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„Pionierarbeit 2.0“

Der vorgezogene Ausstieg aus der Braunkohle im Rheinischen Revier wurde mit einem neuem Reviervertrag besiegelt. Dabei verpflichten sich die Unterzeichnenden, unter anderem die Landesregierung, zu einem organisierten Strukturwandel bis 2030. Die IHK Aachen pocht als Mitunterzeichnerin dabei auf die Beseitigung bürokratischer Hürden und des Planungs- und Genehmigungsrechts, um die Ziele der Politik zu erreichen.

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Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Reviervertrags 2.0. Foto: Tomas Rodriguez | Zukunftsagentur Rheinisches Revier
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Mit der feierlichen Unterzeichnung des Reviervertrages 2.0 haben Ministerpräsident Hendrik Wüst, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und zahlreiche weitere Ministerinnen sowie Minister der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und Mitglieder der Gesellschafterversammlung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier den Startschuss für die Umsetzung des vorgezogenen Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung gegeben. Die Region wird sich damit noch intensiver für einen erfolgreichen Strukturwandel engagieren, fordert aber gleichzeitig von Land, Bund und Europäischer Union unkompliziertere Förderinstrumente und massiv beschleunigte Verfahren, berichtet die Zukunftsagentur Rheinisches Revier.

In Zeiten, in denen der Klimawandel bereits vielerorts deutliche Auswirkungen zeigt, müssen Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland möglichst schnell von fossilen auf klimaneutrale Energieträger umsteigen. Aus diesem Grund hatte die neue Landesregierung Nordrhein-Westfalens im Oktober 2022 unter Federführung des Wirtschaftsministeriums gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Versorger RWE den Zeitraum für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier noch einmal um acht Jahre von 2038 auf 2030 verkürzt.

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Ministerpräsident Wüst äußert sich zu dieser Halbierung der Ausstiegssfrist: „Mit dem Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 leistet das Rheinische Revier einen herausragenden Beitrag zum Klimaschutz. Die Region kann auf ein enormes Potenzial zurückgreifen, um den damit verbundenen Strukturwandel zu meistern und zur Blaupause für den erfolgreichen Wandel einer Industrieregion zu werden. Und sie kann sich dabei auf die Unterstützung von Bund und Land verlassen.“ Der Ministerpräsident weiter: „Im Revier ist bereits einiges erreicht, aber allen Partnern in Region, Land und Bund ist bewusst, dass wir noch besser, vor allem noch schneller werden müssen. In den kommenden Jahren müssen weitere, sichtbare Schritte beim Umbau der Region gemacht werden. Es ist gut, dass der Reviervertrag 2.0 die anstehenden Aufgaben klar und deutlich benennt.“

„Der Reviervertrag 2.0 ist ein großer Erfolg. Wir alle haben lange auf diesen Tag hingearbeitet“, kommentiert Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, das Zusammenwirken aller Beteiligten an diesem Dokument. „Die Menschen im Rheinischen Revier haben es verdient, dass wir endlich die besten Voraussetzungen für ihre Region schaffen. Denn dieses Fleckchen Erde ist ihr Zuhause, ihre Heimat. Ich bin stolz, dass so viele verschiedene Akteure zusammen vorangehen. Auch unter der Bedingung des vorgezogenen Kohleausstiegs haben wir uns auf eine gute Grundlage für ein gemeinsames entschlossenes Handeln verständigt.“

„Die enorme Verkürzung der Ausstiegszeit stellt die Region vor gewaltige energie- und strukturpolitische Herausforderungen“, betont Tim Grüttemeier, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung, die Folgen dieser politischen Entscheidung. „Die Menschen im Rheinischen Revier haben in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass sie in der Lage sind, in Pionierarbeit eine starke Wirtschaft und ein verträgliches Zusammenleben zu organisieren. Und sie sind bereit, dies jetzt ein weiteres Mal zu tun. Das funktioniert allerdings nur, wenn staatliche Förderung von Land, Bund und EU zielgenauer ausgerichtet, Projektentwicklung, Bewilligung und Umsetzung beschleunigt werden. Wir benötigen unkomplizierte Förderinstrumente, die Unternehmen den Zugang zu Fördergeldern erleichtert – und zwar allen Unternehmen in allen Teilen der Region“, so Grüttemeier weiter.

Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen hat den neuen Reviervertrag 2.0 mitunterzeichnet und betont, wie wichtig eine rechtliche und bürokratische Erleichterung wäre. „Wir haben nur noch etwas mehr als sechs Jahre Zeit für die Energiewende in Nordrhein-Westfalen. Deshalb muss nach dem beschlossenen Kohleausstieg für das Jahr 2030 jetzt endlich der flächendeckende Einstieg in die Erneuerbaren erfolgen“, sagt Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen. „Wir als Vertreter der regionalen Wirtschaft fordern die Politik zu einem Paradigmenwechsel auf: Der Strukturwandel wird nur dann gelingen, wenn das Planungs- und Genehmigungsrecht grundlegend geändert und bürokratische Hürden großflächig beseitigt werden. Das hätte schon längst passieren müssen – denn die ambitionierten Ziele der Politik und somit auch die Vereinbarungen des Reviervertrags sind mit dem aktuellen Landes- und Bundesrecht nicht zu erreichen.“

Bayer betont: „Die Wirtschaft ist bereit für den erforderlichen Paradigmenwechsel. Doch nach wie vor verhindern unklare, sich teils sogar widersprechende Rahmenbedingungen den Aufbruch – etwa den schnellen Bau von Windrädern, Photovoltaikanlagen, Gaskraftwerken oder Stromtrassen.“ Die IHK Aachen habe sich deshalb bewusst dafür entschieden, Vertragspartner auch des neuen Reviervertrags zu werden, um konstruktiv alle Vertragsparteien in die Pflicht zu nehmen und den Strukturwandel voranzutreiben.

