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Ein Elf in Jülich…

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Illustration: Zara Schmittgall
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Ich bin Elf und lebe mittlerweile in Jülich. Manche nennen mich auch Albe oder Elb, und ich gehöre einer Gruppe von Fabelwesen an, die in Mythologie und Literatur sehr seltsam sind. Für manche bin ich ein Naturgeist aus der nordischen Mythologie. Für manche spiele ich aber auch eine zentrale Rolle in der keltischen Mythologie sowie im mittelalterlichen Aberglauben.

Im 19. Jahrhundert war ich schon sehr bekannt und beliebt. Meist wurde ich als winzige geflügelte Kreatur, die in Blumen lebte, dargestellt. Zugegeben, das war schon ganz nett. Aber kam mir jetzt nicht gerade so passend vor. Umso mehr freute ich mich so um 1930 über die Begegnung mit John Ronald Reuel Tolkien. Kurz und besser bekannt als J.R.R. Tolkien. Seine drei Vornamen konnte ich mir auch damals schon nicht merken. Aber ja, das ist der Typ, der dann den Hobbit und Herr der Ringe „erfunden“ hat.

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Bei diesen Titeln sollte es dann auch bei jedem klingeln. Denn Herr der Ringe ist eines der erfolgreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts und gilt als Ikone der modernen Fantasy-Literatur. Weit verbreitet ist der Glaube, dass „Der Herr der Ringe“ (1954) und der Kinderbuch-Bestseller „Der

Hobbit“ (1937) in einer von Tolkien allein erfundenen Welt spielen würden. Dabei möchte ich ihm seine Arbeit daran jetzt auch nicht schlecht machen oder in Abrede stellen, denn das Bild, das Tolkien von mir und meinesgleichen malte, schmeichelte mir hier schon eher. Auch hatte Tolkiens Bild von uns einen großen Einfluss auf das damals aufstrebende literarische Fantasy-Genre. Hier kehrten wir als mächtige, menschengroße Wesen in die Literatur zurück. Ein wirklich gutes Comeback. Wie ich immer noch finde. Und erst recht die Umsetzung der von Peter Jackson von 2001 bis 2003 geschaffenen Filmtrilogie zeichnete ein sehr cooles Bild von „mir“. Das wurde natürlich durch die hochkarätige Hollywoodbesetzung mit Schauspielern wie Orlando Bloom (Legolas), Cate Blanchett (Galadriel) und Liv Tyler (Arwen) noch unterstützt. Der Herr der Ringe wurde übrigens ganze 30 Mal für den Oscar nominiert und konnte davon auch 17 Oscars gewinnen.

Das ist kein Vergleich zu dem Elfen-Bild im Shopping-TV, bei dem ich als kleine Porzellanfigur mit Glitzer auf irgendwelchen Blümchen sitze. Auch wenn das Produkt schon nach kurzer Zeit vergriffen war. Was man an beiden Dingen aber positiv feststellen kann: Elfen kommen an und sind ein Garant für Erfolg.

Aber zurück zum Anfang, und wie ich Tolkien kennenlernte. Das war an sich nichts Besonderes. Ein Bier in einem Pub und meine spitzen Ohren führten schnell zum Gespräch.

Und es blieb nicht nur beim Gespräch, denn ein Bier ergab das andere.

So kamen wir irgendwann auch auf den deutschen, rheinischen Karneval, bei dem der bzw. die Elf auch einen festen Platz in der Geschichte hat.

Ich wollte J.R.R. aber nicht nur die Theorie nahebringen, dass der Karneval die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern, die am Aschermittwoch beginnt, einleitet und deshalb davor nochmal so richtig gefeiert wird, bevor man auf Alkohol oder ähnliches verzichtet. Ich wollte es ihm auch zeigen.

Nun war der Weg nach Köln eigentlich etwas zu weit, und es war auch eigentlich die falsche Jahreszeit für so einen Tripp. Daher entschied ich mich für eine Zeitreise. Ja, auch das bekommen Elfen hin. Nicht alleine. Dazu musste ich meine Freunde Cosmo und Wanda um Hilfe bitten. Wenn Elfen helfen, dann auch richtig. Und so ging die Reise zur Reise los.

Es gibt genau zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten der Zeitreise. Reisen in die Zukunft sind eine davon und etwas, von dem auch viele menschliche Wissenschaftler heute glauben, dass es möglich sein wird. Vor über 100 Jahren präsentierte übrigens schon Albert Einstein der Menschheit, wie Zeitreisen funktionieren können, und zeigte sich damals ebenso überrascht, dass die Menschen fast nichts darüber wussten.

Nun gut, wir verschätzten uns etwas bei unserem Zeitsprung und landeten nicht nur zeitlich einige Jahrzehnte in der Zukunft, sondern verfehlten Köln um 42,01 Kilometer Luftlinie und landeten mitten im Jülicher Karneval.

Aber es hätte auch schlimmer sein können. Wir hätten zum Beispiel in Düsseldorf landen können oder in einer Zeit, in der es noch keinen Karneval gab.

Obwohl, dass wäre schwer geworden. Denn der Vorläufer des Karnevals fand vor 5000 Jahren in Mesopotamien statt, dem Land der ersten urbanen Kulturen. Eine alte babylonische Inschrift aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. erzählt uns, dass unter dem priesterlichen König Gudea nach dem neuen Jahr ein siebentägiges Fest als symbolische Hochzeit eines Gottes abgehalten wurde.

