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Kleine Brücken-Geschichte

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Eine Postkarte der Bogenbrücke aus dem Jahr 1912.
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Jülich liegt topografisch an einer günstigen Stelle: Die sonst nur schwer überquerbare Rur fächerte sich bis zur Regulierung ihres Flussbettes in ein Netz zahlreicher Flussarme auf und ließ sich an dieser Stelle gut überqueren. Die Stadt verdankt dieser günstigen Lage ihre Gründung in römischer Zeit. Es entstand eine Straßenstation entlang der römischen Straße von Köln bis Boulogne Sur Mer. Schon in dieser Zeit wird es sehr wahrscheinlich eine Brücke gegeben haben. Bislang konnten aber noch keine archäologischen Spuren davon gefunden werden.

Abb. 1 Der Kupferstich von Johann Christian Leopold aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts zeigt eine hölzerne Brücke über die Rur und eine weitere zum Aachener Tor. (Iuliacum Jülich, Kupferstich von Johann Christian Leopold, 1716-1738). Abb. Stadtarchiv Jülich, Karten und Pläne, D 75, Ausschnitt

Erste konkrete Belege für Brücken über die Rur liefern archäologische Funde und historische Quellen seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts. In einer Zollrechnung von 1501 wird erstmals eine Brücke über die Rur urkundlich erwähnt. Die Brücken waren zu dieser Zeit aus Holz und mussten etwa alle 40 Jahre erneuert werden. Ihr Unterhalt war sehr kostspielig. Sie waren ungeheuer wartungsintensiv und wurden durch die regelmäßig vorkommenden Hochwasser ebenso beschädigt wie durch die zahlreichen eisenbereiften Karren und Wagen, die über die Brücke fuhren. Ein großer Teil des an der Brücke erhobenen Zolls musste für den Unterhalt der Brücke verwendet werden. Eigentlich muss man sagen: der Brücken, denn die ersten Rurbrücken waren zwei- bis dreiteilige Konstruktionen. Die Rurarme bildeten in der Mitte des Flussbettes eine Insel, und auch der morastige Grund zwischen Rur und Ellbach konnte nur mit Hilfe einer weiteren Brücke überquert werden. Erst am Aachener Tor wurde der Boden wieder trocken (Abb. 2). Die Holzkonstruktion hatte aber auch einen Vorteil: Im Falle eines Angriffs von Westen konnten diese Holzbrücken sehr schnell abgerissen werden.

Abb. 2: Diese Zeichnung zeigt zwei Brücken: eine kleinere ganz unten im Bereich des heutigen Brückenkopfes und eine weitere über einen breiteren Arm der Rur. (Plan der Vestung Gulich, kolorierte Federzeichnung von Fortis Cadet, um 1795). Abb. Stadtarchiv Jülich, Karten und Pläne D 35, Ausschnitt
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1792 wurde die bestehende Holzbrücke auf Befehl des österreichischen Marschalls Ch. de Clerfait zur Verteidigung der Stadt gegen die französischen Revolutionstruppen in Brand gesteckt. Dabei wurden 7 von 15 Brückenjochen zerstört. Nach der Übernahme des Rheinlandes durch die Franzosen wurde diese Holzbrücke wieder instandgesetzt. Als 1798 zur Sicherung des Rurüberganges mit dem Bau des Brückenkopfes begonnen wurde, war es Teil des Verteidigungsplanes, die Rur im Kriegsfall aufzustauen. Es sollten mit dem aufgestauten Wasser die Wassergräben um die Stadtfestung geflutet werden. Zum Aufstauen des Wassers sollte eine Schleusenbrücke dienen. Der Grundstein für diese Brücke wurde 1806 gelegt. Sie hatte steinerne Pfeiler und 15 Durchlässe, die geschlossen werden konnten (Abb. 3-4).

