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Der Krieg im Bild – das Bild vom Krieg

Kriegsdarstellungen gehören in der europäischen Kunst zur Gattung der Historienmalerei. Die Auftraggeberschaft durch die Höfe in der Frühen Neuzeit führte dazu, dass diese Kunstwerke Teil der jeweiligen Repräsentationsstrategie waren. Insoweit verbot es sich, die mit dem Krieg einhergehenden Grausamkeiten allzu offensichtlich zu zeigen. Vielmehr standen kriegstaktische Elemente oder der jeweilige Kriegsherr beziehungsweise seine Feldherren im Vordergrund.

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Inv.-Nr. 2019-0048.06 Francisco Goya, Los desastres de la guerra, Blatt 37: Esto es peor – Dies ist schlimmer, 1810/20, Abzug von 1906, Aquatinta, 14 ×18,8 cm, Museum Zitadelle Jülich, Inv.-Nr. 1999-0077
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Die Wiedergabe von negativen Folgen des Krieges für die Bevölkerung fand allenfalls vereinzelt in genrehaft gestalteten Motiven beispielsweise in der nord- und südniederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts ihren Niederschlag. Hier spiegeln sich die Erfahrungen des Achtzigjährigen Krieges wider. Eine andere Funktion nahmen solche Darstellungen in der Druckgraphik ein, wo sie in Form von Einblattdrucken meist konkrete Ereignisse zeigten und damit ein durch die Verbreitung von Druckmedien allgemein gestiegenes Informationsbedürfnis befriedigten. Ein frühes Beispiel sind die sogenannten Geschichtsblätter, die seit den 1570er Jahren im Verlag von Franz Hogenberg (1535-1590) in Köln erschienen. „Die greuliche Morderei bei Ionkersdorf“ zeigt den Überfall auf einen Geleitzug Jülicher Kaufleute, die auf dem Weg nach Köln waren, bei Junkersdorf am 3. Juli 1586 durch spanische Soldateska. Der Tod unschuldiger Menschen im seinerzeitigen Konflikt um das Erzstift Köln wird hier in einem durchaus politischen Sinne verwendet, um das brutale Vorgehen des spanischen Militärs anzuklagen.

Franz Hogenberg, Die greuliche Morderei bei Ionkersdorf, 1586, Radierung, altkoloriert, 22,9 × 28,2 cm, Museum Zitadelle Jülich, Inv.-Nr. 2018-0041. ‚ Lucien J

Sehr bekannt sind die beiden druckgrafischen Serien „Les Misères et les malheurs de la guerre“ („Elend und Unglück des Krieges“) von Jacques Callot (1592-1635), die während des Dreißigjährigen Krieges entstanden. Callot verarbeitet in der Wiedergabe von Not und Elend in Folge einfallenden Militärs vermutlich die Erfahrungen aus Aktionen kaiserlicher Truppen in den Jahren 1629 bis 1632 in Lothringen. Gleichzeitig werden aber auch die drakonischen Strafen für Verstöße gegen die militärische Disziplin visualisiert, wahrscheinlich als Forderung zur Eindämmung von Exzessen gegenüber der Zivilbevölkerung.

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Eine absolute Sonderstellung in der langen Reihe künstlerischer Darstellungen des Krieges bis zur aufkommenden Avantgarde stellt der Radierzyklus von Francisco Goya (1746-1828) „Los Desastres de la Guerra“ („Die Schrecken des Krieges)“ dar. Die Bildfolge reflektiert die Erfahrungen des Krieges in Spanien gegen die Besatzung durch die Truppen Kaiser Napoleons I. von Frankreich. Die vermutlich zwischen 1810 und 1820 geschaffenen Radierungen fallen in der Drastik der Wiedergabe von Kriegsgräueln aus der Zeit, was auch darin deutlich wird, dass sie erst lange nach dem Tod des Künstlers 1863 erstmalig publiziert wurden.

Lucien Jonas, Devant les Rempart de Verdun (Vor den Schanzen von Verdun), 1916, Lithographie mit persönlicher Widmung und aquarellierter Zeichnung, Abzug 195/300, 60,5 × 42,8 cm, Museum Zitadelle Jülich,

Das Aufkommen der Fotografie erlaubte es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Folgen des Krieges unmittelbar zu dokumentieren. Parallel bestand aber die künstlerische und letztlich heroisierende Verarbeitung der Ereignisse weiter. Die Zensur in Preußen beziehungsweise im Deutschen Kaiserreich ließ kein ungeschminktes Bild des Krieges in der Öffentlichkeit entstehen, obgleich dies durch das Medium der Fotografie durchaus möglich gewesen wäre. Der Blick etwa auf den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 wurde geprägt von den militärischen Erfolgen, deren faktische Brutalität in einem schon teilweise mit industriellen Mitteln geführten Krieg weitgehend unberücksichtigt blieb. Die – wenn auch eingeschränkter, als lange Zeit behauptet – vorhandene Begeisterung bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs hat auch mit den heroisierenden Erzählungen vom letzten Krieg gegen Frankreich gut 40 Jahre zuvor zu tun.

Der Erste Weltkrieg löste unzählige künstlerische Auseinandersetzungen aus, wobei sich die Frage stellt, wie sich die Kunst der Moderne in den Dienst des Krieges stellte beziehungsweise wie diese durch die Kriegserfahrung geprägt wurde. Als abschließendes Beispiel sei hier der belgisch-französische Künstler Lucien Jonas (1880-1947) angeführt, der während des Ersten Weltkriegs als offizieller Kriegsmaler in durchaus propagandistischer Absicht in einer Lithographie-Serie an den Durchhaltewillen seiner Mitbürger appellierte. Das hier skizzierte Thema wird ausführlich in dem Sammelband „Kriegserinnerungen in europäischen Heimaten“ dargestellt, der demnächst auch über die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen bezogen werden kann.

BUCHINFORMATION
Guido von Büren / Michael D. Gutbier / Wolfgang Hasberg (Hrsg.), Kriegserinnerungen in europäischen Heimaten. Nachlese zu einer Erinnerung an den Ersten Weltkrieg (Jülicher Forschungen 13), Neustadt an der Aisch: Verlag Ph. C. W. Schmidt 2021, ca. 250 Seiten, zahlr. Abb., ISBN 978-3-87707-209-7, 19,80 Euro (erscheint voraussichtlich im Juni 2021).

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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