Start Magazin Geschichte/n „LaBlu“ und ein Stück (Familien-)Geschichte

„LaBlu“ und ein Stück (Familien-)Geschichte

„So lange ich denken kann, hat es bei uns sechs Kneipen gegeben!“ Bei uns meint in diesem Fall Jülichs größten Ortsteil Koslar. Was diesen speziellen Ort angeht, ist Marie-Luise Dohmen mit Expertinnenwissen ausgestattet, schließlich hat sie ihr ganzes Leben hier verbracht.

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Eine Nachfolge wird für das Haus Blumenthal in Koslar gesucht. Foto: Britta Sylvester
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Zehn Lebensmittelgeschäfte und vier Bäckereien hätte es früher in Koslar gegeben. Doch einmal abgesehen vom Discounter am Ortsende findet sich keinerlei derartige Einrichtung mehr im Dorf mit K. Auch die Gaststätten sind Geschichte, seit „LaBlu“ im vergangenen Jahr den Zapfhahn endgültig abgedreht hat. Nach fünf Jahren als Pächter hat Gastwirt Günther Muß vor rund einem halben Jahr aus Altersgründen das Kneipiers-Dasein an den berühmten Nagel gehängt. Seither steht das „Landhaus Blumenthal“ leer, und Eigentümerfamilie Drößer ist auf der Suche nach Interessenten, die dem alteingesessenen Haus neues Leben einhauchen wollen.

„Haus Blumenthal“, im Ort liebevoll „LaBlu“ getauft, zählt zu den Kneipen, die Metzgersgattin Marie-Luise Dohmen aus Kindertagen kennt. Damals noch unter dem Namen Kappertz sei das Haus eine feste Größe im Dorfleben gewesen. Dort ebenso wie in den anderen fünf Gaststätten wäre „immer was los“ gewesen, vor allem natürlich an den tollen Tagen rund um den Straßenkarneval. „Auf dem Saal gab es sogar eine Sektbar“, schmunzelt Dohmen und gerät ins Schwärmen. Besagter Saal war Bestandteil der Gaststätte Theodor Bergheim am oberen Ende der Lobsgasse – heute gähnt dort eine grasbewachsene Baulücke. Ein Stückchen weiter die Kurve herum lud der „Alte Bäcker“ jahrzehntelang zu Bier und anderem an die Theke. Hier kamen auch die jungen Frauen des Dorfes ähnlich der Maifeierlichkeiten unter Usklöpper Paul Wolffs Hammer. Im Oberdorf war es die Gaststätte Nacken, die für gekühlte Getränke und das viel zitierte leibliche Wohl der Koslarer sorgte. Auch Metzgermeister Gerhard Darius – Großvater der Erzählerin – verdiente mit dem Getränkeausschank ein paar Extra-Brötchen für die vielköpfige Familie. Dohmens Vater übernahm den Betrieb, der noch eine Besonderheit zu bieten hatte. „Wir waren die einzigen, die Fremdenzimmer hatten“, berichtet sie und fügt hinzu, dass sie und die Schwester bisweilen sogar das eigene Zimmer räumen mussten, wenn die Nachfrage allzu groß war.

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Besonderes Highlight in Marie-Luise Dohmens Erinnerungen sind die Veranstaltungen in der Gaststätte Oellers. Ebenfalls mit einem Saal ausgestattet war die Kneipe Vereinslokal von Theater- und Radfahrverein des Ortes. „Am zweiten Weihnachtstag gab es da immer Theater, und das war voll!“ Ebenso beliebt wie die Theateraufführungen waren die Tanzveranstaltungen, allen voran der sogenannte Radfahrerball. Immer am letzten Wochenende im Januar feierte Koslar die Adelgundis-Kirmes. Zu diesem Anlass lud dann der Radfahrverein in den Oellers’schen Saal und unterhielt mit Kunstradfahren und ähnlichen Attraktionen seine Gäste.

„Ach, das war schön“, seufzt die Chronistin und schwelgt weiter in Erinnerungen. „Karneval waren die Straßen voll, das müssen Sie sich mal vorstellen! Die Leute sind von einer Kneipe zur nächsten gegangen, und auf beiden Sälen war Musik. Da war was los im Dorf!“ Aktuell ist in Sachen Koslarer Kneipenlandschaft eher wenig los. Dass sich das wieder ändert, ist Familie Drößers Anliegen.

Tochter Pia sucht per Annonce bei Ebay-Kleinanzeigen und einschlägigen Gastro-Portalen bereits seit einiger Zeit nach neuen Pächtern für Koslars letzte Kneipe. Eine Wohnung könne man immer noch draus machen, sinniert die Mutter, fügt aber schnell hinzu, dass wenigstens eine Kneipe im Dorf doch sehr schön wäre. Erst im Jahr 2011 haben Drößers das Landhaus Blumenthal mit seiner Gaststätte und den Wohnungen gekauft und erst einmal kernsaniert. Dabei ist ein altes Bild hinter der Tapete aufgetaucht, das „LaBlu“ noch mit Pferdekutsche und davor und unter anderem Namen zeigt – ein Blick in die lange Geschichte, die nun fortgeführt werden soll.

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Britta Sylvester
Klönschnacktee mit der Muttermilch aufgesogen und inzwischen beim rheinische Kölsch angekommen. Übt sich in der schreibenden Zunft seit Studententagen zwischen Tagespresse und Fachpublikationen und… wichtig: ließ das JüLicht mit leuchten.

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