Start Stadtteile Jülich Ausnahmezustand war um 22 Uhr beendet

Ausnahmezustand war um 22 Uhr beendet

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Um 10.30 Uhr stieß ein Baggerfahrer bei Ausschachtungsarbeiten an der alten Musikschule auf einen Metallkörper und erkannte glücklicherweise die Lage schnell, wie Michael Daenecke vom Kampfmittelräumdienst betonte. „Wir haben zum Glück viele ältere Baggerfahrer, die das halt kennen.“ Unfälle gäbe es glücklicherweise selten. Es handelte sich um eine britische 5-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Dass es noch bis zum Nachmittag dauern sollte, bis die Öffentlichkeit vollumfänglich informiert wurde, liegt an den vielen organisatorischen Umständen, die damit verbunden sind. Dezernent Richard Schumacher erläutert, wie aufwändig die Vorbereitungen sind. Schließlich liegen im Umkreis von 300 Metern, den es abzusperren und zu evakuieren galt, ein Seniorenwohnheim um das inklusive Wohnheim Stammhaus. Für Bettlägerige und Menschen mit eingeschränkter Mobilität mussten Transportmittel beschafft werden. Sie wurden in den Jülicher Seniorenheimen oder im Krankenhaus untergebracht. Malteser Hilfsdienst, Deutsches Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk sowie die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei galt es zusätzlich zum städtischen Ordnungsamt zu mobilisieren.

Seit den Nachmittagsstunden waren Lautsprecherwagen unterwegs, um die Menschen aufzufordern, ihre Wohnungen zu verlassen. Wer keinen Unterschlupf bei Freunden oder Verwandtschaft finden konnte, fand in der Kulturmuschel im Brückenkopf-Park einen Platz, um die Wartezeit zu überbrücken. Auch hier war das DRK vor Ort und versorgte die Anwesenden mit Getränken und später Würstchen und Brot. „Wir arbeiten in Jülich wirklich gut und freundschaftlich zusammen“, lobte Dezernent Richard Schumacher den Teamgeist der Organisationen.

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Erst um 18 Uhr konnte mit der finalen Evakuierung und Überprüfung der Straßenzüge begonnen werden. „Die Hotline hat sich wieder ausgesprochen bewährt“, berichtete Schumacher. Hier seien viele Hinweise eingegangen, etwa von einer alten Dame, die auf Anrufe eines Angehörigen nicht reagiert hatte. Gezielt konnten die Einsatzkräfte in Aktion treten. Auch bei den letzten Rundgängen durch die Straßenzüge wurden – es war inzwischen dämmrig – Lichter in Wohnungen gesehen, so dass auch hier an die Wohnungstüren geklopft und zum Verlassen aufgefordert werden konnte.

Die eigentliche Entschärfung dauerte nur eine halbe Stunde, erläuterte Michael Daenecke, der sich schmunzelnd als „Feuerwerker“ bezeichnete. Nein, aufgeregt sei er nicht gewesen, nur etwas erhitzt. Schließlich sei es doch eine anstrengende körperliche Arbeit. Bei dem gefundenen Modell handelt es sich um ein ihm gut bekanntes Modell. Viel Erfahrung hat der Kampfmittelräumer, wie er berichtet. „In Köln war ich eine Zeit lang. Da haben wir jede zweite Woche eine Bombe entschärft – jetzt kommt es vielleicht sechs, sieben Mal im Jahr vor.“ Nach einem Bombenfund, berichtet Daenecke, wird erst einmal festgestellt, was es für ein Bombentyp ist und dann beginnt das Warten, bis Polizei und Ordnungsbehörden ihre Arbeit getan haben. „Wenn alle evakuiert sind, kommen wir wieder ins Spiel. Dann schärfen wir die Bombe, entfernen die Zünder“, erläutert Daenecke, der in Jülich mit seinem Kollegen Martin Bartels im Dienst war. Wenn Daenecke erzählt klingt es ganz unspektakulär: „Hier war es jetzt nur ein Heckzünder. Da ist vorne eine Spitze drauf, die drehen wir runter. Es könnte theoretisch vorne auch noch ein Detonator sein.“ Der muss herausgezogen werden. Ist diese difficile Arbeit erledigt braucht es – immerhin sind fünf Zentner zu bewegen – einen Bagger und Kranwagen. In diesem Fall stand das THW helfend zur Seite und hob per Kran die Bombe aus dem Fundloch auf die Schirmerstraße. Per Handarbeit wurde der entschärfte Explosionskörper so platziert, dass er per Seilwinde und etwas Schubkraft von vier Einsatzkräften in den Transporter bewegt werden konnte.

Um 22 Uhr war dann alles erledigt – zumindest für die Kampfmittelräumer. Sie machten sich auf den Weg ins Zwischenlager nach Aachen – „oder Köln“. Ganz sicher war er sich nicht. Dort wartet die Kriegshinterlassenschaft mit anderen Funden und erst wenn eine LKW-Ladung voll gesammelt ist, geht es ab in die Nähe von Oberhausen. „Da haben wir einen Zerlegebetrieb.“ Dort wird die Bombe zersägt und der Sprengstoff wird ausgespült.

Für die Einsatzkräfte in Jülich war die Nacht noch nicht zu Ende. Alle Evakuierten, die in Krankenhäusern und Seniorenwohnheimen untergebracht werden, sollten im eigenen Bett die Nacht verbringen können. Betroffen waren auch die beiden Polizeibeamtinnen, die nach der Frühschicht auch um 23 Uhr noch im Dienst waren. „Das sind eben so Ausnahmetage“, meinte die Einsatzleiterin achselzuckend. So war es wohl für viele Jülicherinnen und Jülicher.

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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Artium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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