Vor allem das positive Zeichen zählte bei der Wahlversammlung der Jülicher Partei von Bündnis 90/ Die Grünen. Diese Losung gab gutegelaunt Gudrun Zentis als Versammlungsleiterin aus. Die ehemalige Landtagsabgeordnete erläuterte zunächst das Wahlprocedere und stellte für die Partei fest: „Die Reserveliste ist die, die am meisten zieht – meist haben wir keine Direktkandidaten, auch wenn wir sie verdient hätten.“ Vor der Aufstellung des Personals für die Wahlkreise hatte sich die Partei die Bürgermeisterkandidaten Axel Fuchs und Frank Rademacher eingeladen, die sich nacheinander und unabhängig voneinander der Versammlung präsentierten. Einen partei-eigenen Bürgermeisterkandidaten, so sagte Christine Klein, habe man trotz intensiver Gespräche nicht gefunden. Ehrlicherweise, formulierte Klein, müsse man sagen, dass einerseits die Arbeitszeiten erheblich seien und andererseits sehen, dass man in diesem Amt zunehmend persönlichen Angriffen ausgesetzt sei. Daher sei es immer schwieriger, Menschen zu finden, die diese Positionen übernehmen wollten.
Axel Fuchs konstatierte, dass er sich nach zehn Jahren im Amt sicher nicht mehr vorstellen müsse, formulierte seinen Respekt vor der Arbeit der Fraktion und der Partei: „Ich habe schon immer öffentlich gesagt – auch zum 40-jährigen: Ich bin dankbar, dass es die Grünen gibt. Sie waren für unsere Gesellschaft extrem wichtig.“ Aber auch: „In kommunalpolitischen Themen sind wir weit auseinander – das ist gut so, weil es in der Demokratie so sein kann.“ Das gelte beispielsweise für die Themen Marktplatzgestaltung, Krankenhaus und Schwanquartier. Er wolle mit offenen Karten spielen: „Ich hätte absolutes Verständnis, wenn man am Ende des Tages sagt: Wir können den Bürgermeisterkandidaten nicht unterstützen.“ Um es vorwegzunehmen: So ist es gekommen.
Nachfragen gab es an den amtierenden Bürgermeister zu den Themen Personalentwicklung in der Verwaltung – die in die Hoheit eines Bürgermeisters fällt, wie Grünen-Sprecherin Christine Klein betonte. Hintergrund sei, dass Planungen sich aktuell sehr lange hinzögen oder zum Teil lange liegenblieben. Axel Fuchs bestätigte, dass mehr Personal gebraucht werde: „Wir wollen ja wachsen und damit muss auch das Personal steigen, um die Bedarfe zu decken.“ Digitalisierung sei angesichts des Fachkräftemangels auch ein Thema, aber kein Allheilmittel. „Wir brauchen auch Personal vor Ort. Auf die Frage einer verbesserten Radverbindung nach Stetternich erwiderte Fuchs, dass Verbindungen immer eine Frage des Straßenbaulastenträgers, beziehungsweise der Zuständigkeit seien. Der Stetternicher Radweg falle in die Zuständigkeit von StraßenNRW. Ebenso sah er das Problem „Rübenstraße“ als unlösbar an, da dies eine Privatstraße der Zuckerfabrik sei, die nach zwei Personenunfällen eine Überfahrung untersagt habe. Dem widersprach Christine Klein. Der Weg dürfe sich nicht mit Schwerlastverkehr kreuzen, also ginge es nur „drunter oder drüber“. Eine Brücke für den Radverkehr, betonte Fuchs, würde mit geschätzten sieben Millionen Euro zu Buche schlagen. Eine Unterführung sei noch teurer. Aber die Mobilitätsmanagerin „Claudia Tonic-Cober ist dran“.
