Start Stadtteile Jülich Jeden vierten Schultag – Lernen in Zeiten von Corona (4)

Jeden vierten Schultag – Lernen in Zeiten von Corona (4)

Seit Donnerstag gehen die Kinder der vierten Klasse wieder zur Schule. Die anderen Jahrgänge der Grundschulen sollen diese Woche hinzukommen. Von Alltag spricht in den Schulen allerdings niemand.

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Der zweite Tag Schule. Viel Abstand, viel Vorsicht, viel Spontanität. Foto: Mira Otto
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Die Eingänge der Gemeinschaftsgrundschule Jülich-Nord sind momentan verschlossen. Wer eintreten möchte, muss eine Telefonnummer nutzen, die an den Eingängen auf einem Schild steht. Dann kommt jemand, der die Türe aufmacht. Eine von vielen Sicherheitsmaßnahmen, damit das Coronavirus Schülern wie Lehrern möglichst fernbleibt.

Auch für die Kinder heißt es momentan: Abstand halten und die Hygieneregeln beachten. Das funktioniere gut, so der Schulleiter Heinz Rombach. „Es war überhaupt gar kein Problem. Die Kinder waren vorsichtig und extrem ruhig.“ Fast gespenstisch sei es gewesen, als die Kinder mit Mund-Nasen-Schutz an den Schultoren in Empfang genommen und zwischen die Abstandsmarkierungen in die Schule sortiert wurden. Dann habe das Lehrpersonal immer zwei Kinder gleichzeitig zum Händewaschen angewiesen. Der Grund dafür ist denkbar simpel: Die Schulhoftoilette hat nur zwei Waschbecken. Alle Hände sauber, konnte der Unterricht losgehen.

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Momentan sind die Klassen „halbiert“. Das heißt, dass die Schüler, die sonst in einer Klasse sitzen, auf zwei Räume verteilt sind. Dadurch kann der Abstand zwischen den Schülern eingehalten werden. Während der drei Stunden in der Schule gibt es nur eine Frühstückspause, die im Klassenraum stattfindet. Die Lehrer signalisieren sich momentan über ein Schild im Flur, ob eines der Kinder gerade auf dem Weg zur Toilette ist. Steht das Schild an der Wand, darf man dorthin, wo auch der Kaiser zu Fuß hingeht. Steht das Schild im Weg, muss man warten. Not macht erfinderisch.

Die Kinder, für die Schule in Zeiten von Corona genauso neu ist wie für die Lehrer auch, scheinen die Situation momentan noch abschätzend zu beobachten. Seit die Schule im März zeitweise geschlossen wurde, werden die Grundschüler von den Lehrern mit Arbeitsmaterialien für zu Hause versorgt. Distanzlernen nennt man das. Dieses wird den Schülern bis auf Weiteres auch erhalten bleiben. Denn ab heute soll ein sogenanntes rollierendes System den Unterricht prägen. Dabei ist immer nur ein Jahrgang in der Schule. Die anderen lernen dann auf Distanz weiter. „Immerhin können wir dann mindestens alle anderthalb Wochen schauen, ob die Kinder mit dem Arbeitsmaterial zurechtkommen“, sagte Heinz Rombach. Außerdem sei es wichtig für die Kinder, ihre Lehrer zu sehen. Mitten im Interview stand er auf und erkläre den Kindern in einer Durchsage, dass am Montag wieder die vierten Klassen in die Schule müssen. Das mit dem rollierenden System weiß Rombach übrigens erst seit gut anderthalb Wochen. Dann wurde das System am vorletzten Sonntag nochmal in Frage gestellt. Dann am Donnerstag, eine halbe Woche vorher, mit einer weiteren Mail die Gewissheit, dass das rollierende System kommt. Ein und ein bisschen Werktag und das Wochenende, um die Schule endgültig zu organisieren. Dazu Rombach durch den weißen Mundschutz: „Die ganzen unbestimmten Dinge und die Kurzfristigkeit stellen uns vor riesige Probleme.“

Bettina Krichel lehrt an der Nordschule. Im Austausch mit den Kollegen versorgt sie ihre Klasse mit einem Wochenplan. Dabei gibt es für jeden Tag Schulaufgaben, die zu erledigen sind. Mit Abstrichen funktioniert das auch. So stand beispielsweise bei den vierten Klassen die schriftliche Multiplikation auf dem Lehrplan. „Wir haben die schriftliche Multiplikation zusammen mit Erklärvideos in die Hände der Eltern gegeben. Jeder erklärt den Lösungsweg anders und die Kinder lösen die Aufgaben jetzt unterschiedlich, aber das Wichtigste ist, dass die Kinder auf das richtige Ergebnis kommen.“ Auch die Bildergeschichten, die die Kinder nun mit in den Unterricht gebracht haben, waren gut. „Man merkt, dass die Eltern den Kindern bei den Geschichten geholfen haben. Aber das ist nicht schlimm. Dann merkt man, dass die Kinder zu Hause unterstützt werden.“

Trotz des Engagements der Lehrer hat das Distanzlernen seine Tücken. Der Fokus des Unterrichts liegt auf Mathe und Deutsch. Auch ein paar Aufgaben für die Schulfächer Englisch und Sachkunde wurden den Kindern mit auf dem Weg gegeben. Andere Fächer, wie Sport, fallen momentan auch nach der Öffnung der Schule komplett flach.

Da die Distanzlehre weiterhin Thema ist, sind die Schüler darüber hinaus weiterhin auch von ihren Eltern abhängig. In einer Fragerunde mit den Schülern wurde klar, dass die Kinder sich unterschiedlich lange mit dem Schulstoff beschäftigen. Manche Kinder sitzen drei Stunden an den Arbeitsblättern. Manche eine Stunde. Ein Kind berichtete davon, dass einiges noch vor dem ersten Tag in der Schule erledigt werden musste. Einige Kinder passen immer wieder auf die Geschwisterkinder auf oder werden von großen Geschwistern gehütet. Und da sind da noch die Kinder, deren Eltern ihre Kinder aufgrund von Sprachbarrieren nicht wirklich unterstützen können. In diesem Familien fällt die Distanzlehre aus. Für diese Kinder ist die einzige Möglichkeit für Bildung bis auf weiteres jeder vierte Schultag, in der ihr Jahrgang mit dem Präsenzunterricht dran ist.

Fest steht: „Alle Kinder werden versetzt“, sagte Schulleiter Rombach. Es sei denn, die Eltern wünschen, dass das Kind das Schuljahr wiederholt. Ob es Zeugnisse geben wird, ist unklar. Auf welcher Basis die Zeugnisse geschrieben werden, ist unklar. Klassenarbeiten finden momentan nicht statt.


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