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Was bewegt… Stetternich?

Der HERZOG besucht derzeit alle Ortschaften und deren Ortsvorsteher und Ortsvorsteherin. Im Jahr 2021 startete die Stadt Jülich das so genannte Dorfentwicklungskonzept – ein Instrument, um Lösungen für die aktuellen Herausforderungen im „ländlichen Raum“ zu entwickeln. Gespannt warten auch Bürgerinnen und Bürger nach zwei Terminrunden mit der Stadtverwaltung auf die Ergebnisse. In Stetternich ist die "to-do"-Liste des Ortsvorstehers x Punkte lang.

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Ortsvorsteher Lambert Schmitz über Plänen für Stetternich. Foto: Dorothée Schenk
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„Wir sind der zweitgrößte Ortsteil, grinst der Ortsvorsteher verschmitzt. „Das war zumindest zum Jahreswechsel so und ich hoffe, das ist immer noch so. Wir haben vier Einwohner mehr als Kirchberg.“ Netzwerken ist das wichtigste, das weiß Lambert Schmitz, der nicht nur seit Jahrzehnten Lokalpolitik betreibt, sondern auch seit 2020 zum Ortsvorsteher in Stetternich wurde. Trotzdem gilt es manches Mal, dicke Bretter zu bohren. Von der Türe, die an der Leichenhalle klemmt, über den Offenen Bücherschrank und der Fahrradweg-Anbindung von der Brückenüberführung zur L264 bis zum großen Baugebiet „Auf der Klause III“ reicht die Themenvielfalt der Excell-Liste, die Ortsvorsteher Lambert Schmitz akribisch führt. Das ist nötig sagt er, sonst verliert man den Überblick. Denn manche Prozesse dauern Jahre, wie er im Jahr 3 nach Amtsantritt etwas ernüchtert feststellen musste.

Seitdem er die Position des Ehrenbeamten übernommen hat beschäftigt ihn beispielsweise der Endausbau „Auf der Klause“, der nach der Bürgerveranstaltung unerwartet noch einmal in die Verlängerung gegangen ist. Der Wunsch war auf der Veranstaltung „Die Verwaltung kommt zu Ihnen“ 2021 von den Stetternichern geäußert worden. Parkplätze waren am Friedhof und als Ausweichfläche für das Ärztezentrum gewünscht worden. Ortsvorsteher Schmitz hat sich dafür eingesetzt. Kein leichter Unterfangen, denn zunächst musste der Bebauungsplan geändert werden. Im November 2022 fasste der Planungsausschuss den Satzungbeschluss, den der Stadtrat im Dezember bestätigte. Die Entscheidung lag nach dem Drucktermin des Amtsblatts HERZOG, daher konnte erst im Februar 2023 die Veröffentlichung erfolge. Dann muss der Beschluss vier Wochen öffentlich ausgeliegen. Der Planungsausschuss im März stellt keine Einwände fest, die Bestätigung des Satzungsbeschlusses konnte im Rat aber erst im Mai erfolgen, weil die Osterferien dazwischen lagen. Die Terminierung der Bürgerinformation wurde urlaubs- und sommerferienbedingt dann erst im August anberaumt werden. Die Beteiligungs- und Informationsmöglichkeit sei also ausreichend gegeben gewesen, befand Lambert Schmitz und ging davon aus, dass bei der Bürgerinformation lediglich über die Farbe des Pflasters und Bepflanzung der Baumscheiben entschieden werden müsste. Angestrebter Baubeginn: Oktober 2023. Es kam anders. Widerspruch regte sich: Keine oder weniger Parkplätze wurde gefordert, weil den Parkplätzen sechs von 36 Bäumen weichen müssten. Die Grundstückseigner müssen sich mit der Stadt an den Kosten für den Endausbau beteiligen – von einem Eigner, der drei Grundstücke besitzt, wurde die Maßnahme völlig in Frage gestellt. Konsequenz: Zwei Jahre vergebliche Arbeit und das bei einer fortschreitenden Kostenentwicklung: Lambert Schmitz erhielt bei der ersten Anfrage nach den Kosten die Summe von 13 Euro je Quadratmeter, Stand heute liegt der Preis bei 20 Euro – weitere Steigerungen nicht ausgeschlossen. Das Verfahren „Auf der Klause“ muss aber nicht neu gestartet werden. Auf Drängen des Ortsverstehers wurde ein Kompromiss gefunden, der einstimmig im jüngsten Planungsausschuss verabschiedet wurde.

