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Ein Tannenbaum zum Abschied

Es ist ein goldenes fünfzigstes Jubiläum für den Jülicher Weihnachtsmarkt - und für den Manager des jährlichen Budenzaubers. Das städtische Glanzstück in der Adventszeit öffnet jetzt wieder seine Türchen und verströmt Weihnachtsduft. Für Markt-Organisator Gerd Willi Cremanns aus Lich-Steinstraß waren es 50 bewegte, arbeitsreiche Jahre. „Nach dem Weihnachtsmarkt ist vor dem Weihnachtsmarkt“ so hieß es für ihn jahrein und jahraus. Doch dieses Mal wird es sein letzter Einsatz sein für den Jülicher Weihnachtsmarkt.

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Foto: Sonja Neukirchen
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Wer Gerd Willi Cremanns kennt, kann sich das mit dem „Aufhören“ eigentlich nur schwer vorstellen. Auch gerade läutet bei ihm wieder ständig das Telefon, und er findet Lösungen für die Fragen der Weihnachtsmarkt-Aussteller. Er ist ein Mann der Tat und außerdem der „Mann der ersten Stunde“ des Jülicher Weihnachtsmarktes. Doch er meint es ernst mit dem Abschied: Weil der letzte Markt für ihn etwas Besonderes sei, stiftete Cremanns eine Nordmann-Tanne aus seinem heimischen Garten, um dem Jubiläumsmarkt – und seinem Abschied – noch etwas mehr Symbolik zu verleihen. Der Baum steht bereits und wird noch von der Stadt geschmückt.

Cremanns hatte schon beim ersten Weihnachtsmarkt 1973 mitgeholfen. Damals noch an der Seite seines Vaters Josef. Er selbst sei da gerade bei der Bundeswehr gewesen, erinnert er sich. Aber er komme aus einer klassischen Schaustellerfamilie und da helfe man sich, wo es geht.

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Wie hatte das damals eigentlich alles angefangen? 1970 sei die französische Woche gewesen. Dann sei der damalige Vorsitzende der Werbegemeinschaft, Franz Heyd, mit Unterstützung von Kassierer Willi Halking, auf die örtlichen Schaustellerfamilien zugegangen. Sein Wunsch: einen „Weihnachtsmarkt wie in Colonia“ zu gründen, erinnert sich Cremanns. Sein Vater Josef, Martin Vent und Josef Klee hätten sich prompt ans Werk gemacht. Und so hatte auf dem Schlossplatz schließlich der erste Weihnachtsmarkt von Jülich stattgefunden.

Foto: privat

In den ersten Jahren seien sie mit ihren Kirmeswagen angetreten und die Fachhändler aus Jülich hätten ihre Waren verkauft. „Zum Beispiel Haushaltswaren, Tapeten und Messer“, erinnert sich Cremanns. Es fehlte in den Anfängen also noch etwas weihnachtliches Flair. Da sei Willy Halkin von der Werbegemeinschaft auf die Idee gekommen, Holzbuden aus dem Westerwald anzuschaffen. Rund um den ehemaligen Musik-Pavillon auf dem Schlossplatz seien die Buden dann errichtet worden, erinnert sich der Schausteller.

Mit dem damals neuen Vorsitzenden der Werbegemeinschaft, Wolfgang Hommel, sei 1993 ein Versuch gestartet worden, zusätzlich auf dem Kirchplatz einen zweiten Adventsmarkt zu errichten. Doch der sei nach zwei Jahren wieder aufgegeben und in den bestehenden Markt integriert worden. „Für zwei Weihnachtsmärkte ist Jülich zu klein“, bilanziert Cremanns. Das habe sich wirtschaftlich gelohnt.

Von Beginn an habe es auch ein Begleitprogramm gegeben. Sogar Gotthilf Fischer habe man schon da gehabt, erinnert sich seine Frau Elisabeth amüsiert zurück, denn dieser habe alles übertönt.

Bis heute bilden Schausteller-Familien aus Lich-Steinstraß mit ihren Ständen den Kern des alljährlichen Budenzaubers. Als Vorstandsmitglieder der Werbegemeinschaft packten diese auch beim Aufbau mit an, so Schausteller Cremanns: Da sei neben seiner eigenen Familie auch die Familien Eschweiler, Bongartz, Knipprath, Riesen und Vent, so erwähnt er, um auch niemanden zu vergessen. Seine „Weihnachtsmarkt-Sekretärin“, Gertrud Vent, sei aber kürzlich verstorben, ist er traurig.

Es herrschen kurze Dienstwege unter den Schausteller-Familien: Alle kennten sich untereinander oder seien verwandt. „Et Moppe-Bäcker-Dorf“, so scherzt Cremanns über seine alte Heimat Lich-Steinstraß, die ursprünglich dort lag, wo längst der Bagger ein Loch gefressen hat.

Schausteller-Dynastie: Gerd Willi Cremanns, Hella Eschweiler, Carsten Cremanns (v.l.). Foto: Sonja Neukirchen

„Moppe“, das ist der Begriff für Alpenbrot, auch als „Magenbrot“ bekannt wie es sein Vater unter anderem noch selbst gebacken und aus Schausteller auf den Kirmesplätzen verkauft habe. Sohn Carsten und Schwiegertochter Sabrina führen die Schausteller-Tradition der Familie weiter und sorgen auch auf dem Weihnachtsmarkt für Süßes und Herzhaftes. Doch viele andere hätten darauf heute einfach keine Lust mehr, weiß Cremanns. Corona habe dazu bei getragen. Auch vier ehemalige Aussteller des Weihnachtsmarktes hätten aufgegeben. Der Weihnachtsmarkt-Manager ist froh, mit ein paar neuen Kräften wieder für genügend Vielfalt auf dem Platz zu sorgen.

So gebe es dieses Jahr die von der Werbegemeinschaft finanzierten Kutschfahrten an den langen Samstagen von einem anderen Anbieter. Auch einen neuen Korbflechter aus Viersen-Dülken habe Cremanns gewinnen können. Und wie läuft das Geschäft heute für die Aussteller? „In den ersten Jahren haben wir an den Wochentagen nur zehn Mark eingenommen“, erinnert sich Cremanns zurück. Die Currywurst habe damals noch zwei Mark gekostet. Manche hätten schon in den ersten Jahren aufgeben wollen. Doch das alles habe sich eingespielt. „Essen und Trinken gehen auf jeden Fall gut“, bilanziert Cremanns die Geschäfte. Glühwein darf natürlich auf keinem Weihnachtsmarkt fehlen.

Hella Eschweiler ist Chefin einer dieser „Glühweinstände“, die heute beliebte Treffpunkte mit Zelt-Atmosphäre sind. Abends bilden sich dort oft Trauben von Menschen. Der Glühwein sei im Gegensatz zur Weihnachtsmarkt-Tradition, die es schon im 14. Jahrhundert gegeben habe, eine neuere Erfindung. Erstmals habe diesen ein Augsburger Winzer erfunden und im Jahr 1956 eingeführt, erzählt Eschweiler über das beliebte würzig-heiße Weingetränk.

Der verdiente Weihnachtsmarkt-Manger Cremanns blickt auch für die Zukunft optimistisch auf den Jülicher Weihnachtsmarkt. Doch wie genau der nach einer Schlossplatzsanierung aussehen wird, sei noch nicht klar. „Abwarten“, sagt er und freut sich gemeinsam mit Frau Elisabeth auf das „Sahnehäubchen“ des Jubiläumsmarktes: Ein Musik-Feuerwerk am 1. Dezember um 19 Uhr an der Zitadelle.


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