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Von Lapsus und Schwüren

Kleine und große Versprechen

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Adam, Eva und das Wahlversprechen | Foto: HERZOG
Adam, Eva und das Wahlversprechen | Foto: HERZOG
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Adam und Eva lebten in Paris. Dieser Versprecher einer meiner nächsten Verwandten, der ich hoch und heilig versprechen musste, niemals niemandem davon zu erzählen, treibt mir immer noch Freudentränen in die Augen.

Sie hat Talent für Versprecher und sorgte in unserer Jugend immer wieder für Überraschungen und nette Wortverdreher und kann mit unserem Bundespräsidenten mithalten. Mit „Verkehrte Äste“ begrüßte Herr Gauck seine brasilianischen Gäste. „Hilfreich ist die Kenntnis der deutschen Strafe…Sprache!“ entgegnete ihm Dirk Niebel. Aber was hilft die Kenntnis der Sprache, wenn man den Namen der eigenen Chefin vergisst: „Es ist Ihr Land und nicht das von Andrea Merkel.”

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„Ich weiß, was es bedeutet, Mutter von drei kleinen Kindern zu sein“ sagte einst Edmund Stoiber und Andrea Ypsilanti glänzte mit: „Ich bin in Rüsselsheim als Sohn eines Opelarbeiters geboren…”. Hier erreichen unsere Politiker locker das Niveau des wahren Versprecherkünstler Lothar und Lukas: „Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken“ oder “Jetzt müssen wir die Köpfe hochkrempeln. Und die Ärmel natürlich auch.”

„Wir pfeifen nicht nach ihrer Tanze“ könnte auch von den beiden sein, stammt aber von Hans Ulrich Klose oder/und Guido Westerwelle. (Hier führten die Recherchen des HERZOGS nicht zu einem eindeutigen Ergebnis). Ein schöner Lapsus, aber kein Lapsus Linguae. So wird der Freudsche Versprecher oder die Freudsche Fehlleistung auch genannt. Vom Meister selbst beschrieben (Zur Psychopathologie des Alltagslebens 1900,1904) ist dies eine sprachliche Fehlleistung, bei der angeblich ein eigentlicher Gedanke oder eine Intention des Sprechers unwillkürlich zu Tage tritt. Es wird also nicht angenommen, dass solchen Versprechern eine einfache oder assoziative Beeinflussung der Sprachproduktion zugrunde liegt, sondern behauptet, dass es eine psychische Ursache dafür gibt.

Seit dem allgemeinen Bekanntwerden der auf Freuds Befunde gestützten Theorie der Fehlleistungen hat jemand, dem ein solcher Versprecher unterläuft, einen schlechten Stand, seinem Publikum nachzuweisen, dass es sich gar nicht um einen Lapsus der Freud’schen Art handelt, wohingegen vor Freuds Zeit solch ein Versprecher lediglich ein Anlass zur Heiterkeit gewesen wäre, oder eventuell begleitet von völligem Unverständnis, auch empörtem Getuschel.

Der folgende Versprecher hätte Herrn Clement also vor Freud sicherlich weniger in Nöte gebracht: „Die Bürger kann man am besten entlassen…entlasten“. Gleiches gilt für Herrn Röttgen: „Bedauerlicherweise entscheidet nicht alleine die CDU darüber, sondern die Wähler entscheiden darüber.“

Bedauerlicherweise sind dies keine Einzelfälle, und nimmt man die nächste Form des „Versprechen“ dazu, fallen einem sogleich erneut Politiker auf. Es geht um das gebrochene Versprechen. In Zeiten der Wahlen wenden wir uns lieber der Kultur zu: „Was Du sprichst, das halt. Gebrochenes Versprechen ist gesprochenes Verbrechen,“ sagt Friedrich Rückert (1788 – 1866) deutscher Dichter und Übersetzer arabischer, hebräischer, indischer und chinesischer Dichtung, ein Mann von Welt.

Ca. 100 Jahre später finden wir in der Literatur Dürrenmatts Roman „Das Versprechen“. Das Requiem auf den Kriminalroman, so der Untertitel, entstand aus seiner eigenen Drehbuchvorlage zum Film „Es geschah am hellichten Tag“. Dürrenmatt war mit dem Film zwar zufrieden, doch begeistert war er nicht. Aus diesem Grund schrieb er auf der Grundlage seines Filmskripts den Roman „Das Versprechen“ und stellt darin die gängigen Regeln eines Krimis zur Diskussion. Während der menschlich-engagierte Kommissär Matthäi im Film mit seinen Ermittlungen Erfolg hat, scheitert er im Roman letztlich an einem dummen Zufall und zerbricht an seinem Versprechen.