Und auch die alten Römer feierten vom 17. bis 19. Dezember das Fest der Saturnalien zu Ehren ihres Gottes Saturnus. Das Fest ist mit einem öffentlichen Fest verbunden, zu dem alle eingeladen waren. Hinrichtungen wurden wegen Saturnalien verschoben. Sklaven und Herren tauschten manchmal die Rollen, feierten und saßen mit Myrtenkränzen am Tisch, tranken und aßen, durften ohne Blatt vorm Mund reden und überschütteten sich mit kleinen Rosen. Es ist möglich, dass so das Konfetti entstanden ist. Das werde ich bei meiner nächsten Zeitreise mal unter die Lupe nehmen. Die Römer veranstalteten aber auch bunte Prozessionen, bei denen eine geschmückte Kutsche gezogen wurde. Da sag ich nur: Rom alaaf, Juliacum alaaf und Lazarus, den gab es da bestimmt auch schon, jod preck!

Der Karneval gefällt mir aber noch aus einem anderen Grund sehr gut. Hier werden die Elfen verehrt. Die Elfen sind allgegenwärtig. Die KG Ulk aus Jülich feierte in dieser Session sogar ein Elf mal Elf mit einer großen Galasitzung. Und genau dahin verschlug es uns.

J.R.R. und ich gingen in unserem Outfit als echte Karnevalisten durch und bekamen für die Originalität direkt mal elf Schnäpse ausgegeben. Auf die Frage, warum direkt so viel, antwortete der komische Caterer mit Narrenkappe und langen Federn, dass die Elf halt eine Schnapszahl ist.

Ich bin zwar ein Elf, aber das war mir neu. Er erklärte, dass die Elf die kleinste Schnapszahl ist, weil sie nur zweistellig ist und den doppelten niedrigsten Wert enthält. Ob sich der Begriff auf Spiele bezieht, bei denen man eine Runde ausgeben musste, wenn man auf eine Schnapszahl traf, oder darauf, dass man nach zu viel Alkoholkonsum doppelt sieht, wusste er nicht genau. Er wusste aber, dass Schnapszahl-Daten beliebte Hochzeitsdaten sind, und er vermutet, dass Männer sich diese dann auch betrunken merken könnten.

Was ein Zufall. Denn mein Hochzeitstag ist tatsächlich der 11.11.11 (Alaaf you!). Ich zog meinen Ring aus und zeigte ihn dem schon gut angeheiterten Tolkien. Warum auch immer war er davon sehr fasziniert. Und ich erklärte ihm, dass dieser Ring ein Schatz für mich ist und ich ihm eine besondere Macht zuspreche. Ich möchte erwähnen, dass ich nichts darüber gesagt habe, dass meine Frau mich knechten oder ins Dunkle treiben würde! Ich erwähnte nur die ewige Bindung zu meiner Frau. Wirklich!

Ich erzählte ihm auch, dass ich froh bin, diesen Ring überhaupt noch zu haben, da dieser Ring mir bei einer Führung in der Vulkan-Brauerei (natürlich ansässig in der nahe gelegenen Vulkan-Eifel) mal in den Braubottich gefallen und beinahe für immer verloren gewesen wäre.

Darauf gab uns der freundliche Caterer noch einen Schnaps aus und verabschiedete sich dann zu seinem Elfenrat oder so ähnlich. Wir verabschiedeten uns auch, denn obwohl es hier ganz nett ist, wollten wir ja bis Elf in Köln sein.

Nach Überquerung der Rur gelangten wir zu den Zwei Türmen des alten Jülicher Stadttors. Ganz schön beeindruckend, wie Tolkien mir recht lallend erklärte. „Dann solltet ihr ma‘ zu den Solartürmen gehen.“ Schrie uns ein Clown in Begleitung eines Einhorns zu. Das lag zum Glück auf dem Weg. Wir gingen also am Elb-Bach oder so lang, und nach einigen Ecken weiter standen sie wie eine große Elf vor uns. Die Spiegel richteten ihr Licht genau über einen der Türme und bündelten sich zu einer leuchtenden Form, die einem Auge ähneln würde, wie J.R.R. meinte. Naja, der Alkohol zeigte bei ihm schon ordentlich Wirkung.

Als er dann im Wald hinter den Türmen meinte, dass die Bäume mit ihm reden und er irgendwelche Waldläufer sehen würde, machte ich mir langsam Gedanken, ob wir überhaupt noch in Köln ankommen würden. Zumal wir auf unserem Weg immer wieder freundliche kostümierte Menschen trafen, die uns einen ausgaben. Unter anderem auch einen als Zauberer verkleideten, Weißbier trinkenden Bayern, der uns überreden wollte, noch einen Abstecher bei seinem Freund Ron zu machen. „Ron die Sau wohnt im Moor doa…“, sagte er immer wieder und zeigte tief Richtung Wald. Wir bedankten uns und zogen weiter.

Angekommen am Tagebau war es dann aber auch mit Tolkien vorbei. Jetzt driftete er völlig ab. Ich meine, irgendwie hatte er ja recht, dass die Menschen im Loch wie Zwerge aussahen. Aber musste er deswegen wie ein Bekloppter umhertorkeln und dazu schreien: „Die Zwerge haben zu tief geschürft! Die Zwerge haben zu tief geschürft!“?
Mir reichte es. Ich brach unsere Reise ab und J.R.R. Tolkien direkt vor meine Füße. Seine weiteren Ergüsse unseres Tripps fand ich dann in den besagten Büchern wieder.

So oder so ähnlich war es. Zumindest in meiner Erinnerung. Und in das elfenfreundliche Jülich habe ich mich dann auch irgendwie verliebt, sodass ich erst immer wieder nach hier zurückkam und dann ganz hiergeblieben bin. Vielleicht sieht man sich mal.


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