Eiche an der Kreuzung Kosakengasse / Geschwister-Scholl-Straße. Foto: Volker Goebels
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Ein weiteres Projekt, das schon seit längerem zur Diskussion steht, ist die Bebauung der „Wiese Lott“, wie sie laut Lambert Schmitz im Stetternicher Volksmund genannt wird: Es handelt sich um das Areal an der Kölner Landstraße gegenüber dem Kronenhof. Hier plant ein Investor ein dreigeschossiges Pflegezentrum für die Intensiv- und Tagespflege errichten zu können. Daran angegliedert soll ein Bereich für betreutes/selbstbestimmtes Wohnen entstehen. Eine Cafeteria mit Terrasse, sowie eine Parkanlage auf der Fläche, die durch die tektonische Zone unbebaubar ist, sind ebenfalls vorgesehen. Die Zufahrt soll über neue Erschließungsstraße von der Geschwister-Scholl-Straße über den Schulhof der Alten Schule führen. Dazu gibt es situationsbedingt sehr unterschiedliche Meinung: Viele ältere Ortsansässige begrüßen das Bauvorhaben, weil sie gerne auch im Alter in Stetternich wohnen bleiben möchten. „Wer aber jetzt auf die Pferdewiese guckt, den werde ich nicht überzeugen können, begeistert zu sein von diesem Neubau“, ist sich Schmitz sicher. Bis Ende des Jahres soll es eine Marschrichtung geben. Hauptargument gegen die Bebauung ist die Dreigeschossigkeit, die im ersten Entwurf so nicht vorgesehen war. Hier war von einem zweigeschossigen Bau plus Staffelgeschoss die Rede, so Schmitz. „Es ist ein schönes Projekt, wie realistisch es ist angesichts von Baukosten und Personalmangel…“ lässt der Ortsvorsteher den Satz im Achselzucken enden.

Apropos am Ort bleiben und Bebauung: Die Lage des Ortes eignet sich perfekt für Pendler und die Nachfragen nach Grundstücken seien entsprechen hoch. Schnell ist man auf in Merzenich der A4, auf der A61 in Bergheim oder über die A44 in Richtung Aachen und Düsseldorf unterwegs. „Wenn hier Häuser zum Verkauf stehen, dann schaffen sie es meistens nicht bis ins Internet“, ist die Erfahrung von Lambert Schmitz. Um so interessanter, den Ort zu entwickeln und das könnte über das Baugebiet Auf der Klause III geschehen. Nach zähem Ringen mit einem Landwirt ist die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) inzwischen „im Wesentlichen“, so Schmitz, im Besitz der Grundstücke. Dann müsste man sich vielleicht auch über einen ortsansässigen Nahversorger Gedanken machen. Derzeit lohne sich ein Geschäft im Ort nicht, „das davon leben muss, was die Leute in Jülich vergessen haben“, beurteilt der Ortsvorsteher die Lage.
Klar ist er sich aber auch darüber, dass die Entwicklung nicht zwei, nicht fünf, sondern vermutlich zehn Jahre in Anspruch nehmen werde. Aktuelles Problem: Die SEG wolle die Zufahrt zum Wohngebiet über einen Kreisverkehr lösen. StraßenNRW lehne das aber ab.

Foto: Dorothée Schenk

Auch an anderer Stelle stehen noch Einigungen mit StraßenNRW aus. Stichwort Ortsschild. An der Kölner Landstraße steht lediglich ein „grünes“ Schild, und damit liegen alle Bebauungen an der Durchgangsstraße außerhalb des Ortes. Das begünstigt nicht nur Raser und besorgt Eltern, Kinder und Einrichtungsleitung des KiTa St. Martin, die an der Kölner Landstraße liegt, sie enthebt auch die Stadt der Möglichkeit, hier eine „30er-Zone“ oder gar Zebrastreifen einzurichten. Das Ziel ist es darum, das Ortsschild Stetternich von der Wolfshovener Straße auf die Kölner Landstraße zu versetzten. Dafür bedarf es der Zustimmung von StraßenNRW. Nach einem erfolglosen ersten Ortstermin ist jetzt ein Schreiben auf dem Weg in der Hoffnung, auf Umdenken. Als kurzfristige Lösung ist jetzt eine feste Blitze an der Kölner Landstraße geplant. „Das scheint die Möglichkeit zu sein, die am ehesten zu realisieren ist und der Kreis ist wohl auch willens.“ Denkbar wäre außerdem eine Querungshilfe in Höhe vom Kronenhof mit einer Verkehrsinsel in der Mitte. Der Antrag sei über Marco Johnen durch die CDU eingebracht und einstimmig im Ausschuss verabschiedet worden.

„Das größte Problem, was wir in Stetternich haben: Wir haben keinen Ort zum Feiern.“ Dabei geht es Lambert Schmitz nicht Mai-, Karnevals- oder Oktoberfeste, die eh auf der Festwiese im Zelt stattfinden, es geht um einen Versammlungsraum für Vereine sowie einen Ausweichort für Geburtstags- und Kommunionsfeiern oder Leichenschmaus, für den das heimische Wohnzimmer nicht ausreicht. Früher war das Haus Zillbach dieser Ausweichort. Seit dem Verkauf an den Kindergarten-Träger Profinos stehen diese Räume nicht mehr zur Verfügung. Hintergrund: Als im Zuge des Einbaus des Treppenliftes das Bauordnungsamt zur Prüfung vor Ort war, um festzustellen, ob die Treppe auch dann als Flucht- und Rettungsweg dienen kann, stellte sich heraus, dass als der Bau immer noch als „Mädchenschule“ eingetragen war. Eine

Das Zelt bleibt! Ein kleiner Ort zum feiern fehlt in Stetternich. Foto: privat

Nutzungsänderung, die notwendig gewesen wäre, hätte bedeutet, dass ein Brandschutzkonzept erstellt und ein zweiter Fluchtweg hätte angelegt werden müssen. Geschätzter Mehraufwand: 40.000 Euro.

