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Der Kurschatten

Was das Leben ausmacht wenn man keine Lichtgestalt sein kann.

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Foto: La Mechky Plus
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Ganz entspannt sitzt er dort. Ein Bein über das andere geschlagen, die Arme hängen locker zur Seite. Ob man sich einen Kurschatten so vorstellt? Zumindest scheint er sehr dem zu entsprechen, was eine Kur erreichen soll.

Entspannung und Erholung – das sind die Stichworte, um die sich seine Welt dreht. Denn es ist ja nicht nur die Kur selbst, die selbiges verspricht. Genau genommen kann man damit auch die vorrangigen Aktivitäten des Affäristen beschreiben. Woher er die Energie für das viele Entspanntsein nimmt? Bloß an der guten Luft kann es ja nicht liegen. Der Mann in den besten Jahren grinst. Schonkost sei sein Geheimnis, verrät er mit Augenzwinkern.

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Das gehe – wie seine Leidenschaft – auf seine Kindheit zurück, beginnt er zu erzählen. Schon immer lagen ihm die Themen Gesundheit und Erholung. Damit kam er zwar bei den anderen Kindern, die lieber Pommes und Schokolade essen sowie halsbrecherische Abenteuer erleben wollten, nicht so wirklich gut an, doch es hatte einen anderen Vorteil: Je älter er wurde, desto mehr zahlte sich sein gesundes Aussehen für ihn aus. „Auch wenn Oma oft gesagt hat: ‚Kind, iss doch mal was Ordentliches!‘; für einen Teenager war ich sehr attraktiv“, erklärt er selbstbewusst. Auf dieser Basis eine Art Karriere zu gestalten, lag dann auf der Hand. Die Frage, ob er damals schon „erfolgreich“ war, quittiert er mit einem vagen „Naja, was soll man sagen: Nicht alle Teenager sehen bereits den Vorteil von Gesundheit.“

Seinen Namen möchte er nicht verraten. Gut, bei einem solch aufwändigen Hobby auch nachvollziehbar. Doch er wirft ein: So sei das gar nicht. Eigentlich geht es ihm nur darum, dass er findet, sein Name klinge wie eine verstimmt kreischende Geige. Leidenschaftlich gebe er andere Namen an, und da sei es doch besser, einem Magazin keinen als einen erfundenen zu geben.

Dass die Affären immer nur von beschränkter Dauer sind? Ach, so sehr beschäftige ihn das nicht. „Aber wissen Sie, was ein Problem ist? Immer weniger Menschen wissen, was ein Kurschatten eigentlich ist. Was passiert nur mit der Welt?“ Theatralisch knatschig wirft er sich gegen die Lehne, und man fragt sich fast, wie er überhaupt jemanden um den Finger wickelt.

Angst hat er. Nicht vor einer bevorstehenden Nichtexistenz seiner jahrelangen Freizeitbeschäftigung. Sondern vor neuen Namen, die zwangsläufig auf ihn warten. „Stellen Sie sich vor, hinterher heiße ich dann noch Cureboy oder so etwas. Wie seh’ ich denn aus?“ Die Digitalisierung bringe viele Übel mit sich, betont er grimmig und versucht, seine tiefenentspannten Augen aufblitzen zu lassen. (Klappt mäßig.)

Dann lenkt der Kurschatten ein: So ganz stimmt das dann doch nicht mit dem steten Weiterbestehen. „War mal mehr los“, meint er. Die Menschen gehen doch tatsächlich mittlerweile in Kur, um sich von Krankheiten und Problemen zu erholen. Nur wenige sind noch vorrangig dort, um ihrem Alltag zu entfliehen und ein Abenteuer zu erleben. Einfach ärgerlich.

Ihm Konkretes über seine bisherigen Beziehungen zu entlocken, so kurzfristig sie auch sein mögen, erweist sich allerdings als schwierig. Ist es diskrete Geheimhaltung eines Menschen, der sonst mit geschwellter Brust von seinem Handeln erzählt? Seine Geschichten beginnen und enden immer mit dem Ansprechen einer Person, die ihm gefällt. Steckt die Wahrheit vielleicht im von ihm genutzten Konjunktiv?

Warum genau er so viel Wert auf die Bezeichnung „Kurschatten“ legt, ist übrigens nicht ganz ersichtlich. Zum einen ist er braun gebrannt. Zum anderen legt er wenig Wert darauf, Dinge zu verheimlichen. Sein erklärtes Motto: „Was soll’s, wenn ich zwei gebrochene Beine habe. Ich bin ja eh direkt in Kur.“ Da drängt sich der Verdacht auf: Vielleicht, ganz vielleicht, hat er einfach nur einen Schatten.


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