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Erfolgreiche Schlüsselsuche

Zwei Jahre Detektivarbeit und viele Stun- den der Betrachtung hat die promovierte Theologin Margret Peek-Horn vor dem Antwerpener Schnitzaltar von St. Gereon Linnich-Boslar zugebracht und sich dem Kunstwerk dabei auf theologische Weise genähert. Der Jülicher Geschichtsverein hat die Ergebnisse in einer 44-seitigen herausgegeben, die durch die katho lische Pfarrei St. Gereon Linnich-Boslar fi-nanziert wurde.

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Der Antwerpener Schnitzaltar in der St. Gereon-Kirche in Boslar. Foto: Michael Greve
Der Antwerpener Schnitzaltar in der St. Gereon-Kirche in Boslar. Foto: Michael Greve
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Eine kunstgeschichtliche Betrachtung des Altars ist Margret Peek-Horn zu wenig. Es handelt sich bei dem Altar um eine Mischform zwischen Passions- und Marienaltar. Entstanden ist er wohl um 1525 in Antwerpen. Zu sehen sind elf geschnitzte, original erhaltene Szenen, die in ihrer Ausarbeitung fein und detailreich sind. Zusätzlich sind als Kleinszenen die sieben Sakramente und die Auferstehung dargestellt. Hier ist die Ausführung allerdings etwas gröber. Vermutlich wurde der Altar in einer Werkstatt gefertigt, in der vom Meister bis zum Lehrling alle mit der Ausarbeitung beschäftigt waren. Bei geschlossenen Flügeln sind auf der Außenseite die „Arma Christi“ – Leidenskelch, Leiter, Würfel… – zu sehen, „vermutlich von einem Schreiner gemacht“, sagt die Theologin und schließt dies aus der nicht besonders hochwertigen Umsetzung. Die bemalten Flügel sind eine Ergänzung aus dem späten 19. Jahrhundert.

Das Thema, davon ist Margret Peek-Horn überzeugt, haben die Auftraggeber vorgegeben. Zu komplex ist das Zusammenspiel der Szenen und begleitenden Figuren. „Es hat länger gedauert, bis ich den Schlüssel fand“, sagt sie „bis ich darauf kam: Die Spruchbänder haben eine Bedeutung.“ Aus ihnen, sagt die Theologin, erschließt sich das Bildprogramm. „Sie kommen alle in der Liturgie vor: Einer ist beispielsweise der Psalm zum liturgischen Einzug. Er bezieht sich auf die Lebenswelt der Mönche, die lebendige Welt derer, die den Altar benutzen. Damit habe ich das Thema“, sagt die Boslarerin. Selbstverständlich konnten die Mönche die Satzanfänge vervollständigen. So fand sie heraus, dass der Altar sich keineswegs im gewöhnlich-literarischen Sinne von links nach rechts oder oben nach unten erschließen lässt: „Folgt den Worten“, lautet die Lesart. Nach Überzeugung von Margret Peek-Horn folgt man in der „Lektüre“ des Altars den Spruchbändern wie bei einem Wechselgesang nicht chronologisch, sondern in der Abfolge des Sinns.

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Zu sehen ist die Leidensgeschichte Christi mit der Kreuztragung, der Dornenkrönung und der Kreuzabnahme. Dabei bezieht sie sich nicht allein auf die Gestaltung. Perspektivisch in die Tiefe gearbeitet haben die Erschaffer des Schnitzaltars. Das ist nur dann sinnvoll, wenn vom Betrachter die Dreidimensionalität auch wahrgenommen werden kann. Hinzu kommt aber auch die inhaltliche Bedeutung: „Wir haben unser Kreuz zu tragen. Da spielen wir hinein, das ist auch noch unsere Lebensgeschichte.“ Eben diese Szene ist „auf Augenhöhe“ zu verstehen, sagt Margret Peek-Horn. Sie erkennt das Dargestellte als Möglichkeit zur Identifikation der Menschen mit der Heilsgeschichte. Oder wie man heute sagen würde: Maria und Jesus haben etwas mit „unserem Leben“ in der Gegenwart zu tun. „Der Altar schafft eine Gleichzeitigkeit zwischen Maria und uns oder Jesus und uns. Dieses Heils-Drama erforderte in der damaligen Zeit ein Mittun, eine Identifikation mit den Akteuren.“ Das war den Mönchen des Kreuzherrenklosters von Schwarzenbroich bei Merode selbstverständlich.

Der Altar wurde nicht für die Kirche in Boslar bestellt, sondern für das Kloster Schwarzenbroich im Meroder Wald bei Langerwehe. Bis zur Säkularisation stand er fast 300 Jahre dort in der Klosterkirche. Er kam wohl 1802 als Geschenk in schlechtem Zustand nach Boslar.

Bis dato gab es keine Untersuchung des Boslarer Schnitzaltars. Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Maria Krämer hat sich Margret Peek-Horn dieser Aufgabe gestellt, und jede Frau hat aus ihrem Fachbereich ihren Teil beigesteuert – ergänzt durch die Fotografien von Michael Greve, die den Blick fürs Detail erst möglich machen. Fürs Eigenstudium kann das Heft für 5 Euro über den Jülicher Geschichtsverein, den örtlichen Buchhandel oder nach den heiligen Messen in der Boslarer Kirche erworben werden.

Wer gerne tiefer einsteigen möchte, der kann an einer Führung mit Margret Peek-Horn teilnehmen. „Bitte Klapphocker mitbringen!“, lautet die Aufforderung am Mittwoch, 24. April, ab 18 Uhr im Altarraum der Kirche. Dort findet sich die Gruppe ein, um vor dem Anschauungsobjekt das Gefühl für das Werk zu bekommen, gleichzeitig werden per Beamer die Bilder großformatig auf Leinwand zu sehen sein. Das erleichtert die Orientierung. Und den Blick fürs Detail: Zu entdecken gibt es nämlich unter anderem eine Lesebrille auf der Nase des Apostels, ein Kreuz, das da zeitlich gesehen noch völlig fehl am Platze ist, und der goldene Hut des Propheten Elia – der als Garant des Bundes durch seine Anwesenheit Zeugnis ablegen musste. Wofür? Das erfahren Bibel- und Kunstsinnige gleichermaßen von Margret Peek-Horn.

Näheres unter Tel. 0 24 62/64 53 oder E-Mail [email protected].


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