Start Kommentare Hofgeflüster Inhaltlich verschieden – stark im Miteinander

Inhaltlich verschieden – stark im Miteinander

„Jülich solidarisch“ ruft am 23. Mai zum Tag des Grundgesetzes auf, zu dem deutschlandweit Aktionen geplant sind. Gefeiert wird unsere rechtliche Basis, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert, die Würde des Menschen und Gleichheit aller. Es gibt eine Partei in Deutschland, die sagt, dass "Grundgesetz sei nicht in Stein gemeißelt". Ein guter Tag also, um sich Gedanken zu machen.

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Am 2. Mai schätzte also auch der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Daran ändert auch die Stillschweigevereinbarung vom 8. Mai nichts. Es ist ein rechtlicher Akt, dem nun die gerichtliche Prüfung folgt. Die Bezeichnung als rechtsextrem hatte ein Gericht bereits 2018 als zulässig befunden. Aber was ist bis jetzt in Jülich gegen den wachsenden Rechtsextremismus passiert, drei Monate nach der Bundestagswahl mit einem kommunalen Zweitstimmenergebnis von 17 Prozent?

Jülich versteht sich als „Ort der Vielfalt“. Am Rathaus hängt dazu eine schöne Plakette. Was heißt das, wenn die Ratsfraktionen es nicht schaffen, Schulterschluss zu zeigen – gegen eine Partei, die gegen den Grundsatz der unantastbaren Menschenwürde verstößt? Eine Erklärung abzugeben, dass mit ihnen in keinem Fall die rechtspopulistische AfD als gleichwertig toleriert wird? Dass diese Partei bisher nicht auch in unserem Stadtrat sitzt, ist ein Privileg und keine Garantie, dass das so bleibt. Muss diese Partei erst Mandatsträger in den Ausschusssitzungen und im Stadtrat stellen, ehe die demokratischen Fraktionen in Jülich sich im Schulterschluss zur Demokratie bekennen?

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Alle demokratischen Fraktionen würden wohl ein „Nie wieder“ unterschreiben. Aber was bedeutet das? Zunächst, Faschismus im Keim zu ersticken. Und zwar ehe etwas passiert.

Vor dem zweiten Weltkrieg entwickelte sich Faschismus aus Angst, Unsicherheit und Verzweiflung. Angst und Verzweiflung sind stets schlechte Ratgeber und bieten einen guten Nährboden für Hass. Indem damals die NSDAP nur Sündenböcke statt Lösungen anbot, hielt sie diejenigen, die darin eine Rettung sahen, kontrollierbar. Wer glücklich ist, braucht keine Sündenböcke. Der vom Verfassungsschutz wegen rechtsextremer Tendenzen beobachteten AfD geht es gut, wenn es Deutschland schlecht geht. So der Wortlaut eines Partei-Mitglieds, dem nicht bewusst war, dass seine Aussage aufgezeichnet wird. Wer die Narrative der AfD übernimmt, sollte sich bewusst sein, welche langfristigen Folgen dies für den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben kann.

Die Frage steht im Raum: Geht es auch nur einem Menschen besser, wenn Schutzsuchende grundsätzlich an der Grenze abgewiesen werden? Menschen mit Expertise bestätigen, dass sich die wirtschaftliche Lage verschlechtern würde, wenn Menschen mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen müssten.

In Jülich hat eine von sechs Personen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Nicht berücksichtigt sind all jene Menschen, die Migrationshintergrund und eine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Haben wir eigentlich bemerkt, dass wir nicht mehr von „kriminellen Geflüchteten“, sondern von einer „Migrationsdebatte“ sprechen? Das führt dazu, dass suggeriert wird, dass Menschen mit Migrationshintergrund generell kriminell seien.

Dabei ist Rechtsextremismus viel gefährlicher. Jeden Tag erlebt jemand in Deutschland rechtsextreme Gewalt. Drohungen, Verletzungen, sogar Morde. Der Redaktion wurde zugetragen, dass aktuell auch in Jülich Rechtsextreme sich wieder trauen, erkennbar zu sein. Sie wollen verunsichern. Höchste Zeit, zu handeln.

Es reicht nicht, nur „Nie wieder“ zu sagen. Es ist Zeit, Menschen zuzuhören, wie ihr Leben verbessert werden könnte. Ihnen Mut zu geben und das Gefühl „Ach, die hören ja doch zu“. Damit können nach und nach Angst und Verzweiflung genommen werden: Geister im Kinderzimmer lässt man nicht durch ein „Die gibt’s nicht“ verschwinden. Das Kind bleibt ängstlich und verzweifelt. Durch sachliches Einordnen dagegen wird das Schreckgespenst verjagt. Finden wir also heraus, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um Menschen ein positiveres Lebensgefühl zu geben.

Wehrhafte Demokratie heißt: Sich jederzeit gegen Verfassungsfeinde einzusetzen, ganz gleich wie sicher die Demokratie zu sein scheint. Verfassungsschutz ist nicht nur die Aufgabe von Ämtern, sondern von allen – jeder einzelnen Person. Das Spiel „Wir gegen Die“ der rechtspopulistischen AfD nicht mitzuspielen und Politik weiterhin als Meinungsaustausch und Debatte in seiner Vielfalt zu verstehen. Es ist eben nicht ein erbitterter Kampf unter Feinden. Tun wir ihr nicht den Gefallen. Setzen wir uns dem entgegen und zeigen ungeachtet aller inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten ein starkes Miteinander.

Denn eins ist klar: Es mögen 17 Prozent in Jülich die rechtspopulistische AfD gewählt haben. Aber 83 Prozent haben demokratische Parteien gewählt. Die Politik und jeder Einzelne ist aufgefordert Menschen, die von Rechtspopulisten belogen werden und alle, deren Menschenwürde angegriffen wird, nicht im Stich zu lassen. Und zu zeigen, dass Jülich es wert ist, sich für unsere Heimatstadt als Ort der Vielfalt einzusetzen.

„Nie wieder“ ist jetzt sofort. „Nie wieder“ sind wir.


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