Bemängelt wurde eine mangelnde Kommunikation seitens der Verwaltung bei Großprojekten wie dem Schwanquartier. „Was steht auf dem Programm, damit die Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung besser klappt?“ lautete eine Frage. Die Investoren seien gehalten, die Zivilbevölkerung einzubinden, erwiderte Fuchs. Das Mittel der Wahl der verwaltung sei allerdings die „Offenlage“, bei der die Bevölkerung Beteiligungsmöglichkeit habe. „Die Offenlage ist für uns das maßgebliche in den Verfahren.“ Allerdings stünden die Türen in der Stadtverwaltung, auch seine eigene, immer offen. Dem stimmte Andreas Balsliemke zu: „Es ist, glaube ich nicht überall üblich, dass Fraktionsmitglieder mit allen Verwaltungsmitarbeitern reden können – und informiert werden.“

Als Sohn der Stadt Jülich, der in Jülich aufgewachsen, zur Schule gegangen und anschließend eine Schreinerlehre absolviert habe, ehe er den Weg zum „Bund“ einschlug, stellte sich Frank Rademacher, Bürgermeisterkandidat der CDU vor. Seit 33 Jahren sei er im Hauptberuf Soldat, politisch „mehr in den Sozialausschüssen unterwegs“ gewesen, 25 Jahre verheiratet und habe zwei Kinder. Ursprünglich, so ließ er wissen, habe er Zivildienst leisten wollen, sich aber dann doch für die Bundeswehr entschieden und hier auf dem zweiten Bildungsweg viel erreicht: Als Gruppenführer, Zugführer, Kompaniechef fühle er sich gut vorbereitet auf „Leitung“: „Ich glaube, dass ich für eine Führung der Verwaltung nicht ganz ungeeignet sein kann. Ich kann eine Stadt nicht neu erfinden“, betonte Rademacher, Beschränkung seien durch Regeln und Bestimmungen gegeben, aber er wünscht sich eine andere und vor allem beschleunigte Entscheidungsstruktur. Als Beispiele nannte er den Rathausneubau und Brückensanierungen. Es gehe nicht darum, den Stadtrat zu entmachten, aber man müsse Menschen führen und auch anleiten.
Mehr Bürgerbeteiligung sieht Frank Rademacher als weiteres Feld. „Wollt Ihr lieber ein Hallenbad oder eine Brücke Kirchberger Straße?“ – diese Frage könne man den Bürgern stellen. „Kommunikation“ war ein wichtiges Stichwort in Rademachers Vorstellungsrunde. Das gelte für ein Parkraumkonzept wie für den ÖPNV. Aufeinander zuzugehen sei wichtig: „Wenn ich eins gelernt habe, ist es Konfliktmanagement, das kann ich einbringen.“ Verbesserungspotential sieht er auch in der Verwaltung: „Wo können wir vielleicht durch mehr Freiheit in der Auftragserfüllung bessere Ergebnisse erzielen?“ Oder wer bräuchte mehr Führung?
Nachdem Frank Rademacher sich als langjähriger Schwimmtrainer vorgestellt hatte, ergab sich die Frage nach dem Neubau eines Hallenbades als logische Folge. Hier ging es vor allem um den Standort. Er könne sich die Lösung vorstellen in Nachbarschaft zum Freibad – trotz der Lage im Hochwasserschutzgebiet –, aber auch ein alternativer Standort in der Nähe der Haltestelle An den Aspen. „Ich weiß, dass die Stadtwerke an dem Thema Arbeiten.“ Die Nachfrage von Andreas Balsliemke, wie Rademachers Einstellung zum „1000-jährigen Hochwasser“ 2021 sei und ob er Maßnahmen plane, beantwortete der CDU Kandidat spontan: „Halten Sie es für naiv, aber ich habe nicht mit gerechnet.“ Aufwachsen an der Vogelstange sei ihm die Überflutung der Rurauen vertraut gewesen, aber dieses Ausmaß nicht. Die Menschen in Koslar und Barmen seien enttäuscht, dass sich in Sachen Hochwasserschutz noch nichts getan haben. Die Stadt Jülich könne die Dinge aber nicht groß beeinflussen, da müsse er Axel Fuchs in Schutz nehmen. Als sein Plus warf Rademacher den Kontakt zu Ralf Nolten, CDU-Landratskandidat und derzeit Experte im Wasserverband in die Waagschale.
