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Riechen, Schmecken und Corona

Eine weltweite Online-Umfrage bestätigt: Eine Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinns führen, bis hin zu seinem vollständigen Verlust. Das „Globale Konsortium für Chemosensorische Forschung (GCCR)“, zu deren Lenkungsgruppe die Jülicher Psychologin Dr. Kathrin Ohla gehört, hat jetzt in der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Chemical Senses“ erste Ergebnisse der laufenden Umfrage veröffentlicht. Die Auswertung zeigt auch: Die Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns bei COVID-19-Infizierten unterscheiden sich von denjenigen, die bei Grippe oder Erkältungen auftreten.

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Foto: pixabay
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Die Umfrage ist seit Anfang April und inzwischen in 32 Sprachen online. Teilnehmen können alle Erwachsene, die aktuell oder in den letzten zwei Wochen unter einer Atemwegserkrankung wie COVID-19, Grippe oder Erkältung gelitten haben. Der Fragebogen erfasst dabei drei chemische Sinne: den Geruchssinn, den Geschmackssinn und den Sinn für bestimmte Empfindungen im Mund, wie Brennen, Kälte oder Prickeln etwa beim Kontakt mit Chili, Pfefferminzbonbons oder Kohlensäure. Diesen dritten Sinn nennen die Experten Irritation oder Chemesthesis. Die Teilnehmer sollen auf elektronischen Skalen mit Schiebern zwischen 0 und 100 angeben, wie gut sie ihre Wahrnehmungen mit dem jeweiligen chemischen Sinn vor und während der Erkrankung beurteilen.

In ihrer aktuellen Publikation werteten die Forschenden die Angaben von 4 039 Erwachsenen mit einer positiven COVID-19-Diagnose aus – so viele hatten an der Umfrage in den ersten elf Tagen nach ihrem Online-Start teilgenommen. Das Riechvermögen dieser Teilnehmer ging demnach im Mittel während der Erkrankung auf der Skala zwischen 100 (hervorragender Geruchssinn) und 0 (kein Geruchssinn) um rund 80 zurück. Beim Geschmack lagen die Einbußen bei rund 70 und bei der Irritation bei rund 37 Punkten. Das teilte das Forschungszentrum in einer Pressemitteilung mit.

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„Der hohe Rückgang bei den Mittelwerten lässt sich darauf zurückführen, dass ein Großteil der Teilnehmer von dessen völligem Verlust berichteten“, erläutert Dr. Kathrin Ohla, GCCR-Ansprechpartnerin für die deutschsprachigen Länder. Allerdings warnt sie vor einer Fehlinterpretation: „Wir können keinerlei Aussagen zur Häufigkeit der Sinnesbeeinträchtigungen bei COVID-19 treffen, denn die Umfrage bringt keine repräsentativen Ergebnisse hervor.“ So ist beispielsweise anzunehmen, dass Erkrankte mit Geruchs- und Geschmacksstörungen aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit eher an der GCCR-Umfrage teilnehmen als diejenigen ohne solche Symptome.

Schon zu Beginn der Erkrankung

Trotz dieser Einschränkung liefert die Umfrage schon jetzt wesentliche Erkenntnisse: „Deutlich wird, dass sich die Riech- und Schmeckstörungen bei Infektionen mit dem neuen Coronavirus von denjenigen unterscheiden, die bei Erkältungen oder Grippe auftreten“, sagte Ohla, die im Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin arbeitet. So gehen die Beeinträchtigungen bei Erkältungen und Grippe anders als bei COVID-19 fast immer mit einer verstopften Nase einher. Außerdem berichten die SARS-CoV-2-infizierten Umfrageteilnehmer nur selten über das Phänomen, dass sie Dinge riechen, die nicht da sind, oder dass Düfte unangenehmer riechen als vor der Erkrankung. Schließlich gibt es Hinweise darauf, dass die Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen bei COVID-19 schon zu Beginn der Erkrankung auftreten, während sie das bei Grippe und Erkältungen häufig erst dann tun, wenn die anderen Symptome schon wieder abklingen. „Hier brauchen wir aber noch mehr Daten“, so Ohla.

Inzwischen hat ein Team um Ohla einen Online-Test unter www.riech-check.de veröffentlicht, der es allen Interessierten erlaubt, ihr Riech- und Schmeckvermögen und die Empfindlichkeit für Irritation kontinuierlich zu Hause selbst zu messen. „Dieser Test ist motiviert durch die vielen Berichte von Betroffenen, die auch nach Wochen und teils Monaten noch nicht wieder riechen und schmecken können“, sagte Ohla. Der Test soll Erkenntnisse über die Dauer und den Verlauf der Beschwerden liefern. Er könnte bei einer zweiten Infektionswelle aber auch als Frühwarnsystem dienen, da ein plötzlicher Riech- und Schmeckverlust als Schlüsselsymptom von COVID-19 gilt.

Störungen der chemischen Sinne hätten für die Betroffenen oft schwerwiegende Folgen, betont Kathrin Ohla: „Die Störungen können das Ernährungsverhalten beeinflussen, die Genussfähigkeit verringern und sogar zu Depressionen führen. Manche Betroffenen befürchten, dass von ihnen eine Geruchsbelästigung ausgeht, die sie selbst nicht wahrnehmen. Oder sie haben Angst, Gefahren wie eine Rauchentwicklung nicht mehr rechtzeitig zu erkennen.“


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