„Der Reviervertrag ist für uns keine Symbolpolitik, sondern eine verbindliche Verpflichtung aller Vertragspartner, ihre Hausaufgaben zu machen“, unterstreicht der Hauptgeschäftsführer. „Das heißt im Klartext: Die Politik muss jetzt liefern und die längst überfälligen verbindlichen Rahmenbedingungen schaffen, die unsere Wirtschaft benötigt, um in erneuerbare Energien und den Aufbau nachhaltiger Produktionsstätten, Produkte und die noch nicht vorhandene Infrastruktur zu investieren.“

Um die Ziele und Maßnahmen anzupassen, vor allem aber, um den ehrgeizigen Aktionsplan verbindlich zu steuern, haben die Zukunftsagentur Rheinisches Revier und die Landesregierung Nordrhein-Westfalens gemeinsam einen Meilensteinplan erarbeitet, der detailliert für die nächsten sieben Jahre die Wegmarken für 31 relevante Entwicklungsfelder im Strukturwandel in der Region festschreibt. Dieser Meilensteinplan wird in den nächsten Tagen auf den Webseiten beider Institutionen veröffentlicht.

Ungeachtet der enormen Anforderungen, die der vorzeitige Ausstieg in der kommenden Zeit an alle beteiligten Institutionen stellt, haben in den vergangenen Monaten bereits zahlreiche Projekte eine Förderzusage erhalten. Beispielsweise entsteht im „Brainergy Park“ Jülich derzeit ein Reallabor für das Energiesystem der Zukunft, das starke Impulse für die Gründerszene aus den Bereichen Energie, Digitalisierung, Umwelttechnik und Bioökonomie setzen und damit die zukünftige Wertschöpfung und Beschäftigung in der Region sichern will. Außerdem fiel in Düren jüngst der Startschuss für eine innovative Wasserstoff-Infrastruktur, die den Schienenverkehr ins klimaneutrale Zeitalter katapultiert. Ebenfalls in Düren startet demnächst auch die „Modellfabrik Papier“ mit dem Ziel, die die in der Papierproduktion eingesetzte Energie zukünftig um 80 Prozent zu reduzieren. Zudem wurde ein weiteres Förderprogramm „Zukunftsgutscheine Rheinisches Revier“ aufgesetzt, das kleine und mittlere Unternehmen mit Beratungsleistungen und Know How-Erwerb bei der Weiterentwicklung und Neuausrichtung ihres Geschäftsmodells fördert. Das gilt in ähnlicher Weise für die Einstellung neuer Mitarbeitender, welche die Transformation im Betrieb mit neuen Ideen und neuem Wissen bereichern. Außerdem stehen Mittel zur Umsetzung beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen und sogar für betriebliche Investitionen zur Verfügung. Das Rheinische Revier wird darüber hinaus in den kommenden Jahren mit der ResilienceExpo eine regelmäßige messeähnliche Veranstaltung zum Thema Klimaanpassung beheimaten. Hier sollen privatwirtschaftliche Unternehmen zu entscheidenden Akteuren werden, indem sie durch die Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen die Herausforderungen der Klimakrise reduzieren helfen. Ein weiteres gefördertes Projekt ist etwa der Aufbau einer „Gründungsfabrik“, mit der eine „School of Entrepreneurship“ etabliert werden soll (Unternehmerisches Denken), die die Innovations- und Gründungskultur in der Region stärken soll sowie eine Offene Coding School (Programmierschule) in Mönchengladbach. Weiterhin engagiert sich das AI Village in Hürth als Innovationscampus für alle Projekte im Bereich Künstliche Intelligenz. Dienstleister für Unternehmensgründung und Hightech sollen hier in einem innovativen Netzwerk vereint werden. Mit dem „Food Campus Elsdorf“ soll im Herzen des Rheinischen Reviers ein Knotenpunkt zur industriellen Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle im Kontext Agrar- und Lebensmittelindustrie, sowie Biotechnologie entstehen, der ebenfalls alle relevanten Akteure der Agrar- und Lebensmittelindustrie sowie der Biotechnologie des Reviers vernetzt, in Bergheim ist das „Kraftraum Shuttle“ gestartet, in dessen Rahmen ein neues flexibles On-Demand-Angebot für die Mobilität in der Stadt Bergheim und im Rhein-Erft-Kreis entwickelt wird, das auch auf andere Regionen übertragen werden kann. und das Projekt „Energiepark Herzogenrath“ fokussiert in fünf Teilprojekten die klimaneutrale Versorgung der Stadt mit Strom und Wärme durch den Ausbau der Kapazitäten bei Photovoltaik und Windenergie, dem Aufbau einer Speicherinfrastruktur und der Stärkung der wasserstoff- und strombasierten Mobilität.


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