Start Stadtteile Jülich „Politik ohne Frauen ist nur die Hälfte wert“

„Politik ohne Frauen ist nur die Hälfte wert“

Auf der Abschlussveranstaltung des „Aktionsprogramms Kommune. Frauen in die Politik!“ sprachen sich prominente Landes- und Lokalpolitikerinnen auf dem Podium des KuBa parteiübergreifend für mehr weiblichen Wind in der Kommunalpolitik aus: Frauen seien wichtig, um typisch männliche Perspektiven zu erweitern und eigene Themen einzubringen. Auch Parteien müssen sich mehr um weibliche Mitglieder bemühen – so lautete der Tenor des Abends.

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In der ersten "Runde" mit Verena Schäffer (v.l.) und Ina Scharrenbach sprach Patrick Nowicki mit Yvonne Gebauer und Schäffer, und Gisela Walken. Foto: tee
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Nur etwa zehn Prozent Frauen sind in der Kommunalpolitik aktiv, im NRW Landtag sind es rund 33 Prozent. Doch: „Politik ohne Frauen ist nur die Hälfte wert.“ Auf diesen schlichten Nenner lassen sich die Positionen der Politikerinnen am Podiumsabend zum Thema „Frauen in die Politik“ zusammenfassen. Der einprägsame Satz stammt von Nordrhein-Westfalens Ministerin Ina Scharrenbach. Die Gäste der Abschlussveranstaltung des“ Aktions-Programms Kommune. Frauen in die Politik!“ waren allesamt erfahren in den Herausforderungen, denen sich Politikerinnen in einer Männerdomaine stellen müssen. Und dennoch: „Politik macht wahnsinnig viel Spaß“, erklärte Verena Schäffer, Fraktionsvorsitzende der Grünen leidenschaftlich. Auch Yvonne Gebauer, ehemalige NRW-Ministerin, Gisela Walsken, ehemalige Regierungspräsidentin sowie NRW-Landtagsabgeordnete Patricia Peill stellten sich auf dem Podium den Fragen von Patrick Nowicki vom Medienhaus Aachen.

In einer zweiten Runde kamen auch Lokalpolitikerinnen zu Wort, darunter Linnichs Bürgermeisterin Marion Schunck-Zenker – einzige weibliche Bürgermeisterin im Kreis Düren – sowie eine Teilnehmerin des so genannten Mentoring-Programms, Linda Madio Ngankeng, die künftig im Integrationsrat mitwirken möchte und in ihrer Heimat Kamerun bereits ein Politikstudium absolviert hatte. Bei dem Politik-Programm für Frauen, das jetzt seinen Abschluss nahm, begleiteten erfahrene Mentorinnen aus der Politik noch unerfahrene Frauen ein Stück auf dem Weg ins politische Amt. Sie sei „richtig, richtig begeistert“, so Madio über diese Möglichkeit und wünschte sich das auch für die Schulen. Sie erhielt viel Applaus, dass sie sich als Neuling auf das Podium getraut hatte. Veranstalter des so genannten Mentoring Programms war die EAF Berlin.

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Eingeladen zu der Podiums-Veranstaltung hatten die drei Gleichstellungsbeauftragten der Städte Jülich, Linnich und Titz: Jessica Fischer, Jennifer Dohm und Lisa Mühlheims. Die Kommunen hatten sich als Region bei dem Programm beworben, das nun anderthalb Jahre lief. Als eine der zahlreichen Programm-Maßnahme sei ein so genannter „Poli-Tisch“ erfolgreich gegründet worden, wo sich nun alle politisch interessierten Frauen regelmäßig treffen können. Bürgermeister Axel Fuchs, sein Titzer Kollege Jürgen Frantzen und Marion Schunck-Zenker dankten den Gleichstellungsbeauftragten für ihren Einsatz.

