Start Magazin Rat & Recht Schwitzen statt Sitzen

Schwitzen statt Sitzen

Gleich beruhigend vorne weg: Nachfolgende Zeilen betreffen nur eine kleine Minderheit unter uns aufrechten Staatsbürgern, dürften aber gewiss für manche Sünderlein auch aus den sog. besten Familien durchaus instruktiv sein. Denn schon ein eher dem Bagatellstrafrecht zugehöriger „Ausrutscher!“, zum Beispiel die Schwarzfahrt in der S-Bahn, der alkoholbedingte Faustschlag gegen den Nebenbuhler auf dem Schützenfest, die fahrlässige Körperverletzung im Zuge eines Verkehrsunfalls, der Besitz von nicht mehr so geringen Mengen Drogen können zur Verurteilung der Zahlung einer Geldstrafe führen.

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Rat & Recht in und um Jülich Foto: ©Andrey Burmakin - stock.adobe.com / Bearbeitung: la mechky
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Für manch einen ist die Zahlung einer Geldstrafe aber aufgrund seiner engen finanziellen Bedingungen eine härtere Strafe als eine überschaubare Freiheitsstrafe.

Nach § 43 Strafgesetzbuch (StGB) kann für den Fall, dass die Geldstrafe auch wegen hartnäckiger Zahlungsverweigerung oder gar Ablehnung einer Ratenzahlung uneinbringlich ist, an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe treten.

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Ein zunächst zur Zahlung eines Geldbetrages verurteilter Straftäter muss dann also doch die Strafe im Vollzug verbüßen.
Wenn die Ersatzfreiheitsstrafe abgeleistet wurde, ist die verhängte Geldstrafe getilgt. Der Betroffene muss die Geldstrafe nicht zusätzlich leisten.

Die Geldstrafe wird gem. § 40 StGB in Tagessätzen, und zwar je nach Schwere der Straftat zwischen 5 und 360 Tagessätzen verhängt. Die Höhe der Tagessätze richtet sich nach dem Nettoeinkommen des Delinquenten. Kann oder will der Verurteilte die Geldstrafe nicht zahlen, wird die Ersatzfreiheitsstrafe gegen ihn angeordnet. Dabei entspricht gem. § 43 Abs. 2 StGB ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

Ist also zum Beispiel der Ladendieb zu 20 Tagessätzen in Höhe von je 40 Euro verurteilt worden und wollte oder könnte er die Gesamtgeldstrafe in Höhe von 800 Euro nicht zahlen, müsste er ersatzweise 20 Tage Freiheitsstrafe verbüßen.

Die ausschließlich einkommensabhängige Höhe des Tagessatzes hat demnach keinerlei Einfluss auf die Bestimmung, dass die Anzahl der Tagessätze der Anzahl der Tage im Haftvollzug entspricht.

Wenn jetzt aufgrund der letzten Zeilen manchem geneigten Leser – betroffen oder auch (noch) nicht betroffen – ob der strafrechtlichen Keule der Angstschweiß auf der Stirn steht, dann kann ihm der beruhigende Ausweg mit der Überschrift „Schwitzen statt Sitzen“ gewiesen werden.

Um die Ersatzfreiheitsstrafe kann man nämlich grundsätzlich herumkommen, wenn man „freie Arbeit“ im gemeinnützigen Bereich ableistet (unter anderem in Seniorenzentren, Krankenhäusern, Sozialstationen). Diese Straftilgung muss der Delinquent aber zwingend bei der Staatsanwaltschaft beantragen, die dies sodann für jeden Einzelfall entscheidet.

Jedes Bundesland hält andere Maßstäbe für die Abgeltung von Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit vor.

Grundsätzlich tilgen 6 Stunden gemeinnützige Arbeit einen Tagessatz. Dies bedeutet für den Verurteilten bei Verhängung von 20 Tagessätzen: 120 Stunden schwitzen anstatt 20 Tage sitzen!

Übrigens ist gemeinnützige Arbeit besonders im Jugendstrafrecht ein sehr wichtiges und wirkungsvolles erzieherisches Sanktionsmittel.

Dazu in einer späteren Kolumne evtl. mehr. Aber nach alledem ist und bleibt die wichtigste Erkenntnis:

Strafrecht ist Ultima-Ratio-Recht.

Und so schlagen sich zum Glück nur sehr wenige Zeitgenossen mit der Wahlmöglichkeit zwischen Schweiß und Gitter herum.


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