Start Stadtteile Jülich Auf dem Atom: Grüne Wiese ab 2040

Auf dem Atom: Grüne Wiese ab 2040

Es war viel von Verantwortung die Rede, von Kompetenz, Fachkenntnis und von der Zukunft. All diese Komponenten sind für die Sicherheit der Menschen und die gesellschaftliche Aufgabe notwendig, radioaktive Altlasten einer Endlagerung zuzuführen. Das genau ist die Bestimmung, für die die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) 2015 gegründet wurde: "Das Atom", wie der Jülicher gemeinhin sagt, zurückzubauen und zu "entsorgen".

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JEN-Geschäftsführerin Beate Kallenbach-Herbert nahm die Gäste mit auf eine Zeitreise. Foto: Dorothée Schenk
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Zum zehnjährigen Bestehen hatte die Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) eingeladen, um auf Erfolge und Herausforderungen aber auch Perspektiven zu blicken. Arbeitstechnisch sind das gute, denn wer bei der JEN arbeitet, hat einen krisensicheren „Job“, wie Abteilungsleiter Stefan Müller vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt feststellte. Noch Jahrzehnte wird die Bewältigung der gestellten Mission in Anspruch nehmen.

Mit Augenzwinkern stellte JEN-Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Martin Hillebrecht von Liebenstein die Frage, ob 10 Jahre bereits ein Grund zum Feiern seien? Beispielsweise habe Uran-235 eine Halbwertszeit von mehr als 700 Millionen Jahren. Selbstredend war die Antwort trotzdem ein klares „ja“. Stolz könne die JEN auf ihre Arbeit und auf das sein, was sie jeden Tag schaffen würden. Sie hätte eine Vorbildfunktion, sei ein Leuchtturmprojekt.

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Aktuell in vieler Munde ist die JEN in diesen Tagen, da das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, kurz BASE, die Beförderung von 152 Castor-Behältern aus Jülich in das Zwischenlager Ahaus genehmigt hat. Zeitlich passend, wie der Aufsichtsratsvorsitzender meinte, den JEN-Geschäftsführer Christof Braam, der an diesem Festtag in die Rolle des Moderators geschlüpft war, als Aufpasser, Unterstützer und Impulsgeber begrüßte. Hillebrecht von Liebenstein betonte, wie wohlverdient dieses „Geburtstagsgeschenk“ sei, denn dahinter stecke die Arbeit des JEN-Teams, das die aufwendigen Genehmigungen vorbereitete habe. Erleben würden allerdings weder er noch jemand der Anwesenden „auf einer grünen Wiese am Standort spazieren gehen zu können“.

Vom Rückbau, der nicht nur ein Gebot der Vernunft, sondern auch rechtlich durch das Standortauswahlgesetz geboten sei, sprach Prof. Phillip Fest vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie. Bei allem Lob merkte Fest als Vertreter der Atomaufsichtsbehörde kritisch an, dass es nicht vermittelbar sei, dass es eine 10 Jahre lange, ungenehmigte Lagerung der AVR Brennelemente gegeben habe. „Ich hoffe, dass der Forschungscampus dazu beiträgt, dass wir lernen und effizientere Abläufe erreichen.“

Als Vertreterin des „Campus“ überbrachte Stephanie Bauer als Forschungszentrums-Vorstandsmitglied ein Grußwort und lobte die JEN – mit Wurzeln im Forschungszentrum – die heute eigenständiger, verlässlicher Partner auch für die Zukunft sei. Denn durch den Rückbau würden Flächen zur Entwicklung des Forschungszentrums frei.“Aus gemeinsamer Geschichte wächst eine gemeinsame Zukunft“, formulierte Bauer pointiert.

Hieran anknüpfend nahm JEN-Geschäftsführerin Beate Kallenbach-Herbert die Gäste mit auf eine „Kleine Zeitreise“. Beeindruckend schilderte sie, dass die Errichtung der Forschungsreaktoren Merlin und Dido von der Planung bis Inbetriebnahme nur fünf Jahre gedauert habe, Planung und Bau des AVR-Reaktors nur sechs Jahre. Dagegen sei bereits 2009 mit den Vorbereitungen zum Rückbau begonnen worden – noch ehe 2014 die Anordnung zur Räumung kam. Der Verwaltungsbau der JEN, der bereits 2016 in einer Aufsichtsratssitzung protokolliert sei, soll nun 2028 bezogen werden. Die Genehmigung zum Transport der 152 Castor-Behälter wertete Kallenbach-Herbert als Erfolg. Allerdings mit dem Einwand, dass die Transporteinheiten – es könnten jeweils maximal drei Castoren je Tour nach Ahaus gebracht werden „doppelt so schwer, doppelt so lang und ein vielfaches teurer werden“ würden. Zu erwarten sei zudem juristischer Widerspruch.

Was genau hinter dem Rückbau steckt, erläuterte Dr. Katharina Breunig von der JEN. 1300 durchschnittliche Pkw-groß sei der Reaktor, der noch „entsorgt“ oder endlagergerecht aufbereitet werden muss. Dabei ist die Kontaminierung so groß, dass nur die Jülicher Altlasten die Kapazitäten des Endlagers Konrad ausschöpfen würden. „Wir brauchen eine neue Anlage“, stellte sie fest und daher auch der Rückschluss: „Alle Bereiche sind beteiligt und gefordert“. Los gehen soll es zwischen 2030 und 2035 und die Projektlauftzeit gab sie mit mindestens 35 Jahren an. Als eines der großen Problem der Zukunft sieht Breunig den Kompetenzverlust an.

Beate Kallenbach-Herbert hatte hervorgehoben, dass die Herausforderungen des Rückbaus unter anderem seien, dass „man immer wieder auf nicht vorhersehbare Situationen trifft“. Gemeint sind hierbei die unterschiedlichen Materialien, etwa Stahlkügelchen, die unvermutet im Schwerbeton auftauchten. Die Kosten für die Sortierung der Altlasten und Dekontaminierung schätzt die Geschäftsführerin bis 2040 auf 1,7 Milliarden Euro.

Wie eine sachgerechte Bewältigung der Aufgabe vonstatten gehen kann, schilderte Devrim Gürsel von der RWTH Aachen in einem Fachvortrag. Seinen Worten zufolge will die JEN gemeinsam mit der RWTH eine Rückbau-Anlage bauen, um den „heterogenen, enorm unsicheren Abfall“ zu bewältigen. Leisten soll die Herausforderung eine Sensor-Sortierung, für die auch ein KI-Assistent trainiert werden soll.

Rückbau sei nicht mit dem Vorschlaghammer umzusetzen, hatte die technische Geschäftsführerin der JEN in ihrer Geburtstagsrede betont. Die filigranen und technisch anspruchsvollen Arbeiten werden noch Jahrzehnte dauern – die nächste Geburtstagsfeier „auf dem Atom“ kann also schon einmal in die Kalender eingetragen werden.


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