückkehren und vollendete stattdessen nach einer Betreuung an einer Offenen Ganztagsschule noch ein Studium der Sozialen Arbeit. „Natürlich ergibt die Verbindung von Bankkauffrau und sozialer Arbeit unterm Strich Schuldnerberatung“, erzählt Christina Krause. Genau in diesem Feld arbeitete sie bei der Diakonie in Waldbröl, wo sie zu dieser Zeit noch gewohnt hatte.

Sie hätte früher in den Kölner Arbeitskreisen bereits mit einer Person zusammengesessen und irgendwie immer gewusst: „Das wird einmal deine Kollegin. Ich kann’s aber nicht erklären, warum das so ist.“ Seit September 2022 ist sie beim Kirchenkreis Jülich angestellt. Als sie hörte, dass die Stelle frei wurde, hat sie sich einfach darauf beworben. Es sei wie so häufig in den letzten Jahren gewesen: Eine Tür ging zu, und sofort ging ohne großes eigenes Zutun die richtige Tür wieder auf. Als hätte es genau so sein müssen…


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