Start Stadtteile Jülich „Jülich ist multikulti“

„Jülich ist multikulti“

Vor rund 20 Jahren gründete sich der libanesische Kulturverein in Jülich. Jetzt sind die Mitglieder in Vorbereitung auf den Empfang der Delegation aus dem Heimatland, die am 12. Juni zur Vorbereitung auf die Special Olympics erwartet werden.

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Abdallah Kansso (Vorsitzender, links) und Schatzmeister Mohamad Makki gehören zum Vorstand des Libanesischen Kulturvereins Al Sadek e.V. Foto: privat
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„Heute Abend gibt es hier Champions League. Manchester City gegen Real Madrid“, erklärt Abdallah Kansso und zeigt auf die großen Sofas und den noch größeren freien Platz davor auf dem Teppichboden: „Dann ist hier alles voll.“ Gastfreundschaft wird an der Lohfeldstraße gelebt. Zur Begrüßung im Versammlungsraum des Libanesischen Kulturvereins Al Sadek e.V. gibt es Tee, Kaffee und frisch gebackene Kekse aus der Küche im Obergeschoss. „Unsere Tür steht für alle offen“, sagt der Vorsitzende Abdallah Kansso. Für Alt und Jung, für Moslems und Christen. Aus dem Fenster fällt der Blick auf ein neues Kunstrasen-Kleinspielfeld, das der Verein selbst gebaut hat. „Sport verbindet. Wir haben zuletzt an einem Turnier in Welldorf teilgenommen und gewonnen.“

Wenn Mitte Juni zum ersten Mal die Special Olympics World Games in Deutschland stattfinden, werden 216 ausgewählte deutsche Gastgeberstädte in den Tagen vor den Spielen insgesamt 190 Delegationen aus der ganzen Welt empfangen. Die Stadt Jülich ist eine der ausgewählten „Host Towns“ und wird die Delegation der Athletinnen und Athleten aus dem Libanon empfangen. Vom Verein „Al Sadek“ sind 25 Mitglieder als Volunteers mit dabei, unterstützen als Dolmetscher, betreuen die Gäste. Die Entscheidung, welche Delegation in Jülich beherbergt wird, war Zufall. Umso mehr freut es den Vorsitzenden des Kulturvereins, dass es Athletinnen und Athleten aus dem Libanon sind. „Wir helfen gerne, sind immer mit dabei, wenn es etwas zu tun gibt“, sagt Abdallah Kansso.

Das Vereinshaus an der Lohfeldstraße bietet neben einem Gebetsraum und einem Saal für Feiern auch Platz für Sprachunterricht, Kinderbetreuung und Sportangebote. Foto: privat
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Rund 55 libanesische Familien leben im Jülicher Land. Der Großteil der Menschen floh während des Bürgerkriegs Mitte der 80er Jahre nach Deutschland. Der Zufall des Königsteiner Schlüssels führte sie nach Jülich. An der Rur zu bleiben, war meist eine sehr bewusste Entscheidung. „Jülich ist multikulti. Die Menschen sind sehr offen und freundlich. Fremdenfeindlichkeit gibt es hier nicht – die Jülicher lassen es nicht zu“, sagt Schatzmeister Mohamad Makki. Jülich wurde schnell Heimat für alle, die ihre libanesische Heimat verlassen mussten. Die erste Generation war es, die vor mehr als 20 Jahren den Verein gründete, in dessen Garten heute die dritte Generation Fußball spielt – oder Arabisch in der eigenen Sprachschule lernt. Es gibt einen großen Saal für Feste und Feiern, zwei Räume für die Kinder- und Jugendarbeit sowie einen Gebetsraum für die Gemeinde.

In der vereinseigenen Küche entstehen landestypische Leckereien. Foto: privat

„Bei uns herrscht wie im Libanon Offenheit für alle Kulturen und Religionen. Wir möchten aber in Deutschland unsere libanesische Identität bewahren“, erklärt Abdallah Kansso, der als Student nach Berlin kam und als Prüfingenieur in Jülich blieb. Verbindend ist zum einen die Sprache, aber auch die Religion, Gewohnheiten und Traditionen, gemeinsames Essen, Feiertage sowie Trauertage, die in Gemeinschaft verbracht werden. Gerade die nachfolgenden Generationen sollen nicht die eigenen Bräuche vergessen. „Wir sind eine sehr gastfreundliche, sehr offene Nation. Und unser Essen ist einmalig. Das kann keiner toppen“, spricht Mohamad Makki eine Einladung aus, sich beim nächsten Fest der Kulturen auf kulinarische Entdeckungsreise zu begeben.

Die Frage, wie es um die Integration bestellt ist, ist offenbar eine typisch deutsche Denkweise. 90 Prozent der Vereinsmitglieder haben einen deutschen Pass, sprechen die deutsche Sprache, haben ein Abitur, ein Studium in Deutschland absolviert – und immer mehr arbeiten in deutschen Amtsstuben. Doch Abdallah Kansso beantwortet die Frage ganz anders: „Wir ziehen unsere Kinder mit dem Verständnis dafür auf, dass es die Menschlichkeit ist, die uns verbindet. Nicht die Religion oder Nationalität.“

Viele Vereinsmitglieder haben Verwandte und Familie im Libanon und reisen regelmäßig ins Land. „Wir sind hier heimischer als in der Heimat“, sagt Mohamad Makki augenzwinkernd. Im Libanon wird er „Mohamad der Deutsche“ genannt. Angesichts der enormen Wirtschaftskrise, die den Libanon erschüttert, versuchen die Vereinsmitglieder, aus der Ferne so gut zu helfen wie möglich. „Wirtschaftlich und humanitär ist die Lage eine Katastrophe“, bilanziert Abdallah Kansso. Der Verein bemüht sich um humanitäre Hilfe, sammelt (Sach-)Spenden und unterstützt, so gut es geht. Aktuell sammeln die Mitglieder Rollstühle für Menschen mit Handicap im Libanon. „Inklusion ist ein wichtiges Thema – und eine große Baustelle zugleich“, freut er sich auf einen Erfahrungsaustausch mit den Athletinnen und Athleten der Special Olympics World Games.


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