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„Vogelfrei“ vom Wannsee

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Foto: Andrey-Burmakin
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Vor gut 80 Jahren, am 20. Januar 1942 in der Mittagszeit kamen 15 ranghohe Männer des Nazi-Unrechtsstaats, SS-Offiziere, Staatssekretäre aus mehreren Reichsministerien und Führungskräfte der NS-Verwaltung in einer vornehmen Industriellenvilla am schicken Berliner Wannsee, einem Vorort Berlins zusammen und tagten circa 2 Stunden.

Draußen herrschten 12 Grad minus. Aber bereits die Tagesordnung der damaligen Geheimkonferenz lässt heute noch nicht nur geneigten Historikern das Blut gefrieren. Zentrales Thema war nämlich die Koordination der Deportationen und Massenermordung des europäischen Judentums. Eingeladen hatte Reinhard Heydrich, Chef des gefürchteten Reichssicherhauptamts, der sich auch zum Chefkoordinator dieses apokalyptischen Mordkommandos aufschwang.Laut dem 15-seitigen Wannsee-Protokoll wurde Heydrich durch die Konferenzteilnehmer zum „Beauftragten für die Vorbereitung der Endlösung der europäischen Judenfrage“ bestellt.

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Zwar wird diese „Endlösung“ durch die Bürokraten des NS-Schreckensherrschaft protokollarisch nur sehr unkonkret mit der „Evakuierung nach dem Osten“ beschrieben, gemeint ist aber unzweifelhaft die Vernichtung des Judentums, was durch Adolf Eichmann als engem Mitarbeiter Heydrichs später in seinem Prozess in Jerusalem unumwunden zugestanden wurde.

Bei den am Konferenztisch versammelten Exponenten der NS-Diktatur als rassistischen, antisemitischen Schreibtischtätern fanden diese Pläne Heydrichs mit Eichmanns Worten „freudige Zustimmung“.
Sie wurden aber damit auch zu Mittätern und Mitwissern des furchtbarsten Genozids der Menschheitsgeschichte.

Die Grundlagen für die Involvierung der Staatsbürokratie in das Programm der Ermordung der europäischen Juden durch die Deportation in die Konzentrationslager und die verwaltungstechnischen Regelungen dieses geplanten Genozids in Form der Auslöschung des europäischen Judentums waren geschaffen. In der Folge haben die willfährigen Täter des Naziregimes über 6 Millionen jüdische Menschen, Frauen, Kinder und Männer in den Gaskammern der Konzentrationslager ermordet. Bereits vor der Konferenz hatten die Nazischergen vor allem im Gebiet der Sowjetunion rund 500.000 jüdische Menschen umgebracht. Sie starben zumeist im Kugelhagel von Massenerschießungen.

Eine unfassbare Schande deutscher Geschichte, die aber mitnichten am Wannsee ihren Ausgangspunkt hatte.

Es war der völlig verblendete Rassenwahn der nationalsozialistischen Ideologie, den Adolf Hitler bereits viele Jahre zuvor in seinem braunen Pamphlet „Mein Kampf“ näher beschrieben hatte.

Hitler hatte zudem bereits 1939 in einer Reichstagsrede dem internationalen Judentum die totale Vernichtung angekündigt. Die Degradierung des Judentums zu vogelfreien Untermenschen fand letztlich ihre Legalisierung in den Nürnberger Rassengesetzen. Diese Gesetze wurden am 15. September 1935 durch den noch als Scheinparlament tätigen Rechtstag während des 7. NSDAP-Parteitags in Nürnberg beschlossen.

Mit dieser verheerenden Gesetzgebung wurden die jüdischen Mitbürger endgültig aus der deutschen Gesellschaft ausgegrenzt. Die Juden wurden zu vogelfreien „Volksschädlingen“ degradiert und damit die Legalisierung ihrer Diskriminierung und Vernichtung vorbereitet.

Das „Reichsbürgergesetz“ beendete nämlich die staatsrechtliche Gleichheit der deutschen Bürger im nationalsozialistischen Deutschland. Jüdische Mitbürger waren damit keine Reichsbürger mehr und gingen aller politischen Rechte verlustig.

Juden durften keine öffentlichen Ämter mehr ausüben, jüdische Beamte wurden mit Ablauf des 31. Januar 1935 in den Ruhestand versetzt. Das weitere Nürnberger „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, kurz „Blutschutzgesetz“ basierte auf der nationalsozialistischen Rassenlehre, mithin auf der Reinerhaltung des deutschen Blutes zur Sicherung der reinen deutschen Volksrasse.

Danach durften Juden und Nicht-Juden nicht mehr heiraten, bereits geschlossene Ehen wurden ab sofort für nichtig erklärt. Juden war auch jeglicher außereheliche Geschlechtsverkehr untersagt („Rassenschande“).

Bis 1938 hatte die jüdische Bevölkerung nahezu sämtliche Grundrechte verloren.

Überdies wurden die Juden in der Folge durch das aufgezwungene Tragen des Judensterns zusätzlich gesellschaftlich stigmatisiert. Ab dem 3. Januar 1936 wurden auch Sinti und Roma durch einen vertraulichen Erlass des Reichsministers Frick den entrechteten Juden gesetzlich als Untermenschen gleichgestellt.

In der Konsequenz dieser menschenverachtenden Gesetzgebung wurden Juden, Sinti und Roma de facto für vogelfrei erklärt, also wegen ihrer „rassischen Minderwertigkeit“ der totalen Schutzlosigkeit ausgeliefert.

Diese Rassengesetzgebung legalisierte die Vogelfreiheit aller Juden diente als Grundlage zur Vorbereitung der millionenhaften Ermordung des Judentums im nationalsozialistischen Deutschland und in Europa. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, heute vor gut 80 Jahren besiegelte dann endgültig in so erschreckender wie unfassbarer bürokratischer Klarheit die „Endlösung der Judenfrage“ am grünen Tisch.

Eine deutsche Schande, die auf alle Zeit Mahnmal und Monument der Erinnerung für den unerbittlichen Widerstand gegen Rassismus und Intoleranz sein muss!


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