Dann doch lieber das Versprechen brechen, denkt man, oder? Und warum versprechen wir was? „Wir versprechen aus Hoffnung und wir halten aus Furcht“, sagte einst François VI. Duc de La Rochefoucauld. Na ja, ich habe meinem Sohn versprochen, mit ihm Kuchen zu backen, und das halte ich jetzt ein (aus Liebe).

„Ja, ich komme, ich ruf nur nochmal kurz in der Redaktion an, – Hallo, kannst Du mal übernehmen, schreib was über Versprechen, der Artikel muss morgen fertig sein und ich habe jetzt keine Zeit mehr.“

„Ähm. Meinst Du sich versprechen oder etwas versprechen?“

„Beides“.

„Okay“.

„Also kannst Du?“

„Klar.“

„Ähm. Meinst Du, Du kannst es, weil Du fähig bist oder meinst Du, Du kannst das, weil du es machst?“

„Beides“.

„Okay.“

Manchmal ist das ja so eine Sache mit Versprechen. Also sowohl mit diesem als auch mit jenen. Einerseits drückt das Wort eine Absichtserklärung aus – also etwas versprochen zu haben, und andererseits umschreibt es eine unabsichtliche Falschinformation – also sich versprochen zu haben.

Je länger ich darüber nachdenke, wodurch sich  das Versprechen und der Versprecher voneinander unterscheiden, desto klarer wird mir, dass diese Unterschiede immer unklarer werden. Die Doppeldeutigkeit des Wortes schreit zum Blau des Himmels, das einem ja auch schon mal herabversprochen wird. Und sich dann aber als Versprecher herausstellt – nicht nur unbedingt wettertechnisch. Menschen mit Kenntnissen der Physik, speziell der Optik, könnte man speziell dieses Versprechen nicht einmal als Versprecher abkaufen, da ihnen die Zusammenhänge zwischen Himmel, Lichtbrechung und Farbenlehre durchaus bekannt sind und somit von einer „unabsichtlichen Falschinformation“ nicht ausgegangen werden kann. Und wo wir einmal bei der Physik sind: mit der Einsteinschen Relativitätstheorie kommt man irgendwie auch aus so mancher Versprechen-Nummer raus. Dann war es noch nicht mal ein Versprecher, sondern wissenschaftlich beweisbar unmöglich. Wenn sich Raum und Zeit nämlich gar nicht so recht packen lassen, wie genau und bindend sind dann „für immer und ewig“ oder „hier und jetzt“?! Wie bindend sind Versprechen vor dem Traualtar oder der Zölibat-Schwur der Priester vor dem Vatikan, Fahneneide und Indianer-Ehrenworte, Wetterberichte und Angaben der Navigationsgeräte?! Wie gleich ist gleich („Ich komme gleich!“), wie sofort ist sofort („Mach ich sofort!“) und wie viel später ist später („Es wird was später!“)?! Wahrscheinlich ist das ebenso relativ wie die Fahrpläne der Deutschen Bahn.

Täglich werden hier Versprechen gebrochen: „Der Zug AB aus C kommt heute XY Minuten später an auf Gleis Z“. Bestenfalls ohne Versprecher des Zugpersonals ist es ein täglich gebrochenes Versprechen und manchmal auch ein Verbrechen an den durchgetakteten Tagesplänen der Reisenden. Wobei: was ist ein Tag und was bestimmt eigentlich die Länge eines Taktes? Alles ist relativ. Selbst der Kindermund, der ja laut Sprichwort-Versprechen Wahrheit kund tut. Denn auch im zarten Alter sind Versprechen und Versprecher manchmal nicht auseinanderzuhalten: „Ich bin noch gar nicht müde!“, „Ich war das nicht!“ oder „Der hat angefangen!“. Und doch: dass Kinder-Versprechen glaubwürdiger und entschlossener die Absichten erklären, lässt sich dadurch beweisen, dass auch bei Erwachsenen ein dem Versprechen hinterhergeschobenes  „Pfadfinderehrenwort!“ (alte Bundesländer) oder „Pionierehrenwort!“ (neue Bundesländer) der ultimative Schwur ist, um den unbedingten Einhaltungswillen des Versprechers bzw. des Versprechenden zu erklären. Nicht immer und nicht überall, aber das lässt sich dann wiederum mit Herrn Einstein entschuldigen…

„So. Ich bin fertig.“

„Ähm. Meinst Du der Text ist beendet?“

„Ja. Was sonst?“

„Hätte ja auch ein Versprecher sein können.“

„War aber ein Versprechen.“

„Und versprochen ist versprochen?“

„So oder so…“

„Genau, fehlt noch ein kurzer Schluss und fertig und ab in Druck.“

Prediger 5, 4-5: „Es ist besser, du gelobst nichts, als dass du nicht hältst, was du gelobst. Laß nicht zu, dass dein Mund dich in Schuld bringe und sprich nicht: Es war ein Versehen.

  GICKS


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