Abb. 3: Die französische Schleusenbrücke. Blick aus Richtung Stadt, der Brückenkopf im Hintergrund, um 1890. Die Holzkonstruktion vor der Brücke diente als Eisbrecher. Abb Stadtarchiv Jülich, Ansichtskartensammlung
Die französische Schleusenbrücke, im Hintergrund das Pulvermagazin des Brückenkopfes. Foto: Privatbesitz Björn Jumpertz, Broich

Schon bei den ersten Stauversuchen zeigte sich, dass die Fundamente der Brücke den aufgestauten Wassermassen nicht standhielten. Außerdem soffen die zu tief gebauten Defensionsgänge des Brückenkopfes regelrecht ab. Neben dieser steinernen Brücke gab es eine weitere kleine Holzbrücke zum Rurdamm zur nördlichen Wache des Brückenkopfes. Sie durfte aber nur vom Militär benutzt werden. Auf einer Zeichnung aus dem Jahr 1859 ist sie gut zu sehen (Abb. 5). Die Schleusenbrücke stand fast 100 Jahre. Keine andere Brücke hat in Jülich länger gehalten. 1902 wurden die Reparaturkosten für diese Brücke so hoch, dass man sich dazu entschloss, eine neue Brücke zu bauen.

Abb. 5: Schleusenbrücke und parallel verlaufende Holzbrücke für das Militär. Jülich: Nach der Natur aufgenommen und gezeichnet von Franz Nix, Federzeichnung und Bleistift, 1859. Abb. Stadtarchiv Jülich, Karten und Pläne D 76, Ausschnitt

Die 1902 bis 1903 erbaute Brücke hatte drei steinerne Bögen über vier gemauerte Pfeiler (Abb. 6). Erst 1911 wurde die Brückenkopf-Festung so durchtrennt, dass eine direkte Zufahrt auf die Brücke möglich wurde.

Bau der Rurbrücke im Jahr 1902. Foto: Schiffer, Stadtarchiv Jülich, Fotosammlung 03-5

Eine Vielzahl von Ansichtskarten dokumentieren diese stattliche Brücke, die leider nur wenige Jahre genutzt werden konnte (Abb. 7). Bei den Kämpfen im Winter 1944 / 1945 wurde sie stark beschädigt und schließlich von der Wehrmacht gesprengt.

Eine Postkarte der Bogenbrücke aus dem Jahr 1912. Abb. Stadtarchiv Jülich, Ansichtskartensammlung
Abb. 7 Die Bogenbrücke über die Rur stand von 1903 bis 1945.

Die amerikanischen Truppen bauten bei ihrem Übergang über die Rur am 23. Februar 1945 zunächst mehrere Behelfsbrücken aus metallenen Schwimmpontons, auf denen Holzplanken befestigt wurden. Wenige Tage später wurden auf die Pfeiler der gesprengten Brücke eine stählerne Behelfsbrücke errichtet. Sie heißt nach ihrem Konstrukteur D. C. Bailey „Bailey-Brücke“ (Abb. 11).

Abb. 11: Der Künstler Henry Jay MacMillan zeichnete den Bau der Bailey Brücke. Hier die fertige Brücke am 27. Februar 1945. Abb. Cape Fear Museum Wilmington

Dieser Notbehelf wurde dann durch eine hölzerne Pionierstraßenbrücke ersetzt, die kurz nach Kriegsende Mitte Mai errichtet wurde (Abb. 12).

Hölzerne Notbrücke 1945–1948. Foto: Stadtarchiv Jülich, Fotosammlung, Nachlass Scheuer

Die Militärregierung drängte schon 1948 auf den Bau einer panzertragfähigen festen Rurbrücke – der Kalte Krieg hatte begonnen. Es wurde die vor wenigen Wochen abgerissene Brücke aus Stahlfachwerk und Betonfahrplatten gebaut. Am 21. Dezember 1948 wurde sie dem Verkehr übergeben (Abb. 13-16). Wir dürfen gespannt sein auf die nächste Brückengeneration.

 

Abb. 13: Fertiggestellte Rurbrücke 1950. Blick stadteinwärts mit Esso Tankstelle (heute Stadtwerke). Im Hintergrund der Turm der zerstörten Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt. Foto: Kreisbildstelle Kreis Jülich / Stadtarchiv Jülich, Fotosammlung 03-5
Abb. 14: Rurbrücke 1950er Jahre. Foto: unbekannt, Stadtarchiv Jülich, Nachlass Lampenscherf
Abb. 15: Rurbrücke und Haus Hesselmann. Foto: Krapohl/ Stadtarchiv Jülich, Fotosammlung 03-5
Abb. 16: Luftaufnahme der Rurbrücke. Foto: Krapohl/ Stadtarchiv Jülich, Fotosammlung 03-5

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