Das offene Brief im Wortlaut: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir freuen uns, Sie in den kommenden Tagen in Jülich begrüßen zu dürfen. Ihr Engagement für den Forschungsstandort Jülich und den Strukturwandel im Rheinischen Revier – vom Brainergy Park bis zum Forschungszentrum – setzt wichtige Signale für Innovation, Wertschöpfung und Klimaschutz und damit auch für die Sicherung von und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Damit die Region diese Chancen voll ausschöpfen kann, brauchen die Kommunen ein solides finanzielles Fundament für den Alltag der Daseinsvorsorge. Genau hier klafft seit Jahren eine immer größere Lücke. Jülich will gestalten – doch die Spielräume schwinden. Trotz zahlreicher Förderprogramme stehen wir vor einer Realität, die Sie bei Ihrem Besuch nicht übersehen können: Marode öffentliche Bausubstanz: Rathaus, Hallenbad, Schulen, Kitas und Feuerwehrhäuser warten dringend auf Sanierung, kaputte Brücken sowie verschlissene Straßen, Rad- und Gehwege, die weder sicher noch barrierefrei sind, steigende Pflichtausgaben, etwa für die Offene Ganztagsschule, sowie für Unterbringung und Integration Geflüchteter, wachsende Umlagen von Kreis, Zweckverbänden und Landschaftsverband, die ebenfalls am Limit operieren.
Diese Lasten lassen sich nicht länger über höhere Hebesätze auf Bürgerinnen, Bürger und Betriebe abwälzen, ohne die Akzeptanz für Strukturwandelprojekte und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Gerade vor wichtigen Kommunal- und Landtagswahlen profitieren extreme Kräfte von jeder zusätzlichen Belastung, die als „alternativlos“ dargestellt wird.
Reform statt Reparatur
Die begonnene Altschuldenentlastung ist ein erster Schritt, reicht aber bei weitem nicht. Wir brauchen dringend:
– eine echte Reform der Gemeindefinanzierung, die die kommunale Ebene dauerhaft stärkt – etwa durch Anhebung des Verbundsatzes und Abschaffung der sogenannten Einwohnerveredelung, die Mittel in großstädtische Ballungsräume umleitet. Gerade in der heutigen Zeit braucht der ländliche Raum zusätzliche Mittel, z. B. für Digitalisierung und ÖPNV/SPNV, um auch die Ballungsräume spürbar zu entlasten,
– die konsequente Beachtung des Konnexitätsprinzips, um kommunale Handlungsfähigkeit zu sichern,
– eine Dynamisierung von Bundes- und Landeszuweisungen, die Pflichtaufgaben wie OGS sowie Unterbringung und Integration Geflüchteter
vollständig abdecken,
– klare Prioritäten im Förderdschungel, damit Projekte schneller realisiert und Planungs- sowie Verwaltungsaufwand reduziert werden.
Nur wenn die Städte heute investieren können, gestalten sie morgen mit – ob bei Wasserstoff, Batterieforschung oder klimafesten Infrastrukturen. Wir möchten, dass Sie Jülich nicht nur als Forschungsstandort mit seinen Leuchtturmprojekten wahrnehmen, sondern als Stadt und verlässlichen Partner auf Augenhöhe.
Wir danken Ihnen, Herr Bundeskanzler Merz, und Ihnen, Herr Ministerpräsident Wüst, für Ihre Unterstützung bei der Forschungs- und Gründungsförderung sowie beim Strukturwandel in unserer Stadt. Nutzen Sie Ihren Besuch, um gemeinsam mit uns die finanzielle Basis für starke Kommunen zu legen, damit Jülich und das gesamte Rheinische Revier die Zukunft nicht nur erleben, sondern aktiv mitgestalten.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Heinz Frey
– Fraktionsvorsitzender –