Seither sind die Stetternicher „raus“ und die Suche nach einer Alternative war bislang erfolglos. Die Ertüchtigung der Alten Schule an der Geschwister-Scholl-Straße ist nach eingeholter Fachmeinung sinnlos. Sinnvoll könnte es aber sein, das Gebäude abzureißen und zu veräußern, um eine Finanzierung eines Neubaus zu ermöglichen. Als einen guten Ort für ein neues „Bürgerzentrum“ wurde ein Stück der Festwiese gegenüber der Kirche ausgemacht. Das Areal gehört der Kirche, die zum Verkauf bereit wäre, sagt Schmitz. Damit sei man beim Bürgermeister vorstellig geworden, es sei in das Dorfwicklungskonzept aufgenommen worden und „das Ergebnis haben wir nach zweieinhalb Jahren immer noch nicht auf dem Tisch liegen.“ Die Verwaltung prüfe noch. „Jetzt habe ich in der Zeitung gelesen, die Stadt will eine neue Schule bauen“, sagt der Ortsvorsteher und grinsend erzählt er, dass er Axel Fuchs den Vorschlag gemacht habe: „Bau sie doch in Stetternich!“ Eine Turnhalle sei schon vorhanden, man könne die alte Schule abreißen, einen Neubau errichten und dann dort auch eine kleine Halle anbauen, die von der Bürgerschaft genutzt werden könne. „Ich habe mich ja vor Jahren schon für die Dorfschule ausgesprochen“, sagt er lachend und sieht realistisch wenig Chancen, Schulstandort zu werden – auch wenn es angesichts des ausgemachten Neubaugebietes ein Standortvorteil wäre. „So hängt alles mit allem zusammen“, sagt Lambert Schmitz.

Foto: Dorothée Schenk

Und die Liste der anstehenden Themen lässt sich noch immer weiterführen: Die Feuerwehr soll im Ort bleiben, die hier auch ein Standort der Jugend und Kinder-Feuerwehr sei. „Ich kann als Ortsvorsteher nur sagen: Ich bin sehr froh, dass ich eine funktionierende, hilfsbereite Feuerwehr hier haben – egal ob das beim Rosenmontagszug, Martinszug oder der Kranzniederlegung der Maigesellschaft ist. Sie sind überall dabei und helfen.“ Natürlich ist der Anschluss – beziehungsweise die Taktung – des öffentlichen Nahverkehrs ausbaufähig. „Ich brauche vor Ort ein Auto. Busse fahren viele nach Jülich, nach Düren, in die Rödinger Ecke – aber eben nur zu den Haupttageszeiten. Abends ist schnell Feierabend und am Wochenende auch.“ Zum Mobilitätskonzept fällt Schmitz der Fahrradweg von Stetternich nach Jülich ein. „Es ist immer noch der alte – von dem neu ausgeguckt durchs Feld hört und sieht man nichts.“ Ja, spürbar ist schon, dass das Dorfentwicklungskonzept wie das Mobilitätskonzept noch nicht wirklich gut in Stetternich angekommen ist. Die Verteilung von Geldern entlockt dem Ortsvorsteher auch ein paar kritische Töne: „Wenn ich sage: Macht mir bitte einen Zebrastreifen auf der Kölner Landstraße, dann sagen mir viele Leute, warum das nicht geht. Auf der Vogelstange gibt es gleich zwei auf 100 Metern.“

Dennoch ist Lambert Schmitz grundsätzlich positiv gestimmt. Viele Gespräche führe er amtsbedingt mit der Verwaltung. „Das ist eigentlich immer ein angenehmes Miteinander“, so der Ortsvorsteher. Sein Fazit: „Die Menschen wohnen gerne in Stetternich. Wir haben auch einige Projekte, die zukunftsorientiert sind.“

Der Herzog stellt Fragen
Was muss in den Ortschaften rund um Jülich passieren, damit sie auch in Zukunft attraktive Wohnorte bleiben – oder sich dazu entwickeln? Laut Statistischem Bundesamt wird bis Mitte 2030 die Anzahl der Menschen im Rentenalter um etwa 20% steigen. Der Verkehr als größter Verursacher von Treibhausgasen, erfordert ein Umdenken, gerade bei der Anbindung der Dörfer an die Stadt – Stichwort Mobilitätswende. Die Stadt Jülich möchte außerdem wachsen, und potenzielle Neubürger brauchen Wohnraum. Gerade zugezogene Städter beteiligen sich aber oft weniger am Vereins- und Gemeinschaftsleben der Dörfer. Dafür Lösungen zu entwickeln, ist unter anderem Aufgabe von Dorfentwicklungskonzepten. Wo der Schuh am meisten drückt, möchte der HERZOG mit den Ortsvorstehern in einer Artikel-Serie klären.


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