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Jetzt leben und lachen

Unbedingt und lustig wie ein Kind sein

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Bitterer Trank | Foto: Adrian Brouwer
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Gefühle auszudrücken ist das Anliegen der Kunst und so sind ihr das Lustige wie das Traurige, das Humorige wie auch das Tragische ein Thema. Es gibt unzählige Beispiele dessen, über das wir unter Umständen lachen können. Je nachdem, denn dahinter verbirgt sich gerne eine Spitze. Und wenn diese sich gegen mich oder mein Empfinden richtet, dann ist oft Schluss mit lustig. Denn dazu bräuchte es den Humor. Weil, Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Humor ist nicht lustig, eher weise, und eine Distanz wahren. Über Ostfriesen und Blondinen lacht man, weil man nicht dazugehört. Der Blöde ist der andere. Nur beim Humor kann man selbst der Dumme sein und lachen, wozu ein gewisses Maß an Klugheit nötig ist.

Vieles, was wir in der Kunst als spaßig empfinden, ist eher dem Humor zuzurechnen, so wie die Allegorie von Pieter Breughel vom Blinden, der die Blinden führt und gerade dabei ist, als Erster in den Graben zu fallen. Das ist zeitlos und durchaus tauglich, aktuelle Leitartikel zu illustrieren. Adrian Brouwer zeigt einen Mann, der eine Flasche und einen Löffel haltend, sich der Einnahme prustend und spuckend entledigt, die bittere Medizin. Ob uns so ein Bild im Krankenzimmer gefällt, hängt von unserer Distanz zu uns selber ab.

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Bei Spitzweg gibt es allgemein Menschliches, Schrulligkeiten, aber schon die satirischen Arbeiten eines Daumiers wollen Partei ergreifen, die Spitze wird unübersehbar. Und wenn uns A. Paul Weber einen Zug von Menschen zeigt, die Hakenkreuzfahnen und Standarten tragend, von einem Führer zu einem Gipfel geführt werden, der auf der anderen Seite jäh in einen Abgrund stürzt, auf dessen Grund ein geöffneter Sarg steht, dann wird es statt lustig heikel. Humor braucht auch Mut.

Das Lustige ist naiv, der Humor ist erwachsen. Kinder sind lustig. Ich habe immer gelacht, wenn König Drosselbart mit dem Pferd durch das Porzellan galoppierte. Erst später lernte ich anhand eigener Missgeschicke das Los der Königstochter zu bedauern, ich entwickelte Humor und konnte darüber nicht mehr lachen. Humor zeigt an, das die Kinderzeit vorüber ist.

Humor ist nicht lustig und die großen Humoristen sind oft tragisch. Kurt Tucholsky geht in den Freitod, Carl Valentin ist ein Grantler und Misanthrop, Buster Keatons Gesicht ist völlig hoffnungslos. Da ist der Clown ein Versuch, in das Lustige der Kindheit zurückzukehren.

Kindermund tut Wahrheit kund. In des Kaisers neue Kleider verfällt allein das Kind nicht der Täuschung. Mehr noch, es darf sie sogar aussprechen, der Kaiser ist ja nackt. Das Kind darf das, es ist naiv, ihm fehlt die Spitze. Auch Chaplin ist ein großes Kind. Die Kulleraugen, das Lockenköpfchen und die Gestik, so ausgestattet kann er uns einige Wahrheiten kundtun.

Der britische Humor ist sprichwörtlich. So strecken die Komiker der Monty Python Truppe dem Auditorium, das sich zum Lebewohl des verstorbenen Beatle George Harrison versammelt hat, nach Ende ihrer Darbietung die entblößten Hinterteile entgegen. So etwas geschieht entweder kindlich oder es ist angesichts des Abschieds vom Gatten und Vater und Freund George Harrison eine Zumutung. Aber die nackten Hinterteile sind wie Narrenspiegel, die dem Publikum entgegen gestreckt werden und seltsamer Weise passt das zum Abschied nehmen. In Indonesien weint man bei der Geburt und feiert man beim Tod eines Menschen, Allerseelen ist in Mexiko ein ausgelassenes Fest, wo Skelette auf der Straße tanzen.

Ich möchte in keinem Club sein, der mich als Mitglied aufnehmen würde, sagte Groucho Marx. Der Unterschied zwischen dem Humor und dem Lustigen ist, dass der Humor bezogen bleibt, während das Lustige absolut ist, so absolut wie nackte Hinterteile.

Die Schlussszene des Films Alexis Sorbas zeigt, wie die Konstruktion, die Baumstämme des Oberlandes mit Trossen und Rollen über die Steilküste an den Strand hinunter bringen und damit das investierte Kapital vermehren soll, durch die Pendelbewegung der Stämme zerschlagen wird. Das sieht lustig aus, wie die Stämme erst brav gleiten, dann in der Fahrt zu torkeln beginnen und schließlich die Stützpfeiler der Seilbahn zertrümmern. Natürlich ist das eine Metapher.

Die Konstruktionen unserer Planung werden oft durch das Eigenleben ihrer Gegenstände zertrümmert. Der Investor, ein ohnehin nicht begüteter Schriftsteller, steht betroffen vor dem Ende des Traums. Jetzt müsste er Humor entwickeln, um den Verlust zu kompensieren. Aber Sorbas, der Grieche (natürlich, Grieche, sollte lieber seine Schulden bezahlen) fragt, hast du jemals etwas so schön zusammenbrechen sehen? Und dann breitet er die Arme aus für den Tanz.

Er fasst den Schriftsteller mit der rechten an der Schulter und führt ihm die Schrittfolge vor und das Kino füllt sich mit den Klängen des Syrtaki und zwei immer kleiner werdende Männer am Strand, am Ende noch zwei Punkte in der Totalen von Bucht und Gebirge, tanzen sich in die Unbedingtheit. Das ist Zen. Die Tragik des Humors ist überwunden und alles wird klein und mündet in Tanz und Gelächter. Der Narr oder der Schalk sind keine Humoristen, sie sind absolut wie Kinder und wie Kinder machen sie gerne etwas kaputt. Das ist nicht korrekt aber lustig.

In der dunklen Jahreszeit, wenn das Jahr in Nässe und Grau versinkt und ich im trüben Licht des Waggons Mühe habe, die Augenlider oben zu halten, steht plötzlich in der gnadenlosen Realität des U-Bahnsteigs ein rosa Bärchen. Ich schrecke hoch und schon steigt es von den Rolltreppen herab, Cowboy und Engelchen, Pirat und Elfe strömen in die Abteile und Schunkelmusik hallt über die Gleise, oh, oh, oh, ene Besuch im Zoo… Kinderwelten überfluten die eingerastete Realität und zertrümmern sie, der Bahnsteig beginnt zu schunkeln.

Karneval – carne vale – lebe wohl Fleisch, das ist das Loslassen der irdischen Wünsche. Aber das wäre Einsicht und Humor. Und das kann warten bis Aschermittwoch, jetzt leben und unbedingt und lustig wie ein Kind sein.

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Dieter Laue
Dieter ist hauptberuflich Künstler. Laue malt seine Bilder nicht, sondern er komponiert und improvisiert wie ein Jazzmusiker. Sein freier Gedankenfluss bring die Leser an die verschiedensten Orte der Kunstgeschichte(n). Er lässt Bilder entstehen, wo vorher keine waren. In Bild und Schrift.

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