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Zauberhaftes für alle Sinne

„Guten Morgen, Frau Wirtz, schön, dass Sie es geschafft haben.“ Sebastian Reimann lächelt die alte Dame an, die mit dem Rollator angeschoben kommt. Wie jede Woche empfängt der Lehrer der Musikschule Jülich fünf Teilnehmerinnen im Seniorenwohnheim An der Zitadelle zur Zauberharfen-Stunde.

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Grafische Noten bestimmen das Spiel auf der "Zauberharfe". Foto: Dorothée Schenk
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„Ich habe ein morgendliches Aufwachtempo genommen und noch nicht das fröhliche, das wir auch können. Aber wir müssen ja erst einmal wieder die Hände und die Finger in Bewegung bringen“, lädt Sebastian Reimann die Runde ein. Der Kanon „Froh zu sein bedarf es wenig“ soll angestimmt werden – und das in zweifacher Hinsicht: sowohl auf dem Instrument, das ein wenig an eine Zither erinnert und auf dem Tisch abgelegt werden kann, als auch stimmlich. „Es ist wichtig, dass Sie den Rhythmus auch gleich im Kopf haben. Die erste Note ist direkt eine wartende Note, und dann folgen zwei hintereinander.“ Reimann stimmt Text und Melodie an – die Musikerinnen-Runde folgt.

„Das Bedürfnis nach Musik ist sehr groß – gerade bei dieser Generation“, sagt Reimann, „Sie haben das Singen in der Coronazeit sehr vermisst!“ Viel Freude macht dem Saitenvirtuosen, der als 16-Jähriger schon Konzertmeister des Jungen Kammerorchesters Konstanz war und die erste Geige beim Musical „Elisabeth“ spielte, dieser Kurs. Zwar habe er bereits Jugendliche und fortgeschrittene Erwachsene unterrichtet, aber „außer im Zivildienst habe ich nie mehr mit Senioren gearbeitet“, sagt er schmunzelnd. Die auftrittsfreie Lockdown-Zeit nutzte er als Chance, sich bei einer Kollegin auf diesem Feld und in der Nutzung der Zauberharfen fortzubilden.

Foto: Dorothée Schenk
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Dieser besondere Musikunterricht ist ein Projekt, das der Träger der Senioreneinrichtung gemeinsam mit der Musikschule und der Stadt Jülich initiiert hat. Das ist für alle ein Gewinn: Die Musikschule Jülich hat sich mit Beginn von Ganztagsgrundschule und zunehmendem Nachmittagsunterricht aufgemacht, neue Kooperationspartner zu suchen, um „verwaiste“ Lehrer und Räume auszulasten. Jörg Tetzlaff ist hier der Ansprechpartner. Für die Senioreneinrichtung ist es eine willkommene Ergänzung, gegen einen monatlichen Obolus, der zum Teil durch die Projektteilnehmer refinanziert wird, ein besonderes Angebot machen zu können. Und die Stadt, erklärt Sozialdezernentin Doris Vogel, sieht nicht nur den demografischen Wandel, sondern trägt ihm durch eigene Projekte Rechnung.

Das Duo Tetzlaff / Vogel kann sich auch weitere Zusammenarbeit mit dem Seniorenheim an der Zitadelle denken: etwa in Form von Vorspielstunden – also kleinen Konzerten – von Klaviereleven der Musikschule. Leiterin Heike Poullie hat schon zugesagt, dass das vorhandene Klavier gerne dafür genutzt werden könnte.

Außerdem sei vorstellbar, dass der einrichtungseigene Bus genutzt wird, um interessierte Bewohner zum Unterricht in die Musikschule zu bringen. „Dann könnten dort auch die Instrumente genutzt werden oder vielleicht generationenübergreifend mit einer Gruppe für musikalische Früherziehung ein Kurs zusammen gestaltet werden“, überlegt Musikschulleiter Bernhard Dolfus laut.

Foto: Dorothée Schenk

Auf der Suche ist Doris Vogel auch noch nach einem Musiktherapeuten, der Musik mit demenziell erkrankten Senioren anbieten kann. Ein solches Projekt könnte über die Krankenkassen abgerechnet werden und wäre somit für die Nutzer (nahezu) kostenneutral. Auch hierfür könnten die „Zauberharfen“, die zur Familie der „Feenharfen“ gehören, genutzt werden. Sie sind besonders einfach zu handhaben. Eine Grafik, die unter die Saiten geschoben wird, gibt den Spielenden die einzelnen Schritte vor. Sechs dieser Harfen – von denen jede rund 600 Euro kostet – konnten mit Unterstützung einer Stiftung angeschafft werden und sind nun im Besitz der Musikschule.

„Es gibt gewisse Schwierigkeiten mit Tremor, wenn die Hand nicht mehr die Ruhe hat wie früher, aber die Nutzung schult – das ist das Interessante“, berichtet Sebastian Reimann aus der Praxis. Neben der Fingerfertigkeit werden das Gedächtnis trainiert und vor allem auch gute Gefühle freigesetzt. „Jeder verbindet mit Musik Erinnerungen in seinem Leben: mit Heimat, mit dem Lieblingsgericht von der Mutter, einer Landschaft“, schildert der Musiklehrer. Darum sei es so schön, jetzt auch wieder Volkslieder anzustimmen und diese Schätze wieder hervorzuholen. „Es ist sinnlich: für Ohr, Auge, Hände – und das Gefühl!“

Wer als Senioreneinrichtung Interesse daran hat, ebenfalls einen Zauberharfen-Kurs (Pauschal 250 Euro / Monat) anzubieten, kann sich an Bernhard Dolfus wenden, Telefon 02461 / 93650, Mail [email protected].


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