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Wenn es an Hilfe mangelt

Problem erkennen, Problem benennen und dann Hilfe finden – gar nicht so einfach. Die Erfahrung machten auch Anna, die zum Schutz ihrer Person dieses Pseudonym trägt, und ihre Freundinnen. Eine beispielhafte Geschichte für die Hürden zwischen Sorge und Hilfe suchen.

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Wenn es Kommunikation mangelt, wird es Hilfe schwierig. Foto: philm1310 | Pixabay
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Eigentlich war Anna ein ganz normales Mädchen. Ihre Freundesgruppe kannte sich seit Jahren und da sie zusammen in die Schule gingen sahen sie sich so gut wie jeden Tag. Und eigentlich hätte das Leben für sie, zumindest von außen darauf blickend, relativ einfach sein können.

Doch nach und nach, fließend und ohne dass jemand heute den Zeitpunkt ausmachen könnte, fielen ihren Freunden immer mehr Veränderungen an ihr auf. Sie fror bei moderaten Temperaturen und schien immer schmaler zu werden. Sie begannen sich Sorgen zu machen und nachdem klar war, dass es mehreren aufgefallen war, fingen sie an zu recherchieren. Vielleicht waren die Befürchtungen ja unbegründet? Besser, man informiert sich selbst als die Pferde scheu zu machen.

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Wie es aber nun manchmal so kommt fanden sich die Jugendlichen in ihren Vermutungen nur bestätigt. Die Begrifflichkeit „Anorexie“, Magersucht, stand plötzlich im Raum. Und die Beschwerlichkeit, herauszufinden, was nun zu tun war. Anna blockte alle direkten Versuche darüber zu reden ab. Wie also weiter vorgehen? Sie wollten definitiv nicht hinter ihrem Rücken mit anderen Menschen reden, weil sie Respekt vor ihr und ihrer Freundschaft hatten. Außerdem war ihnen bewusst, dass eine Besserung nur möglich ist, wenn die betroffene Person auch selbst dazu bereit ist. Und waren Vertrauenslehrerteams und die Schulsozialarbeit nicht nur für schulische Probleme zuständig?

Es ist nicht leicht, wenn Ansprechpartner zu fehlen scheinen. Schwierig auch, wenn man das Gefühl hat, dass niemand anders die scheinbar offensichtlichen Probleme zu bemerken scheint, sagen die Betroffenen heute. Als Teenager selbst ein Problem diagnostizieren und Hilfe suchen ist nicht einfach, wenn man keinen Ansatz findet und das Gefühl hat, dass man als so junger Mensch ohnehin vielleicht gar nicht ernst genommen wird. Im gemeinsamen Verein fand man nur direkte Hilfe, weil dort ein Fall von Anorexie bereits vorgekommen war und darum Vertrauenspersonen weiterhelfen konnten; sie wussten, was zu tun war. Als eine Erwachsene eingeschaltet wurde, die mit Annas Eltern reden sollte, traf jene auch erstmal auf eine Mauer. „Es gibt kein Problem“, hieß es. Auch wenn Anna heute sagt, dass ihre Eltern sehr hilfsbereit waren sobald die Diagnose klar war und die Reaktion vermutlich spontaner Überforderung entsprang, so ist es frustrierend, wenn Sorgen sofort dermaßen abgeschmettert werden. Erst recht, wenn alle Möglichkeiten die für die Freunde direkt möglich waren, von Gesprächen mit Anna bis zum Kalorienzahlen abkleben, ausgeschöpft zu sein scheinen.

Heute wissen die mittlerweile Erwachsenen, dass nicht nur schulische Themen zu den Aufgaben der Schulsozialarbeit zählen. Und, dass die Notaufnahme auch für psychische Probleme im Zweifel zur Verfügung steht. Hätten sie das damals früher gewusst, wären sie vermutlich schneller zum Ziel gekommen. Die Frage steht für sie im Raum, warum diese Tatsachen nicht besser und transparenter kommuniziert werden.

Was ihnen aber auch bleibt ist das Unverständnis über den Umgang mit Hilfesuchenden, wie ihn Anna und andere Betroffene schildern. Dass oft ein generelles Misstrauen gegen Patienten vorgebracht zu werden scheint und Rückschläge, wie sie bei langen und schweren Besserungswegen vorkommen, ihnen zum Vorwurf gemacht werden. Man würde sich nicht stark genug bemühen oder würde die ganze Gruppe herunterziehen, sollen einige davon gelautet haben.

Geschichten wie diese zeigen, in welchem Dilemma Menschen stecken können, die – teilweise verzweifelt – nach Hilfe suchen. Es ist wichtig, Hilfsangebote transparenter zu bewerben. Es ist genauso wichtig, genau hinzuschauen und nicht anzuzweifeln, wenn jemand die eigenen Sorgen vorträgt, seien sie begründet oder scheinen sie auch nicht so oder mit der eigenen Erlebniswelt vereinbar. Und zu akzeptieren, dass der Weg zur Hilfesuche ein langer ist, besonders wenn man ihn alleine beschreiten muss, aber auch dann, wenn andere dabei helfen – wie in diesem Fall, in dem zwei Freundinnen schließlich spontan mit Anna zum Schulsozialarbeitsbüro gingen und dort Ansprechpartner erhielten. Und schließlich, dass Rückschläge ganz normal sind – und keineswegs ein Zeichen von Versagen, auch wenn andere das so mitteilen mögen.


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