Start Magazin Rat & Recht Wird zu lange gefackelt?

Wird zu lange gefackelt?

„Diese Ausländer sind doch nur Schnorrer unseres Sozialstaates und unterwandern unsere deutsche Kultur…“ Solche und ähnliche Stammtischparolen hören wir leider allzu häufig in deutschen Landen. Und obwohl diese Parolen im Grunde völlig inhaltsleer sind, kommen sie nicht nur bei einfachen Gemütern an, sondern bedienen sie oftmals auch Ressentiments hervorgehend aus mancherlei Alltagsfrustationen, ohne dass die Urheber gleich rechtsextrem sein müssen.

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Foto: Andrey Burmakin
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Erschreckend ist hingegen, dass derartige krude Sprüche von politischen Rechtsaußen in einer im Bundestag vertretenen Partei mit dem völlig irreführenden Namen Alternative für Deutschland (AfD), insbesondere von den Rechtsextremisten des sog. Flügels in der AfD hofiert werden. Dagegen steht das unauslöschliche Erinnerungserbe des Naziregimes mit „Nie wieder! und „Wehret den Anfängen!“

Fackeln wir zu lange und lassen rechtsextremes Gedankengut allzu ungehindert wieder aufblühen? Fackelt insbesondere unsere Justiz zu lange, um mit der starken und wehrhaften legislativen Hand des Rechtsstaats gegen rechtsextreme Umtriebe vorzugehen? Aber warum ist der Rechtsstaat so manches Mal auf dem rechten Auge blind? Wie kann es sein, dass Politiker*innen immer wieder mit hasserfüllten und volksverhetzenden Angriffen im Internet konfrontiert werden, die Justiz jedoch derartige Exzesse gelegentlich recht leichtfüßig als noch „normal“ im Sinne der noch so gerade erlaubten freien Meinungsäußerung einstufen? Wie kann es sein, dass Konzerte und Aufmärsche rechtsextremer Parteien auch nach richterlicher Überprüfung genehmigt werden? Wie kann es sein, dass rechte Gewalttäter die allzu große richterliche Milde erfahren, um sodann erneut auf unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in braun lackierten Fackelzügen zu verhöhnen?

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Natürlich ist die der Unabhängigkeit und Neutralität verpflichtete Justiz gehalten, allen Bürgern das Grundrecht der Meinungsfreiheit zu gewähren. Doch dürfen sich die Gerichte nicht wegducken, wenn rechtsextreme Gesinnungsgenossen mit Gewaltverherrlichung, Volksverhetzung, Umsturzideologie oder purem Rassismus unsere demokratischen Grundwerte zu unterwandern versuchen.

Das Bundesverfassungsgericht gibt den Richter*innen das Gebot auf, ihre Aufgaben als „politisch neutral als Diener des Rechts“ wahrzunehmen. Neutralität, Unvoreingenommenheit, Unabhängigkeit, politische Mäßigung und Zurückhaltung – das sind die aus Art. 97 Grundgesetz (GG) hergeleiteten Verfassungsinstrumentarien, die eine unparteiische Rechtsprechung garantieren.

§ 9 Abs. 1 Deutsches Richtergesetz (DRiG) schreibt vor, dass nur diejenigen in das Richterverhältnis berufen werden dürfen, die u.a. „die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten“. Das ist die reine Lehre. Die Gerichtspraxis hinsichtlich der Beurteilung rechtsextremistischer Umtriebe sieht leider gelegentlich anders aus. So werden seitens Richter*innen oder Staatsanwält*innen aus Unwissen oder Unwillen rechtslastige Taten verharmlost, rassistische Auswüchse relativiert oder braune Ideologie allzu sehr verständnisvoll hinterfragt.

Beispielsweise hat die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen die Agitation der „Gruppe Freital“ zunächst nicht als terroristische Vereinigung qualifizieren. Erst nach weiteren verwundenen Gängen durch die sächsische Justiz wurde die Generalstaatsanwaltschaft einsichtig und erhob Anklage gegen diese Vereinigung zum Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden, wo die Rädelsführer schließlich u.a. wegen Mord und schwerer Sprengstoffanschläge verurteilt wurden.

Das Verwaltungsgericht Gießen verstieg sich in einem Urteil in 2018 in die kaum zu glaubende Wertung, dass der NPD-Slogan „Migration tötet“ eine empirisch beweisbare Tatsache sei.

Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat im zurückliegenden Bundestagswahlkampf zum Entsetzen der deutschen Öffentlichkeit entschieden, dass Wahlplakate der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“ nicht abgehängt werden müssen und mit mindestens hundert Meter Abstand von den Plakaten der GRÜNEN hängen bleiben dürfen.

Das sächsische Oberverwaltungsgericht hat hingegen in der Folge nicht lange gefackelt und diesem fatalen Urteil den Garaus gemacht, hat es mithin mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Schmähplakate abgehängt werden müssen, da ihre Botschaft offensichtlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllten, was nicht mehr unter den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit falle, weil nämlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestünde.

Es darf also in der Justiz gegenüber der Ahndung verfassungsfeindlicher rechts- und selbstredend auch linksradikaler Gesinnungstaten nicht lange gefackelt werden.

Unser Rechtsstaat muss wehrhaft sein und bleiben!

Denn wenn sich unser demokratisches Gemeinwesen nicht gegen Rechtsextremismus zu erwehren weiß, geben wir unseren Rechtsstaat preis.
Vornehmlich die Justiz hat den grundgesetzlichen Auftrag und die Verpflichtung, um das Recht zu kämpfen.

Der Gerichtssaal sollte die auf unsere gesamte Zivilgesellschaft ausstrahlende Bühne dieses Kampfes ums Recht sein, um rechtstotalitären Ränkespielen, Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Sexismus entgegenzutreten.

Kuschen gilt nicht, sondern allein das Prinzip: Nicht lange fackeln!


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