Auch zum Thema Fahrradparkplätze wurde Kandidat Rademacher befragt. „Dafür brauchen wir ein städtisches Grundstück. Es ist kein Riesenproblem, das umzusetzen“, war er der Überzeugung. Mit Fachleuten aus der Stadtverwaltung könne ein Platz und eine Lösung gefunden werden. Außerdem könne man Kooperation mit Fahrradgeschäften eingehen. Er selbst sei Radfahrer, habe aber noch kein Problem feststellen können, sein Zweirad abzustellen. Aus dem Auditorium kam die etwas lakonische Nachfrage, ob sein Ansatz sei städtische Parkplätze öffentlich zu finanzieren und Fahrradparkplätze über Sponsoring? „Ich sehe auch nicht das Problem aus dem öffentlichen Haushalt ein paar Ständer zu finanzieren“, erwiderte Frank Rademacher und ergänzte markig: „Zur Not schweiße ich das selber – aber warum nicht auch Sponsoring?“
Frank Rademachers Vorstellungsrunde wurde länger diskutiert. „Ein Teil seiner Vorstellungen wurde durchaus positiv aufgenommen, letztlich lautete der Beschluss aber, dass die Grünen keinen der beiden Bürgermeisterkandidaten unterstützen werden, da sie die grünen Positionen bei beiden Kandidaten nicht ausreichend vertreten sehen.“ So lautet die Formel, auf die sich die Versammlung einigte.
Bei beiden Kandidaten wurden die Themen Strukturwandel und Stadtentwicklung ausgespart.
Praktisch ein Heimspiel hatte der Grüne Landratskandidat Andi Krischer, der ebenfalls eingeladen worden war, um seine Positionen vorzustellen. „Ich will meine Erfahrungen als Unternehmer in der freien Wirtschaft in das Amt des Landrats einbringen. Die Kreisverwaltung braucht dringend moderne, digitale Prozesse – für die Menschen und Unternehmen im Kreis!“, begründete er seine Kandidatur.

Kandidatenkür
Verabschiedet wurde das Wahlprogramm, das in die drei Hauptpunkte eine „Zukunftsfähige Stadt“, „Klima, Umwelt und Artenschutz“ und schließlich „Junge Menschen“ gegliedert wurde. „Es ist ein gutes Programm“, betonte Versammlungsleiterin Gudrun Zentis, „wir müssen gucken, wo wird Verbindungen mit dem Kreis Düren schlagen können“.
Verzichten müssen Bündnis 90/ Die Grünen künftig auf zwei bekannte Gesichter. Der bisherige Sprecher Sebastian Steininger tritt nicht mehr zur Wahl an, ebenso wie Marita Boslar. Dennoch blickt Christine Klein positiv auf ihre „Mannschaftsaufstellung“ für den Wahlkampf: „Mit unseren vielen Neumitgliedern sind wir in der Lage, ein sehr starkes, hoch motiviertes und diverses Team aufzustellen. Auf den ersten sieben Plätze der Liste stehen fünf Frauen, darunter zwei mit internationaler Familiengeschichte.“ Sowohl in den Wahlbezirken (12 von 19) als auch auf
der Reserveliste (10 von 19) werden mehr Frauen als Männer antreten.
Die Mitgliederversammlung des Ortsverbandes Jülich der Grünen hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christine Klein und den Beisitzer im Vorstand des Ortsverbandes Dr. Florian Berberich auf die Plätze 1 und 2 der Liste für die Kommunalwahl in Jülich gewählt. Die weiteren Plätze werden von der Atmosphärenforscherin Dr. Martina Krämer, die derzeit einen Sitz im Umweltbeirat hat, und dem stellvertretenden VHS-Leiter in Eschweiler, Andreas Balsliemke, der auch in der vergangenen Legislaturperiode die Grünen schon im Stadtrat vertreten hat, eingenommen. Auf Platz 5 wird Doina Rück, Vorsitzende des Integrationsrates, und auf Platz 6 die Qualitätsmanagerin für Medizinprodukte, Isabelle Fomat, die sich vor fünf Jahren um einen Sitz im Integrationsrat beworben hatte, kandidieren. Für Platz 7 wählten die Mitglieder Bianca Frömgen, Studiengangskoordinatorin an der FH Aachen. Auf Platz 8 wurde der Atmosphärenforscher Dr. Andreas Petzold aufgestellt.
Wie Christine Klein in der Vergangenheit immer wieder betont habe, müsse die Zusammensetzung des Stadtrats mehr die Bevölkerung widerspiegeln, als das bisher der Fall ist.