Das Bürgermeistertrio Axel Fuchs, Marion Schunck-Zenker und Jürgen Frantzen dankten ihren Gleichstellungsbeauftragten für die Initiative. Foto: Sonja Neukirchen

In der Hauptsache ging es an dem Abend um Probleme, die Frauen im politischen Amt begegnen, und welche Strategien dagegen wirksam sind. Gisela Walsken (SPD) sei zunächst als „Quotenfrau“ bezeichnet worden, obwohl sie schon vor Einführung der Quote bei der SPD im Jahre 1988 eine Kandidatur geplant habe. Sie war sich sicher: „Ich kann das“. Männer würden sich diese Frage gar nicht erst stellen. Tatsächlich gebe es sehr „mächtige männliche Netzwerke im Hintergrund“, so Scharrenbach (CDU). Frauen dagegen unterschätzten Netzwerke, weiß die Ministerin und fordert Frauen auf, ebenfalls Netze zu gründen, um sich gegenseitig zu unterstützen. „Manchmal machen es die Frauen sich untereinander auch nicht leicht“, weiß Scharrenbach. Im Jahr 2025 stehen wieder Kommunalwahlen an. „Politik bietet Ihnen etwas, das so nirgends sonst finden können“, fordert sie Frauen auf, in der Kommune mitzuwirken.

Schäffer (Grüne) sieht die Parteien in der Verantwortung, Frauen aktiv anzusprechen und die Macht aufzuteilen. Durch den Einzug der Grünen in den Landtag sei ohnehin die Anzahl der Frauen nach oben gegangen, weil diese Partei schon kulturell mehr Frauen beteilige. Schäffer nennt Familienpolitik als Beispiel, wo eine aktivere Beteiligung von Frauen absolut nötig sei. Den Bedarf habe sie als Mutter zweier Kinder besonders während der Corona-Lockdowns selbst verspürt. Es sei ein Problem für die Politik, wenn bestimmte Perspektiven fehlten.

„Ich sage ganz offen, ich wollte nie eine Quotenfrau sein“, bezieht Gebauer (FDP) persönlich Stellung. Sie sieht eher Leistung und Sachkunde als Auswahlkriterium von Kandidaten im Vordergrund. Dennoch sieht auch sie die Notwendigkeit, mehr Frauen zu gewinnen. Wenn ein Mann zu ihr käme, überreiche er erstmal die Visitenkarte und spräche erstmal 20 Minuten über seine Leistungen, weiß sie aus dem alltäglichen Kontakt. Frauen kämen schneller zum Punkt. Außerdem seien Frauen „viel effektiver“: fünf Mal über dasselbe Thema an fünf Abenden zu reden, das käme für weibliche Amtsträger nicht in Frage.

In Runde 2 kamen Mentee Linda Madio, Bürgermeisterin Marion Schunck-Zenker im Gespräch mit Patrick Nowicki und Beigeordnete Annika Schmitz sowie Landtagsabgeordnete Patricia Peill zu Wort. Foto: Sonja Neukirchen

Auch Peill (CDU), die zunächst in der Kommunalpolitik tätig war, sieht Karrierehindernisse für Frauen. Aber jede Stufe, die man ihr reingebaut hat, habe sie als Stufe nach oben genutzt. Viele Frauen kämen von weiter unten in die politische Laufbahn: über Elternpflegschaftsversammlungen oder andere Organisationen des so genannten „vorpolitischen Raums“. Peill spricht sich explizit für verbesserte Rahmenbedingungen aus, um Familie und politisches Amt besser zu vereinbaren. Es müsse ein „atmendes flexibles System“ entstehen.

„Man wird am Anfang etwas unterschätzt“ schildert Bürgermeisterin Schunck-Zenker ihre persönlichen Erfahrungen. Respekt müsse man sich erst verdienen. Doch das hat bei der Verwaltungskennerin nicht lange gedauert. Wichtig sei es „eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich anerkannt und respektiert fühlt“ wandte sie sich an die Parteien. Annika Schmitz, mit 32 Jahren jüngste Beigeordnete in Titz, habe das Glück gehabt, schon von der Familie genug Selbstbewusstsein mitbekommen zu haben, um sich auch in männlichen Kreisen zu behaupten. Andere bräuchten ein Mentoring-Programm, weshalb sie diese Funktion im Programm gerne übernommen habe.

Als Moderator des Abends stellte Nowicki die Fragen. Als oft witzelnder Counterpart – und damit auch in einer männlicher Paraderolle – hätte er dabei auch selbst den einen oder anderen Euro in das „Phrasenschwein“ gezahlt, das er für einige Aussagen der weiblichen Diskutanten gern hingestellt hätte.

Das zum Abschluss eröffnete, reichhaltige Buffet kam von der Schülerfirma der Schirmerschule.


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